Netzkultur - Thi Uyen Ninh kam 2019 nach Mannheim – ihre Videos über typisch deutsche Eigenheiten erreichen auf der Plattform TikTok Hunderttausende

Von Vietnam nach Mannheim: Tiktokerin dreht witzige Videos über Kulturschocks

Von 
Julia Brinkmann
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Thi Uyen Ninh dreht Kurzvideos über kleine Kulturschocks und lustige Begebenheiten, die sie als Vietnamesin in Deutschland erlebt. © Julia Brinkmann

Thi Uyen Ninh läuft fröhlich einen Wanderweg entlang, steigt aufs Fahrrad, legt sich auf eine Wiese, holt einen Grill hervor. Der Titel des Videos heißt „Everyone in Germany today“, übersetzt also „Jeder in Deutschland heute“ - und die 25-Jährige hat es am 9. Mai auf den Sozialen Medien TikTok und Instagram hochgeladen. Der Sonntag, 9. Mai, war der erste richtig warme Tag in Deutschland dieses Jahr - und man muss sich eingestehen: Sie hat Recht, alle, die konnten, haben an dem Tag etwas besonderes getan, um die Sonne zu genießen.

@uyenthininh

♬ Traveling - Kush Mody

Thi Uyen Ninh ist im Oktober 2019 aus Vietnam nach Mannheim gekommen - der Liebe wegen. Ihren Partner, der in ihren kurzen Videos als „German Boyfriend“ („deutscher Freund“) auftritt, aber stets unerkannt bleibt, hat sie 2016 kennengelernt. Ninh lebte damals in der Vietnams Hauptstadt Hanoi; ihr Partner war als Rucksacktourist dort. Zufällig trafen sie sich auf der Straße, blieben in Kontakt, und wurden ein Paar. Nach drei Jahren Fernbeziehung entschloss sich Ninh, nach Deutschland zu ziehen, genauer gesagt nach Mannheim - denn ihr Freund lebt seit seiner Geburt in der Quadratestadt. Ninh studiert an einer Universität in der Region im Bereich Wirtschaftswissenschaften.

Publikum vor allem Deutsche

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Aber wie kam es zu ihren kurzen, lustigen Videos? Im Gespräch mit der Redaktion erzählt sie: „Ich hatte im Lockdown Langeweile.“ Zuerst hat Ninh auf einer Facebookseite über ihre Erfahrungen in Deutschland berichtet: Sie hatte vergleichsweise wenig Resonanz. Ihr TikTok-Kanal ist hingegen rasant gewachsen. Heute hat Ninh dort etwa 273 000 Fans, auf der Plattform Instagram sind es rund 367 000. Mehr als die Hälfte ihres Publikums sind Deutsche, die zweitgrößte Gruppe sind US-Amerikaner. „Mittlerweile erkennen mich auch Menschen auf der Straße, selbst, wenn ich eine Maske trage“, erzählt Ninh. „Ich habe mich daran gewöhnt und ich freue mich total, Menschen zu treffen, deren Videos mir gefallen - aber am Anfang war es ziemlich überwältigend, ich war sehr schüchtern.“

Ein klein bisschen sympathische Schüchternheit lässt sich auch in Thi Uyen Ninhs Videos erkennen. Eins zeigt, was wohl passieren würde, wenn sie ihre Familie besucht und die Verwandten sie bitten, ein paar Worte Deutsch zu sprechen: Ninh würde weglaufen. „Am Anfang lief es ziemlich gut mit dem Deutsch Lernen“, erzählt sie, „aber dann kam die Pandemie. Im Online-Kurs eine Sprache zu lernen ist nicht dasselbe, wie echte Gespräche zu führen. Es geht langsamer voran.“ Mit ihrem näheren Umfeld spricht sie derzeit meist Englisch.

@uyenthininh

In Germany you should look at each other eyes while cheering. Which is something I’ve never seen in Vietnam ##germanculture

♬ original sound - CEO of Neva Forget!

Die 25-Jährige berichtet auf humoristische Weise von typisch deutschen Eigenschaften: etwa den berühmt-berüchtigten Socken in Sandalen, der Freude an langen Wanderungen - oder davon, was passiert, wenn man sonntags eine Flasche in einen Glascontainer werfen möchte. Ein kleiner Kulturschock war für Ninh am Anfang ihrer Zeit in Mannheim, festzustellen, dass es abends oft nur Brote mit Aufschnitt gibt. „In Vietnam essen wir drei richtige, also gekochte Mahlzeiten pro Tag.“ Grundnahrungsmittel sind etwa Reis und Suppen. „Deutsche essen oft tagelang keine Suppe - wie kann das sein?“ Auch an ein paar typisch deutsche Gegenstände musste sie sich erst gewöhnen, etwa an kippbare Fenster. „Und Waschlappen gibt es so in Vietnam nicht“, erzählt sie, „ich hab zuerst vermutet, dass man damit den Tisch abwischen kann.“

Entspanntes Mannheim

Aufgrund der Pandemie konnte Ninh leider noch kein einziges Mal zurück nach Vietnam reisen, um ihre Familie zu besuchen - die Quarantäneregelungen dort sind sehr streng. Stattdessen haben sie und ihr Freund ein paar deutsche Städte besucht - und hoffen, daran demnächst anknüpfen zu können. „Ich war vorher noch nie in Europa, bin also sehr gespannt, den Kontinent zu erkunden.“

Aber auch Mannheim gefällt Ninh sehr. „Ich war noch nie in einem so großen Park wie dem Luisenpark“, erzählt sie. Auch die Grünfläche um den Wasserturm, der Waldpark und der Käfertaler Wald begeistern sie. Und: „Im Vergleich zu Hanoi ist Mannheim sehr ruhig“, so Ninh. „Hanoi ist sehr dynamisch, ich habe dort ein schnelles Leben geführt, hatte wenig Zeit für Hobbys.“ Hier kocht, backt, näht sie, und spielt Ukulele. „Hier haben viele Menschen einen entspannteren Lebensstil“, findet Ninh.

Thi Uyen Ninh ist unter @uyenthininh auf TikTok und Instagram zu finden.

Redaktion Julia Brinkmann ist Online-, Podcast- und Social-Media-Redakteurin.

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