Mannheim. Der Angriff auf Gökay Akbulut im IC sorgt für große Aufmerksamkeit – mit Recht. Gewalt, Hass und Einschüchterung haben in einer Demokratie keinen Platz, egal gegen wen sie sich richten. Doch während schnell Solidaritätsbekundungen kamen, tauchen nun Zweifel auf. Zeugen schildern eine andere Version der Ereignisse, die sich teils erheblich von Akbuluts unterscheidet. Welche Version stimmt?
Jetzt, mitten im Wahlkampf, kommt diese Debatte zur Unzeit. Die Stimmung ist aufgeheizt, und der Fall droht, instrumentalisiert zu werden – von allen Seiten. Rassismus, Gewalt im öffentlichen Raum, das gesellschaftliche Klima: wichtige Themen, die deshalb eine sachliche Debatte verdienen. Die kann aber nur glaubwürdig geführt werden, wenn Fakten klar sind. An diesen mangelt es in diesem Fall aber.
Heikle, aber legitime Nachfragen
Die Reaktionen zeugen vom schwierigen Umgang mit einem solchen Fall. Die Empörung über rechte Gewalt und rechten Hass ist unbedingt notwendig. Aber was, wenn sich die Vorwürfe so nicht bestätigen? Die Widersprüche müssen ernst genommen werden. Zeugen geben an, dass die Stimmung laut, aber nicht aggressiv gewesen sein soll. Rassistische Parolen? Haben sie nicht gehört. Ein Flaschenwurf auf Akbulut? Einige behaupten, sie habe selbst etwas geworfen.
Akbulut selbst trägt zur Unklarheit bei, weil ihre Stellungnahme sehr knapp ist. Sie verweist auf laufende Ermittlungen, beantwortet aber zentrale Fragen nicht: War sie alkoholisiert? Hat sie provoziert? Beleidigt? Die Fragen sind heikel, aber sie sind legitim. Wer einen so schweren Vorwurf erhebt, muss sich kritischen Nachfragen stellen. Denn auch wenn Akbulut Opfer wurde, ist sie Bundestagsabgeordnete. Da ist Transparenz unumgänglich.
Keine vorschnelle Verurteilung Akbuluts
Gleichzeitig dürfen die Zweifel nicht dazu führen, den Vorfall vorschnell sogar als erfunden abzutun. Dass Akbulut verletzt wurde, ist schließlich unbestritten. Genauso, dass es Anfeindungen gegen Politiker mit Migrationshintergrund und gewaltbereite Fans gibt. Doch gerade deshalb muss baldmöglichst Klarheit in dem Fall herrschen.
Andernfalls besteht die Gefahr, dass sich der Fall zum Dauerbrenner entwickelt, der die gesellschaftliche Spaltung vertieft. Sollte sich Akbuluts Version weitgehend bestätigen, muss das Konsequenzen haben. Sollte sich zeigen, dass ihre Darstellung übertrieben oder gar falsch war, hätte das aber ebenso ernste Folgen – nicht nur für sie selbst, sondern für die Glaubwürdigkeit aller, die sich gegen Rassismus und Hass engagieren. Es braucht Aufklärung – und zwar lückenlos.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Viele offene Fragen im heiklen Fall Akbulut
Wer hat wann beleidigt, wer wann etwas geworfen? Die Vorgänge um die im Zug verletzte Gökay Akbulut sind unklar. Das ist schlecht - für alle, kommentiert Sebastian Koch.