Mannheim. Die ungewöhnlichste Wohnung Mannheims steht leer: der Wasserturm Feudenheim. Ab 1. November kann man ihn mieten. „Man wohnt hier gigantisch“, schwärmt Astrid Wiesenberger, die neun Jahre hier oben wohnte und jetzt einen Nachfolger sucht: „Es muss jemand sein, der diese besondere Lage zu würdigen weiß“, betont sie – und jemand, der die vielen Stufen nicht scheut.
Astrid Wiesenbergers Vater, dem Architekten Hubertus Kirsch, ist es zu verdanken, dass der 1905 an der Talstraße erbaute, 44,10 Meter hohe Turm überhaupt noch steht. Spätestens in den 1970er Jahren verloren die zahlreichen Wassertürme der – einst selbstständigen – Mannheimer Vororte sowie einiger Firmen wegen des Baus einer zentralen Wasserversorgung ihre Funktion. Ein Abriss drohte, einige der Türme (der in Rheinau etwa) fielen auch tatsächlich. Der Denkmalschutz hatte noch nicht die gleiche Bedeutung wie heute. Viele der Türme standen zum Verkauf. Hubertus Kirsch griff zu.
Zunächst baute er unten ein Einfamilienhaus an – die runde Außenwand des aus roten Klinkern errichteten Turms bildet eine Wohnzimmerwand. Dann ging er ab Ende der 1970er Jahre das Wagnis ein, den Turm selbst bewohnbar zu machen. Der Kuppelteil wurde außen um einen stählernen Umgang, als Balkon wie auch Arbeitsfläche und Rettungsweg gedacht, ergänzt und mit einem beweglichen Tisch auf Schienen versehen. Ob Frühstück oder Abendessen – er lässt sich je nach Sonnenstand ausrichten.
Aufzug eingebaut
Auch einen Aufzug hat der Architekt damals eingebaut, die vorher sehr schmalen Fenster vergrößert. Und er ging daran, den stählernen, kugelförmigen Wasserbehälter in der Kuppel herauszuschweißen – aber zum Glück nicht ganz. Es stellte sich nämlich heraus, dass Teile des Behälters auch die Statik des ganzen Turms zusammenhalten.
Zunächst lebte der Architekt über Jahrzehnte hinweg selbst oben. Dann zog er mit seiner Frau ins Erdgeschoss und seine Tochter ging mit ihrem Mann und zwei Söhnen das Wagnis ein, in luftiger Höhe zu wohnen. „Eigentlich wollte ich nie hier oben ’rein, aber jetzt fehlt es mir schon“, so Wiesenberger, die sich nach dem Tod ihres Vaters vor zwei Jahren und der Erkrankung der Mutter entschied, vor einigen Monaten in die Wohnung im Erdgeschoss umzuziehen. „Mit Blick aufs Alter, es hat weniger Treppen“, sagt sie.
Oben wird die fünf Zimmer umfassende Penthouse-Wohnung zurzeit renoviert. Auch Bad und Küche werden erneuert. „Aber der besondere Charakter bleibt“, betont Wiesenberger. 296 Quadratmeter umfasst die Wohnfläche. Direkt unter der Kupfer-Kuppel sind zwei Zimmer, darunter – auf einer halben, eigens eingezogenen Ebene – Schlafzimmer, Bad und Ankleidebereich.
Das Wohnzimmer und die Küche umfassen den Großteil des früheren Wasserbehälters, der mit Marmor, Parkett, Fliesen, Teppichboden, Stukko und Spachtelboden fein eingerichtet ist. Das alles hat Hubertus Kirsch bis ins kleinste Detail selbst entworfen – sehr gemütlich, sehr individuell, ein bisschen an den Jugendstil angelehnt. Das reicht bis hin zu den reich verzierten Handläufen der Treppen, den wunderschönen Lichtschaltern, den verschnörkelten Lampen. Schränke und Möbel gehen ebenso auf seine Ideen zurück, sind alle maßgefertigt. Alles ist mit Wendeltreppen verbunden. Der Aufzug reicht nur bis auf eine Ebene unter das Wohnzimmer. Im Erdgeschoss des Turmes befindet sich ein weiterer Raum mit Galerie, Toilette und kleiner Einbauküche, den man als Büro, weiteres Kinderzimmer oder Sommerwohnung nutzen kann. Das alles hat seinen Preis: 2950 Euro pro Monat.
Preis verringert
Etwas günstiger geworden ist unterdessen ein weiterer, ebenso 1905 errichteter Wasserturm: Schon seit März 2019 steht der rote Klinkerbau in Wallstadt zum Verkauf. Ursprünglich waren 1,2 Millionen Euro gefordert worden, inzwischen wird von einem weiteren nun eingeschalteten Makler noch eine Million Euro genannt. Das 40,4 Meter hohe Gebäude an der Ecke Amorbacher-/Römerstraße war zeitweise auch bewohnt, dann 20 Jahre Sitz einer PR-Agentur. Bereits seit Ende 2018 steht er leer. Im Turm selbst gibt es im Untergeschoss, im Erdgeschoss, zwei Stockwerken und zwei eingezogenen Galerien 170 Quadratmeter Nutzfläche. Hinzu kommt ein Anbau inklusive Terrasse. Weiter reicht nach oben der Ausbau aber nicht. Der ehemalige Wasserbehälter ist, im Gegensatz zu Feudenheim, nicht als Wohnung ausgebaut – die Aussicht ist also nicht so gut.
Zwischen Abriss und Museum
- Mindestens 20 gab es, nicht alle sind erhalten: Wassertürme in Mannheim. Meist wurden sie gebaut, um heutige Vororte Mannheims mit Wasser zu beliefern. Sie waren damals noch nicht eingemeindet, sondern selbstständige Dörfer, die für ihre immer stärker wachsende Zahl von Bürgern anstelle der bis dahin üblichen Brunnen wegen der besseren Hygiene eine eigene Wasserversorgung bauten. Und nur Hochbehälter garantieren im Flachland, wo es keine Gebirge und Staustufen gibt, einen gleichmäßigen Druck in den Leitungen. Sie können auch Verbrauchsspitzen ausgleichen, sie bei geringerer Nachfrage wieder füllen. Teils haben auch Industriebetriebe eigene Wassertürme errichtet, um sich vom öffentlichen Netz unabhängig zu machen oder weil es nicht den nötigen Druck beziehungsweise die zum Kühlen oder für ihre Produktion geforderte Menge bot.
- So entstanden in Mannheim viele sehr unterschiedliche, aber meist sehr schmucke Industriebauten. Der von Rheinau, 1898 errichtet, wurde aber für einen Parkplatz des 1952 erbauten Benz-Werks 1976 abgerissen. Der Turm der „Schildkröt“ beherbergt Hausmeisterräume und Technikzentrale des Gewerbeparks, die Firma John Deere nutzt ihn als Archiv. Der Turm in Straßenheim ist bewohnt, der in Seckenheim wurde von Firma und Familie Lochbühler saniert – als einziges Aufzugsmuseum Europas.
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