Mannheim. Ein grauer Ford, altbekannte Ganoven und eine Kriminalbeamtin im Undercover-Einsatz - mit einer Spezialfolge über den Mannheimer Postraub im Jahr 1949 meldet sich „Verbrechen im Quadrat“, der True-Crime-Podcast des „Mannheimer Morgen“, zurück.
Kurz nach 10 Uhr am Morgen des 9. Juni 1949 rauschte der der graue Ford V8 auf der Bismarkstraße von hinten kommend an dem Postauto vor bei und zwang die Beamten, ihr Fahrzeug zu stoppen. Zwei auf dem Bürgersteig wartende Komplizen eilten herbei, bedrohten die Beamten mit Pistolen und griffen nach dem Geldsack, den einer der Mitfahrer im Postauto lediglich zwischen die Beine geklemmt hatte. Ohne dass ein Schuss fällt, rennen die Komplizen mit der Beute zum grauen Ford, und der rast davon.

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15 Sekunden so wird man später feststellen, dauerte der Raub, der im Nachkriegsdeutschland für großes Aufsehen sorgte. 160 000 Mark - damals eine Hammersumme. „Auf die heutige Zeit projiziert, wären das weit über dreieinhalb Millionen Euro“, das sagt Markus Enzenauer, der sich sowohl mit dem Postraub von 1949 als auch mit der Stadtgeschichte Mannheims bestens auskennt. Zusammen mit Ulla Hofmann, ehemalige Wirtschaftsjournalistin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) und bedeutende Frau der Mannheimer Stadtgesellschaft, erzählt er in „Verbrechen im Quadrat“ die Geschichte des Falls. Gerichtsreporterin Angela Boll moderiert im Podcast die Zeitreise ins Mannheim der 1950er Jahre.
Ruhig war es damals in der Innenstadt, weder Großstadtgetümmel noch Verkehrslärm störten den Alltag. „Wer hatte damals schon ein Auto? Wir besaßen höchstens ein Fahrrad“, erinnert sich Ulla Hofmann an die Jahre nach den Grauen des Krieges: „Wenn man jemanden auf der Straße traf, war immer die erste Frage: Lebt ihr alle noch?“. Im Kopf blieb ihr auch der Satz: „Jetzt können wir endlich mal wieder durchschlafen!“. Angst und Hunger habe man 1949 wohl nicht mehr gehabt. „Die Amerikaner waren ja noch die humansten unter den Besatzungsmächten“, berichtet Hofmann bei „Verbrechen im Quadrat“, „bald hat man sich gut verstanden“. Das Leben in Mannheim vor 72 Jahren - wohl kaum jemand kann die Szenerie besser beschreiben als Zeitzeugin Ulla Hoffmann.
Markus Enzenauer hat die filmreife Flucht der Posträuber längst verinnerlicht. Zu oft ist er gedanklich die Route abgefahren, auf der die Ganoven mit Vollgas Richtung Südhessen flüchteten. Im Gespräch mit Angela Boll schildert er in allen Details den filmreifen Roadtrip durch Mannheim. „Das Ganze ist nicht nur ein Kriminalfall“, findet Ulla Hofmann, es handle sich vielmehr um eine Kriminalkomödie, kündigt die Kennerin mit Blick auf die weiteren Ermittlungen an.
Oskar Riester war kurz vor dem Postraub zum Kripo-Chef ernannt worden.
Zwar kam die Kripo, damals unter der Leitung des legendären Oskar Riester, schnell den Räubern auf die Spur, aber beweisen konnten sie ihren Verdacht nicht. Wochenlang dauerten die Ermittlungen, die bis nach Frankfurt und Berlin führten, und immer wieder stießen die Beamten auf die polizeibekannten Männer aus der Hafenszene, die in den Wochen nach dem Raub auffällig viel Geld im Milieu verschleuderten. Riester, damals gern mit Cowboyhut unterwegs und wie Ulla Hofmann berichtet, eine beeindruckende Erscheinung, wollte nicht lockerlassen. Als er eines Tages noch einmal den Fundort des Fluchtautos in einem südhessischen Waldstück abgraste, entdeckte er eine kotverschmierte Tankquittung mit einer handschriftlich notierten Telefonnummer. Ein Hinweis auf die Täter? Über viele Ecken führte diese Nummer tatsächlich zu einer Bekannten der Hauptverdächtigen, und Riesters kriminalistischer Ehrgeiz brachte einen Coup ins Rollen, der heute schier unglaublich klingt.
- Ulla Hofmann wurde 1931 in Mannheim geboren. Sie war Polizeireporterin bei der „Rheinpfalz“ und später Wirtschaftsredakteurin bei der FAZ. Sie erlebte die Aufregung um den Postraub und kannte den damaligen Kripo-Chef Oskar Riester gut.
- Markus Enzenauer arbeitet beim Marchivum. Der Historiker kennt alle Einzelheiten zum Postraub 1949. Bis heute interessieren sich Journalisten aus ganz Deutschland für den spektakulären Fall und recherchieren im Marchivum.
Nachgestellt: Das Postauto und die Szene, als einer der Täter die Tür aufriss.
Mit Cognac zum Erfolg
Viel Cognac floss in dieser Nacht im Rotlichtviertel, in das die Kripo-Beamtin zielgerichtet eintauchte. Und zwar mit Erfolg! Inge Lothmann war es schließlich, die im Saufgelage den entscheidenten Hinweis zu einem Haus in der Gartenstadt aufschnappte. „Sie hat so getan, als sei sie betrunken und daraufhin eingeschlafen“, erzählt Ulla Hofmann und kann bei dem Gedanken nur den Kopf schütteln. „Aus heutiger Sicht ist es unglaublich, dass sie den Untersuchungshäftling für diese Aktion beurlaubt haben.“
Und Markus Enzenauer weiß, wie es dann weiterging: „Mehrere 10 000 Mark entdeckte die Kripo in dem Haus in der Gartenstadt und bald ließ sich nachvollziehen, dass die Männer einen Großteil der Beute bereits in Autos, Lkw und Motorräder investiert hatten.“Alles in allem: Stoff für einen Kinofilm. Das dachte sich wohl auch Kurt Joachim Fischer, der damals für den „Mannheimer Morgen“ engagierter als üblich das Ganze in einer Serie niederschrieb und nur kurze Zeit später ein Drehbuch über den Fall verfasste. Unter dem Titel „Wer fuhr den grauen Ford?“ kam die Story über den Postraub schon 1950 in die deutschen Kinos. Gedreht worden war an den Originalschauplätzen in den Quadraten und im Hafengelände. Otto Wernicke spielte den leitenden Kommissar, auch der damals gefragte Schauspieler Wolfgang Neuss übernahm eine Rolle.
Zu wie vielen Jahren Zuchthaus die Gauner am Ende verurteilt wurden, und warum auch einer der Postbeamten bestraft wurde, das gibt’s allerdings nur im Podcast zu hören.
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