Mannheim. Die Vitrine ist voller Messer, mal verziert, mal in Militäroptik. Von 20 bis 150 Euro reichen die Preise für solche Waffen, die jeder und jede ab 18 Jahren in dem Laden kaufen kann. Das Gleiche gilt für Pfefferspray oder einen Elektroschocker: Alles frei zu haben - ganz ohne Waffenschein. Beim Undercover-Testkauf im zweiten Laden fällt der Blick auf Macheten, Softair-Gewehre fürs Paintballspielen, Outdoor-Messer und Armbrüste mit spitzen Pfeilen. In einem Waffenfachladen in den Quadraten gibt es sogenannte freie Waffen, also solche, für die es keine Erlaubnis braucht. Das große Aber: Solche Waffen sind nur für den Privat- oder Freizeitgebrauch, dürfen nicht in der Öffentlichkeit mitgeführt werden, das regelt das bundesweite Waffenrecht.
Wer einen Kleinen Waffenschein besitzt, darf Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen mit sich führen. Beantragen lässt sich so ein Schein beim Mannheimer Ordnungsamt. Dort sind im Jahr 2023 bis zum 20. Dezember 143 Anträge eingegangen, im Vorjahr waren es noch 153 laut Stadt. Dabei werde nicht jeder Antrag bewilligt. Die Voraussetzung für eine Erlaubnis: Volljährigkeit, Zuverlässigkeit und persönliche Eignung. Außerhalb von Schießständen und dem eigenen Grundstück ist die Benutzung verboten. Das gilt auch an Silvester. Benutzt werden dürfen solche Waffen nur bei Notwehr oder Notstand. Wer so einen Schein nicht vorweisen kann, begeht eine Ordnungswidrigkeit und muss Bußgeld zahlen.
Keine Kontrolle ohne Verdacht
Relevanter geworden ist das in Mannheim mit der Einführung der Waffenverbotszone am 1. Dezember. Seitdem gilt freitags und samstags von 20 bis 6 Uhr ein Waffen- und Messerverbot. Wie viele Waffen seit der Einfügung eingezogen, wie viele Menschen kontrolliert wurden? Auf Anfrage erklärt das Polizeipräsidium Mannheim: In den ersten drei Adventswochenenden wurden 100 Personen kontrolliert. Dabei hat es einen Verstoß gegeben, entdeckt hatten die Beamten eine Schreckschusswaffe. Alle Personen in dieser Zone ohne Verdacht oder Anlass zu kontrollieren, das „darf bzw. kann“ die Polizei aus rechtlichen Gründen aber nicht, so eine Polizeisprecherin. Aus rechtlichen Gründen könne man Angaben zu den Kontrollierten ebenfalls nicht weitergeben.
Verboten in der Zone ist das Mitführen von Messern mit feststehender oder feststellbarer Klinge, die über vier Zentimeter lang sind. Bereits bundesweit verboten ist es, mit einer Schusswaffe oder Schreckschusswaffe unterwegs zu sein. Aber auch Anscheinswaffen, also Gegenstände, die einer echten Pistole täuschend ähnlich sehen, fallen darunter. Genauso wie Hieb-, Stoß-, oder Stichwaffen sowie Elektroschocker. Grund für die Verbotszone in Mannheim waren die steigende Zahl von Straftaten und die Entwicklung, dass immer mehr Menschen Messer bei sich tragen. Das hat eine Feinanalyse von Januar bis Oktober 2023 des Polizeipräsidiums ergeben. Als Gegenmaßnahme hatten sich Stadt und Polizei darauf verständigt, dort, wo es vermehrt zu schweren Straftaten mit Messern kommt, eine Verbotszone einzurichten.
Kaufen aber kann an man solche freien Waffen weiterhin, darunter zählen Messer aller Art. Und das in Geschäften, die mitten in der Verbotszone liegen. Ob sich das auf den Umsatz auswirkt, Kunden verunsichert? Wer kauft solche Waffen und warum? Nachgefragt beim Verband Deutscher Büchsenmacher und Waffenfachhändler (VDB), der die kleinen Einzelhändler bundesweit vertritt, erklärt eine Sprecherin: „Wir wünschen uns eine Abschaffung aller Waffenverbotszonen. Die Sicherheit für Bürger und Bürgerinnen wird dadurch nicht erhöht, im Gegenteil.“
Kriminalitätszonen nur verlagert?
Der VDB ist überzeugt: Kriminelle halten sich selten an Verbote. Vielmehr wüssten Verbrecher in solchen Zonen genau, dass ihre Opfer sich an das Waffenverbot halten - und damit wehrlos sind, weil sie sich im Fall der Fälle nicht verteidigen könnten. Zudem würden Kriminalitätszonen nur verlagert, gebe es bereits ausreichende Waffenverbote, die eine Kontrolle und Sanktion ohne Waffenverbotszone möglich machten.
Sich gegen Angriffe wehren zu können - mit diesem Wunsch betreten besonders oft Kundinnen einen anderen kleinen Waffenfachladen in der Innenstadt, wie der Verkäufer berichtet. Dort bekommt man als junge Frau eine sorgfältige Beratung zur Selbstverteidigung. Der Bestseller hier ist eine Art Pfefferspray, das ähnlich wirkt, aber als Gel viel präziser sein Ziel trifft. Der Tipp vom Verkäufer: Einfach beim Ordnungsamt einen kleinen Waffenschein beantragen. Damit kann man als Frau das Abwehrspray nachts in der Tasche legal mitführen, Gleiches gilt übrigens für Elektroschocker, die direkt neben dem Gel und verschiedener Kugelmunition für Luftgewehre hinter der Theke stehen.
Das Sortiment reicht von der Armbrust übers Schwert und Messer bis hin zum Gewehr. Dabei ist alles außer Reichweite hinter verschlossenen Vitrinen verstaut, zum Schutz vor Langfingern, aber auch zur eigenen Sicherheit. Bleibt die Frage: Ist es überhaupt erlaubt, sich mit solchen freien Waffen bei einem Überfall zu verteidigen? „Gewisse Abwehrsprays sind erlaubt. Zwar muss man im Einzelfall entscheiden. Sich mit einem Messer zu verteidigen und zuzustechen, deckt Notwehr aber nicht ab. Tatsächlich ist die Überwindung, eine Waffe zu benutzen und damit jemanden töten zu können, bei den meisten Bürgern doch sehr hoch“, ordnet eine Polizeisprecherin ein.
Wen zieht es am häufigsten in Fachläden für Waffen? Die Mehrheit besteht laut VDB aus Jägern und Jägerinnen. Oder Sportschützen, die Gewehre für Biathlon kaufen. Dazu kommen Sammler sowie Zeitungszusteller oder Familien, die sich mit Tierabwehrspray gegen bissige Hunde verteidigen wollen. Bei Schusswaffen ist der Kauf, das Mitführen oder der Verleih streng gegelt: Neben psychologischen Eignungstests oder unangekündigten Kontrollen muss jeder Waffenkauf bei den Behörden gemeldet werden. Sportschützen dürften nur alle sechs Monate eine neue Waffe kaufen.
Sorge, dass ein Kunde oder eine Kundin mit einem verkauften Messer ein Verbrechen begehen könnte, hat man beim VDB nicht. „Wer zu uns in den Laden kommt, hält sich an die Regeln. So eine Verbotszone trifft nur rechtschaffene Bürger, die jetzt Angst haben, einen Verstoß zu begehen. Das wirkt sich auch auf den Umsatz aus, weil die Kunden deswegen zweifeln oder zögern“, sagt VDB-Präsident Michael Blendinger. Er betreibt einen Waffenfachladen in Nürnberg. Und ist überzeugt: So ein Verbot verhindere Missbrauch von Messern nicht. Schließlich lasse sich auch mit einem Küchenmesser ein Verbrechen begehen.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-waffen-kaufen-in-der-waffenverbotszone-ein-besuch-in-mannheimer-fachgeschaeften-_arid,2159721.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-waffenverbotszone-in-mannheim-so-lief-das-erste-wochenende-_arid,2153732.html
[2] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html
Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Warum die Lizenz zum Waffetragen richtig ist