Podcast - Kriminalfälle in der Region

Verbrechen im Quadrat: Doppelleben endet tödlich

Was geht Ermittlern am Tatort durch den Kopf? Wie laufen Obduktionen und Vernehmungen ab? Wann landen die Fälle am Gericht? In „Verbrechen im Quadrat“, dem Crime-Podcast des „Mannheimer Morgen“, öffnet Gerichtsreporterin Angela Boll gemeinsam mit den Hauptakteuren von damals noch einmal die Akten von Fällen aus der Region.

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"MM"-Reporterin Angela Boll mit Kriminalkommissar Carsten Storck. © Lea Seethaler

Sommer 2020 – nach dem ersten Lockdown kommt verhaltene Urlaubsstimmung in der Quadratestadt auf, einige verreisen, viele genießen die Sonne und die Freiheit. Die Meldung über ein Verbrechen in der Neckarstadt geht in den Medien fast unter. Ein 35-jähriger Mann war von seinem Ehemann zunächst vermisst worden. Die beiden lebten nicht zusammen, aber dass sie tagelang nichts von einander hören, war nicht üblich. Vom Hausmeister lässt sich der besorgte Ehemann die Tür des Appartements in der Neckarstadt öffnen. Der süßliche Geruch, der bereits seit Tagen durch die Flure dringt, nährt den grausamen Verdacht. Und er bewahrheitet sich. Der vermisste 35-Jährige liegt tot in seinem Wohnzimmer.

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„Hochdynamisches Tatgeschehen“

„Viel Blut“, dieser Eindruck hat sich bei Kriminalkommissar Carsten Storck festgesetzt: „Es war ein klassischer Tatort. So, wie man sich ihn auch im Krimi vorstellt.“ Storck übernimmt die Ermittlungen und wird Sachbearbeiter in der Soko „Lorbeer“. In der zehnten Folge von „Verbrechen im Quadrat“, dem True-Crime-Podcast des „Mannheimer Morgen“, berichtet der Kripo-Beamte, wie er und seine 44 Kollegen aus der Soko „Lorbeer“ dem Täter auf die Spur kamen.

Im Gespräch mit Gerichtsreporterin Angela Boll verrät Storck auch, was für ihn die größte Herausforderung war: Der Getötete führte offenbar ein Doppelleben. Während sein Ehemann ihn als ruhigen, zurückgezogenen Menschen beschrieb, sagten Bekannte, er sei oft unterwegs gewesen, und er habe wechselnde Sexualpartner gehabt. Zudem fehlte ein – beziehungsweise das wichtigste – Instrument, um die letzten Kontakte des Opfers nachzuvollziehen: das Handy. Es war, so wie einige weitere persönliche Gegenstände des 35-Jährigen, vom Täter gestohlen worden. Genauso schnell wie der ahnungslose Ehemann in Verdacht gerät, kann er auch wieder ausgeschlossen werden. Sein Alibi ist hieb- und stichfest. Eifersucht kommt als Motiv nicht in Frage.

Kriminaltechniker Jürgen Paukner © Lea Seethaler

Wie so häufig muss auch in diesem Fall insbesondere der Tatort die Geheimnisse um die letzten Stunden des Opfers preisgeben. Profi im Sichtbarmachen dieser Hinweise ist Erster Kriminalhauptkommissar Jürgen Paukner. Er arbeitet bei der Kriminaltechnik, hat auch in diesem Fall den Tatort unter die Lupe genommen und schildert in „Verbrechen im Quadrat“, was er im Appartement in der Neckarstadt entdeckte. „Zunächst“, so beschreibt er seinen Arbeitsauftrag, „sind wir Jäger und Sammler, versuchen alle Dinge zu sichern, die für die Tatortarbeit als relevant erachtet werden.“

Und dabei steht er unter Zeitdruck, denn: „Bis der Bestatter kommt, müssen viele Spuren, insbesondere die an der Leiche, schon gesichert sein.“ Bei dem Tötungsdelikt in der Neckarstadt sprachen die Experten von einem „hochdynamischen Tatgeschehen“, das heißt, so erklärt es Paukner: „Es ergibt sich ein vielfältiges Spurenbild, zum Beispiel durch die Blutspuren.“ Alleine durch die Art der Flecken an der Wand und auf den Möbeln habe sich die Tat größtenteils rekonstruieren lassen, erinnert sich Paukner.

Die Gesprächspartner

  • Carsten Storck arbeitet seit 2010 im Kriminalkommissariat Mannheim.
  • Storck hat beim Dezernat für Kapitalverbrechen in vielen Sokos mitgearbeitet, beispielsweise in der Soko „Judith“ und in der Soko „Cäsar“. Beide Fälle sind bei „Verbrechen im Quadrat“ schon vorgestellt worden.
  • Jürgen Paukner ist seit 1979 bei der Polizei. Stationen seiner Karriere waren unter anderem der Fahndungsdienst, der Kriminaldauerdienst und das Rauschgiftdezernat.
  • Seit 2016 arbeitet er bei der Kriminaltechnik. Er hat zusätzlich die Ausbildung zum Kfz-Zweiradmechaniker abgeschlossen.

Und er entdeckte am Tatort auch die Tatwaffe. Eine geschlossene Sektflasche. „Der Täter hat mehrmals damit zugeschlagen, und er muss die Flaschen zwischendurch abgestellt haben“, das erzählt dem Kriminaltechniker das Spurenbild. Sein Rückschluss: „Der Mann ist nicht auf der Stelle verstorben“. Paukner und sein Team sicherten außerdem in einer Blutlache einen Schuhsohlenabdruck und DNA an einem geöffneten Schraubglas, in dem sich Kleingeld befand. All diese Erkenntnisse erreichten die Öffentlichkeit damals zunächst nicht. Über den Tathergang gaben die Beamten auf Presseanfragen kaum Auskunft. Warum eigentlich nicht? „Das ist Täterwissen“, erklärt Storck, Dinge, die nur derjenige wissen kann, der zuletzt am Tatort war, und damit könne man später Aussagen überprüfen. Und genauso passierte es auch in dem Fall. Als der Verdacht auf einen 35-jährigen Iraker fiel, der Mann festgenommen wurde, und Storck die Vernehmung durchführte, räumte er ein, den Mann erschlagen zu haben – mit einer Sektflasche. Aber warum?

Besondere Schwere der Schuld

Diese Frage stellte auch Storck seinem Gegenüber, und der Verdächtige gab an, sich mehr von dem Abend versprochen zu haben. Er habe in dem Appartement übernachten wollen. Dass er abgewiesen wurde, habe ihn „verrückt gemacht“. Deshalb habe er zugeschlagen. Um das Opfer von seinen Qualen zu erlösen, habe er wieder und wieder zugeschlagen. Storck glaubt Letzteres nur bedingt. Er geht bis heute davon aus, dass der Täter den Tod des Opfers herauszögern wollte und dass er deshalb die Sektflasche zwischenzeitlich abstellte. Das Gericht sah das wenige Monate später ähnlich. „Das Gesamtbild geht über das übliche Schuldmaß hinaus, eine mögliche Entlassung nach 15 Jahren wäre unangemessen“, sagte der Richter bei der Urteilsverkündung. Wegen Mordes wurde der 35-jährige Angeklagte zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Kammer stellte außerdem die besondere Schwere der Schuld fest.

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