True-Crime-Podcast - Kriminalfälle in der Region

Verbrechen im Quadrat: Der Mädchenmord in Mannheim

Was geht Ermittlern am Tatort durch den Kopf? Wie laufen Obduktionen und Vernehmungen ab? Wann landen die Fälle am Gericht? In „Verbrechen im Quadrat“, dem Crime-Podcast des „Mannheimer Morgen“, öffnet Gerichtsreporterin Angela Boll gemeinsam mit den Hauptakteuren von damals noch einmal die Akten von Fällen aus der Region

Von 
Angela Boll
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Gerichtsreporterin Angela Boll bei der Podcast-Aufnahme mit Anwalt Thomas Franz (l.) und Oberstaatsanwalt Oskar Gattner. © red

Mannheim.

Es war der Morgen nach Fronleichnam, der 20. Juni 2003, als ein Lkw-Fahrer an einem Brachgelände in Mannheim anhielt, um eine Pause einzulegen. Er stieg aus, nicht ahnend, dass er diesen Tag nie vergessen würde. Denn im Gebüsch lag die Leiche eines Mädchens. Die Polizei stellte bald fest: Es handelte sich um eine 16-Jährige, sie hatte bei einer Freundin schlafen wollen, war deshalb nicht vermisst worden. Ein Unbekannter hatte sie mit einem Stein erschlagen und sich an ihr vergangen.

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„Der Mädchenmord“ lautet der Titel der neuen Folge von „Verbrechen im Quadrat“, dem True-Crime-Podcast des „Mannheimer Morgen“. Über ein Jahr lang suchte die Mannheimer Polizei nach dem Täter. Er hatte DNA-Spuren am Tatort hinterlassen, und dennoch vergingen quälende Monate der Ungewissheit für die Ermittler – vor allem aber für die Mutter des getöteten Mädchens. Gerichtsreporterin Angela Boll hat in der Folge Oberstaatsanwalt Oskar Gattner zu Gast, der damals als Pressesprecher der Behörde den Fall begleitete. Und sie spricht mit Thomas Franz, dem Anwalt, der die Mutter des Opfers begleitete, sie im Verfahren in der Nebenklage vertrat. Beide Gäste berichten im Podcast, wie stark sie dieses Verbrechen damals betroffen hat – immer begleitet von der Hoffnung, dass durch die DNA-Spuren der Täter irgendwann gefunden werden muss.

Oskar Gattner

  • Oberstaatsanwalt Oskar Gattner war zum Zeitpunkt dieser Ermittlungen auch Pressesprecher der Behörde. Sein bereits verstorbener Kollege Rolf-Konrad Seitz hatte die Ermittlungen geleitet.
  • Oskar Gatter leitete zuletzt die Abteilung Allgemeine Strafsachen. Seit 2018 ist er in Pension.

Mutter stark engagiert

„Die Spurensicherung stellte am Tatort Boxershorts fest, in einiger Entfernung einen Schreckschussrevolver und unmittelbar neben der Leiche einen Zigarettenstummel“, berichtet Oskar Gattner. Alles musste vom Täter stammen, denn er hatte überall seine DNA-Spuren hinterlassen. Doch weder in Deutschland noch im Ausland ergab der DNA-Abgleich einen Treffer, bisher schien der Mann noch nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten zu sein. Er blieb ein Unbekannter. Ein Alptraum für die Mutter der 16-Jährigen. Im Podcast berichtet Anwalt Thomas Franz von der ersten Begegnung mit der Frau: „Ich habe eine Frau angetroffen, die sich in dem Moment – völlig nachvollziehbar – im Ausnahmezustand befand. Gleichwohl hat sie einen starken Eindruck gemacht, mit dem Ziel, den Mörder ihrer Tochter zu finden.“ Während die Polizei in einer beispiellosen Aktion die zu dem Zeitpunkt größte DNA-Reihentestung Baden-Württembergs organisierte und Woche für Woche Hunderte Männer speichelte, steckte die Mutter all ihre Energie in die Suche nach dem Täter. „Dieses Engagement hat die Mutter am Leben gehalten“, ist sich Thomas Franz heute sicher. Franz steht regelmäßig Hinterbliebenen zur Seite, er kennt die Spuren, die ein Verbrechen bei ihnen und bei den Opfern hinterlässt. „Menschen, die sowas erleiden, reagieren sehr unterschiedlich. Der eine muss dabei sein und alles wissen. Der andere möchte alles von sich schieben. Es gibt kein Richtig oder Falsch“, sagt er.

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Hochemotionaler Prozess

In diesem Fall kämpfte die Mutter, sie forderte die Beamten, zugleich wurden ihr alle Möglichkeiten geboten, die die Strafprozessordnung hergibt, um sich zu beteiligen. Nach fast einem Jahr waren mehr als 4300 Männer der Einladung zum Speicheltest gefolgt, mehr als 6000 Personen hatte die Soko überprüft und über 1000 Spuren verfolgt. Und wie so oft waren die Ermittler auch im Mai 2004 wieder einem Hinweis der Mutter gefolgt, hatten noch einmal einen Bekannten gefragt und aufgrund seiner Angaben zwei Männer zum Test gebeten. Und diesmal ist der Täter dabei. Am 1. Juni 2004 wird der 24-jährige Mannheimer festgenommen und gesteht den Mord. „Er hatte sich an diesem Abend mit dem Bestreben auf den Weg gemacht, eine Frau zu finden, um sie gegebenenfalls auch mit dem Schreckschussrevolver zu sexuellen Handlungen zu zwingen“, sagt Oskar Gatter über die Angaben des 24-Jährigen in den ersten Vernehmungen. Und: „Es gab keinen Anhaltspunkt, dass sich Täter und Opfer kannten.“

Thomas Franz

  •  Thomas Franz ist Rechtsanwalt und auf Strafrecht spezialisiert. Er tritt häufig als Vertreter der Nebenklage auf und kümmert sich um die Belange von Opfern oder Hinterbliebenen.
  • Als stellvertretender Landesvorsitzender des Weißen Rings engagiert er sich ehrenamtlich für den Opferschutz.

Für die Mutter begann damit ein neuer Abschnitt, „ein Wechselbad der Gefühle“, sagt Thomas Franz. Und für sie habe immer festgestanden, dass sie dem Mörder ihrer Tochter ins Gesicht schauen wollte. Als im Januar 2005 der Prozess beginnt, begegnen sie sich im Gerichtssaal. Der Angeklagte gibt alles zu, schildert jedes Detail des Abends, auch, dass er sich nach der Tat neben die Leiche setzte, weinte und eine Zigarette rauchte. „Der Täter kam mir vor, als würde er am Prozess nicht teilnehmen. Er hat es einfach über sich ergehen lassen“, erinnert sich Thomas Franz im Podcast-Gespräch. Sowohl für die Mutter des Täters als auch für die Mutter der Getöteten wird der Prozess ein hochemotionales und tränenreiches Horrorszenario. Wegen Mordes wird der Angeklagte zu lebenslanger Haft verurteilt. „Die Mutter hatte sich ein anderes Urteil erhofft“, weiß Thomas Franz, denn die besondere Schwere der Schuld wurde nicht festgestellt. Aber: „Für sie war es nur die irdische Strafe. Sie war davon überzeugt, dass der Täter noch mal in einer anderen Welt bestraft wird“, berichtet Thomas Franz. Er war es auch, der ihr nach dem Urteil die Kleider ihrer Tochter zurückbrachte. Für ihn steht fest: „Wer sowas miterlebt hat, kann nicht zur Tagesordnung zurückkehren.“

Redaktion Lokalredakteurin, Gerichtsreporterin, Crime-Podcast "Verbrechen im Quadrat"

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