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Umgang mit AfD-Stimmen in Mannheim: Uneinigkeit im Gemeinderat

Nach der Kommunalwahl am 9. Juni drohen in Mannheim Thüringer Verhältnisse. Dann hätte Rot-Grün-Rot keine absolute Mehrheit mehr, das bürgerliche Lager ebensowenig. Dann könnten AfD-Stimmen eine wichtige Rolle spielen

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Steffen Mack
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Bei den Kundgebungen gegen Rechtsextremismus wird häufig auch namentlich gegen die AfD protestiert, so wie mit diesem Kinderwunsch in Bremen. © Carmen Jaspersen/dpa

Mannheim. Als Mann der scharfen Worte gilt Ralf Eisenhauer nicht. Bei den Neujahrsempfängen in der Gartenstadt und in Käfertal äußerte sich der Baubürgermeister indes sehr klar zur AfD. „Um es deutlich auszusprechen: Eine rechtsextreme, verfassungsfeindliche Partei mit über 20 Prozent Zuspruch bei Umfragen ist die größte Bedrohung für Frieden und Freiheit in Deutschland. ,Nie wieder’ ist jetzt!“, sagte der Sozialdemokrat.

Am Ende seiner Reden appellierte er, bei der Europa- und Kommunalwahl am 9. Juni nur für Menschen zu stimmen, „die sich klar zu Demokratie und Rechtsstaat bekennen“.

Mancher Beobachter vermutete, dies sei eine Reaktion auf das vom Netzwerk Correctiv aufgedeckte Treffen von AfD-Mitgliedern mit anderen Rechtsextremen in Potsdam. Eisenhauer erklärt jedoch dem „MM“, diese Passagen habe er nicht wegen jener Enthüllungen so formuliert. „Dass einige in der AfD nicht nur ausländische Staatsbürger, sondern auch Deutsche mit Migrationshintergrund gerne abschieben würden, hat mich auch nicht überrascht. Wer die Äußerungen dieser Partei aufmerksam verfolgt, hört so etwas schon seit Jahren immer wieder.“

Mannheimer Grüne erwarten „Brandmauer“ gegen AfD

Ergo sieht der Bürgermeister keinen Anlass, seinen Umgang mit AfD-Stadträten zu verändern. Der werde sachlich bleiben. Auch die Vorsitzenden der übrigen Fraktionen teilen auf Anfrage mit, sie würden sich gegenüber jener Partei weiter so verhalten wie bisher, nämlich in keiner Weise mit ihr zusammenarbeiten.

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Reinhold Götz von der SPD findet indes, das Thema habe durch das aufgedeckte Rechtsextremen-Treffen deutlich an Brisanz zugenommen. Die Grünen Nina Wellenreuther und Stefanie Heß erwarten von anderen Fraktionen, sich mehr von der AfD zu distanzieren und gemeinsam eine „Brandmauer gegen Rechts“ zu bilden“. Ihr LI.PAR.Tie-Kollege Dennis Ulas fordert, mit Vertretern jener Partei nicht nur jegliche Zusammenarbeit zu unterlassen, sondern auch Gespräche.

Die AfD geht nach Aussage ihres Kreisvorsitzenden und Fraktionsgeschäftsführers Rüdiger Ernst davon aus, „dass die gegenwärtig betriebene Diffamierungs- und Verleumdungskampagne aus Politik und Medien einzelne Stadträte unter Umständen kurze Zeit beeinflussen kann“. Er wiederholt seine Stellungnahme, das Treffen in Potsdam sei ein privates gewesen, keine AfD-Veranstaltung. Das entspricht der Linie seiner Bundespartei.

In diesem Gästehaus in Potsdam haben sich Rechtsextreme getroffen und über Ausweisungen auch von Deutschen mit Migrationshintergrund fabuliert. © Jens Kalaene/dpa

Doch diese überzeugt offensichtlich nur bedingt. Sonst würden derzeit nicht in ganz Deutschland Hunderttausende gegen Rechtsextremismus und vielfach konkret gegen die AfD demonstrieren.

Fontagnier: Mitläufer bei der AfD machen sich mitschuldig

Grünen-Stadtrat Gerhard Fontagnier, der die Kundgebung am Samstag um 16 Uhr auf dem Alten Meßplatz mitinitiiert hat, meinte direkt nach den Correctiv-Enthüllungen: „Alle, die jetzt noch davon sprechen, moderate AfDler zu sein, können das nur durch Austritte einigermaßen sinnvoll belegen.“ Das gelte auch für ihre Fraktion im Gemeinderat. Für diese Haltung habe er viel Zuspruch erhalten, so der Grünen-Stadtrat auf Nachfrage. Ihn ärgere es, wenn AfD-Vertreter wie Fraktionschef Bernd Siegholt so täten, als seien sie Gemäßigte. Dabei machten sich Mitläufer mitschuldig.

Mitgliederzahlen steigen auch in Mannheim

Ernst kritisiert, Fontagnier habe schon nach der Kommunalwahl 2019 eine „demokratie-feindliche Ausgrenzungsstrategie“ gegen die AfD gestartet. Die sei auf dem linken Flügel erfolgreich gewesen, im bürgerlichen Lager aber nur anfangs. Und derzeit stiegen die Mitgliederzahlen seiner Partei bundesweit wie in Mannheim so stark, wie sie es zuletzt im Herbst 2015 getan hätten. Damals steuerte die Flüchtlingskrise auf ihren Höhepunkt zu.

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So einig sich die Fraktionsvorsitzenden darin sind, ihren eigenen (Nicht-) Umgang mit der AfD im Gemeinderat nicht verändern zu wollen, gibt es doch einen gewichtigen Unterschied: in den Antworten auf die Frage nach Anträgen, die nur mit Stimmen aus jener Partei Chancen haben. Nach allen bundespolitischen Umfragen könnte es durchaus passieren, dass im neuen Gemeinderat weder Rot-Grün-Rot noch das bürgerlich-konservative Lager eine absolute Mehrheit haben.

Antrag bei AfD-Zustimmung zurückziehen?

Für die SPD-Fraktion erklärt ihr Chef Götz, sie werde keine Anträge stellen, bei denen - vorab ersichtlich - die AfD die entscheidenden Stimmen liefern würde. Sollte dies unwahrscheinlicherweise der LI.PAR.Tie passieren, würde die laut ihrem Vorsitzenden Ulas den entsprechenden Antrag zurückziehen. „Das erwarten wir auch von allen anderen Parteien des jetzigen und neuen Gemeinderats.“ Die Grünen Wellenreuther und Heß warnen ebenfalls: „Eine Mehrheit nur mit der AfD werden wir nicht zulassen.“

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Das bürgerlich-konservative Lager äußert sich anders. Die CDU-Fraktion werde weiter „genau die Anträge stellen, zu deren Inhalt sie steht und für die sie von ihren Wählern gewählt worden ist“, so der Vorsitzende Claudius Kranz. Da es im Vorfeld keine Absprachen mit der AfD gebe, könne man nicht wissen, wie die dazu stehe. Und wenn sich ihre Zustimmung in der Sitzung abzeichne, „werden wir deshalb unseren Antrag nicht zurückziehen“. Genauso wenig mache die CDU bei Anträgen anderer ihr Abstimmungsverhalten von der AfD abhängig.

So positionieren sich auch FDP und Mannheimer Liste. Die ML werde auch künftig nur Anträge stellen, von denen sie überzeugt sei, so Fraktionschef Holger Schmid. Auf das Verhalten anderer habe sie keinen Einfluss. „Wir akzeptieren aber jedes demokratisch gewählte Ergebnis.“ Auch seine Liberalen-Kollegin Birgit Reinemund würde einen Antrag nicht zurückzuziehen, wenn sich in der Debatte ein Ja der AfD abzeichnet. Ansonsten bekäme jene Partei Macht über die Tagesordnung und Einfluss auf die Positionierung anderer. „Was wir für richtig und sinnvoll für unsere Stadt halten, hängt nicht vom Verhalten der AfD ab.“

Redaktion Steffen Mack schreibt als Reporter über Mannheimer Themen

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