Kriminalität

Mannheimer Linke Akbulut im IC angegriffen: „So schlimm war es noch nie“

Die Mannheimer Linken-Politikerin Gökay Akbulut ist am Wochenende nach eigenen Angaben von Fußballfans attackiert worden. Die Polizei bestätigt den Vorfall.

Von 
Sebastian Koch
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Linken-Politikerin Gökay Akbulut. © picture alliance/dpa

Mannheim. Als Mitglied des Bundestages verbringt man viel Zeit im Zug. Vom Wahlkreis nach Berlin. Von dort zu Terminen in der Republik, zurück in den Wahlkreis, dann wieder nach Berlin. Das kennt auch Gökay Akbulut. „Ich bin oft mit Zügen unterwegs und treffe dort auch auf Fußballfans“, sagt die Mannheimer Linken-Abgeordnete am Montag dieser Redaktion. „Aber so schlimm war es noch nie.“

Am Wochenende berichtete Akbulut auf Instagram über ihre Fahrt am Samstagabend im InterCity nach Stuttgart. Dort sollen Fans des VfB sie zunächst sexuell belästigt und fremdenfeindlich beschimpft haben. Die Linken-Politikerin postete ein Bild, das sie mit einem blutigen Cut auf der Stirn über ihrem rechten Auge zeigt. Die Wunde soll von einer Bierflasche stammen, mit der ein Fan sie angegriffen habe. „Ich stehe immer noch unter Schock“, sagt die 42-Jährige anderthalb Tage nach der Attacke.

Fremdenfeindliche Gesänge im IC nach Stuttgart

Akbulut, die für die Linke Baden-Württemberg auf Platz zwei für die Bundestagswahl kandidiert, ist am Samstag von einer Wahlkampfveranstaltung in Heidelberg nach Stuttgart unterwegs. Sie hat Koffer und Rucksack dabei, weil sie am Montag weiter nach Berlin will. Der InterCity ist voll. Sehr voll. Fans fahren vom Spiel des VfB Stuttgart in Mainz zurück in die Landeshauptstadt. „Als ich mich durch die Waggons gedrängt habe, wurde ich immer wieder begrapscht und rassistisch beleidigt.“

In der Ersten Klasse findet sie einen Platz. Hinter ihr aber, schildert die türkischstämmige Politikerin, sei eine Gruppe „von so zehn Männern“ gewesen. Die brüllen. Vielleicht singen sie. Jedenfalls grölen sie. „Ausländer raus“, „Deutschland den Deutschen“ und Parolen, die AfD zu wählen, will die Linke gehört haben. „Sie haben mich gesehen und das die ganze Fahrt über bis nach Stuttgart gegrölt“, sagt Akbulut, die nach eigener Aussage die einzige im Abteil mit sichtbarem Migrationshintergrund ist. Eine junge Frau und eine Schaffnerin hätten versucht, auf die Gruppe einzuwirken.

Polizei bestätigt Schilderungen

Als die Linke in Stuttgart aussteigen will, eskaliert ihr zufolge die Situation. Weil sich die Beleidigungen fortsetzen, will Akbulut die Fans fotografieren. Daraufhin sei ein Mann aus der Gruppe auf sie zugekommen. „Er hat eine große Bierflasche genommen und sie mir auf den Kopf gehauen. Ich war total schockiert, habe geschrien und gezittert“, erzählt Akbulut. Am Hauptbahnhof erstattet sie Anzeige. Ärzte dokumentieren die Verletzungen. Am Montag, sagt sie, ist sie krankgeschrieben.

Ein Sprecher des Polizeipräsidiums Stuttgart, das die Ermittlung von der Bundespolizei übernommen hat, bestätigt am späten Nachmittag dieser Redaktion den Vorfall. Es seien Gegenstände geworfen worden und Beleidigungen gefallen, heißt es. Ob die Gruppe gewusst hat, dass es sich bei Akbulut um eine Linken-Politikerin handelt, sei hingegen Gegenstand von Ermittlungen. Zeugen werden gebeten, sich unter der Nummer 0711/89905778 zu melden.

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Auf Instagram fordert Akbulut demokratische Parteien dazu auf, „ihren Tonfall zu mäßigen und nach sachlichen Antworten auf die Herausforderung unserer Zeit zu suchen“. Es brauche eine klare Kante gegen Rechtsextremismus und Rassismus, anstatt die Forderungen der Rechten zu übernehmen.

Politikerinnen und Politiker über Parteigrenzen hinweg bekunden Solidarität mit Akbulut. Die Vorgänge „erschüttern“ und machen ihn „fassungslos“, erklärt etwa Oberbürgermeister Christian Specht. „Eine solche Tat ist nicht nur menschenverachtend, sondern auch ein Angriff auf unsere demokratischen Grundwerte. Ich verurteile diesen feigen und inakzeptablen Angriff auf das Schärfste.“

Der Mannheimer FDP-Abgeordnete und Parteichef Konrad Stockmeier spricht von einem „widerlichen“ Angriff. „Anfeindungen und Gewalt gegen Menschen mit Einwanderungsgeschichte sind die Pest.“ Ebenfalls „zutiefst erschüttert“ ist Isabel Cademartori. „Diese Enthemmung ist auch ein Resultat der immer feindseligeren politischen Rhetorik gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund und einer politischen Debatte, die Migranten zum Sündenbock für alle Probleme in unserem Land macht“, teilt die SPD-Abgeordnete mit.

Beleidigungen an Büro von Mannheimer CDU-Abgeordneten Sekmen geschmiert

Indes erklärt der Vorstandsvorsitzende des VfB Stuttgart, der Verein stehe für Toleranz, friedliches Miteinander, Vielfalt und unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung. Man distanziere sich „klar und deutlich“ von dem „gewalttätigen Übergriff“, teilt Alexander Wehrle mit. Weitere Mannheimer Parteien- darunter SPD, Grüne und Akbuluts Linke -, Politikerinnen und Politiker sowie Institutionen aus der Gesellschaft verurteilen die Attacke ebenso.

Das Wahlkreisbüro von Melis Sekmen wurde beschmiert. © Melis Sekmen

Dazu gehört auch Akbuluts Mannheimer CDU-Kollegin Melis Sekmen. Die Tat stehe im „direkten Widerspruch“ zu den Grundprinzipien des Zusammenlebens in Mannheim, erklärt sie in einer gemeinsamen Stellungnahme mit Mannheims CDU-Vorsitzenden Christian Hötting. Gewalt – „egal, gegen wen“ – sei ein Angriff auf unsere demokratischen Werte.

Wenn es auch zu keiner körperlichen Gewalt kam, so beklagt auch die CDU-Abgeordnete einen Angriff am Wochenende, als Unbekannte ihr Wahlkreisbüro beschmiert haben. Der Bundesvorsitzende der CDU und Kanzlerkandidat der Union, Friedrich Merz, wird dabei als „Faschoschwein“ verunglimpft. Es sei bedauerlich, dass die Debattenkultur „so zerstörerische Ausmaße angenommen hat“, sagt Sekmen dieser Redaktion. „Es wird systematisch versucht, Menschen, die sich für eine Wende in der Migrationspolitik einsetzen, in die rechte Ecke zu drängen. Demokratie heißt, andere Meinungen auszuhalten und gemeinsame Lösungen zu finden.“

Gökay Akbulut indes freuen die Solidaritätsbekundungen ihrer Partei und aus der Breite der Gesellschaft. „Das stärkt mich unheimlich“, sagt sie. Einen Angriff in dieser Form habe sie bislang noch nicht erlebt. Anfeindungen aber würden für Menschen, „die nicht deutsch oder europäisch aussehen“, mittlerweile zum Alltag gehören. „Ich habe mich im Zug nicht mehr sicher gefühlt.“

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

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