Industrie- und Handelskammer (IHK), Handelsverband Nordbaden und Werbegemeinschaft City sind im vergangenen Jahr nicht gerade als Fans des Verkehrsversuchs in der Mannheimer Innenstadt aufgefallen. Zu viele negative Rückmeldungen haben die Organisationen von ihren City-Mitgliedsunternehmen aus Handel, Dienstleistungssektor und Gastronomie bekommen. Der Tenor: zu viele Kunden bleiben weg. Am Mittwoch legten sie bei einem Pressegespräch die Ergebnisse einer gemeinsamen Umfrage unter ihren Mitgliedern vor, die diese Einschätzung bestätigt.
Die Ergebnisse der Umfrage
Demnach sprechen sich 72 Prozent der befragten Unternehmen gegen eine Fortführung des Verkehrsversuchs aus. 58 Prozent erklärten, ihre wirtschaftliche Lage habe sich durch den Verkehrsversuch verschlechtert. 68 Prozent wünschen sich keine Einschränkungen für die Anfahrt von Kunden, Mitarbeitern und Lieferanten.
Die Teilnehmer
An der Umfrage nahmen 385 Mitgliedsunternehmen aus der Innenstadt teil. Das sind knapp 17 Prozent ihrer insgesamt 2300 Mitgliedsunternehmen in der City. IHK-Präsident Manfred Schnabel wertet dies dennoch als „sehr guten Rücklauf“. Insgesamt gibt es in der Mannheimer Innenstadt laut IHK rund 4000 Unternehmen.
Das will der Verkehrsversuch
Der Verkehrsversuch hatte am 11. März vergangenen Jahres begonnen. Die Durchfahrt von Fressgasse und Kunststraße wurde unterbrochen, um den reinen Durchgangsverkehr aus der City herauszuhalten.
Anfang März hatte Verkehrsbürgermeister Ralf Eisenhauer (SPD) das Projekt beendet. Der Zeitpunkt kam für viele überraschend. Eigentlich war von seinem Dezernat kommuniziert gewesen, die Sperrungen blieben, bis der Gemeinderat eine Entscheidung über das dauerhafte Vorgehen getroffen habe. Wie sich kurze Zeit später herausstellte, war die erfolgreiche Klage einer Händlerin bei einem ähnlichen Projekt in Berlin der Grund für das schnelle Ende. Seit Mitte März wurden die Aufenthaltsbereiche und Sperrungen deshalb nach und nach abgebaut. Für diese Woche ist als letzter Teil die Öffnung der Schranke in der Fressgasse angekündigt. Am Mittwochmittag war sie noch geschlossen.
So geht es weiter
Die Verwaltung hatte angekündigt, eine unter anderem auf Fahrzeugzählungen und Passantenbefragungen fußende Auswertung des Verkehrsversuchs vorzulegen und dann dem Gemeinderat einen Vorschlag für das weitere Vorgehen zu machen. Die öffentliche Vorstellung dieser Zahlen steht noch aus.
Das will der Handel
IHK-Präsident Schnabel warnt, dass Mannheim bei einer Verstetigung des Verkehrsversuchs seine Funktion als Oberzentrum einbüßen werde. Um Mannheim vom reinen Durchgangsverkehr zu entlasten, müssten für diesen weiträumige Umfahrungen – etwa über die vorhandenen Autobahnen – ausgewiesen werden, so die drei Handelsorganisationen. Dazu gehöre „perspektivisch“ auch eine dritte Rheinquerung.
Außerdem machen sich die drei Organisationen für einen Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs stark, damit Kunden beim Weg in die Mannheimer Innenstadt eine Alternative zum Auto hätten. „Allerdings stößt das in einer multizentrischen, ländlich geprägten Flächenregion wie der Metropolregion Rhein-Neckar an seine Grenzen. Motorisierter Individualverkehr, perspektivisch auch emissionsfrei, wird daher weiter eine Rolle spielen“, so die drei Organisationen.
Forderung an die OB-Kandidaten
Mit Blick auf die anstehende Entscheidung der Mannheimer Kommunalpolitik über eine mögliche Verstetigung des Verkehrsversuchs betont IHK-Präsident Schnabel: „Den Gemeinderatsfraktionen sollten die Umfrageergebnisse eine Mahnung sein. In der Innenstadtwirtschaft gibt es für eine Verstetigung keinen Rückhalt.“ Viele Händler seien auch irritiert von den bisweilen konsumkritischen Zügen in der Debatte. Manche hätten den Eindruck, sie seien in der Mannheimer City gar nicht mehr erwünscht. „Wir müssen uns entscheiden, ob die Innenstadt eine reine Wohnstadt sein soll oder ob sie auch künftig ein Wirtschaftsraum ist.“
Die drei Organisationen verlangen, dass ein Beschluss über eine so wichtige Zukunftsfrage erst nach der OB-Wahl getroffen werden dürfe. Von den Kandidierenden fordern sie, ihre Pläne zum Thema im Wahlkampf klar deutlich zu machen.
Aus dem Dezernat von Bürgermeister Eisenhauer hieß es am Mittwoch auf „MM“-Anfrage, die Zahlen zum Verkehrsversuch würden am 23. Mai im Technikausschuss vorgestellt. Die Verwaltung werde dann „voraussichtlich im Hauptausschuss im Juni eine Empfehlung als Diskussionsgrundlage für die langfristige Verkehrsentwicklung in der Innenstadt geben“.
Hendrik Hoffmann, Vizepräsident des Handelsverbands Nordbaden, betont, der Handel sei „die Leitbranche für die City und immer noch der wichtigste Besuchsgrund. Damit das so bleibt, muss sie ohne Einschränkung erreichbar sein.“
Werbegemeinschaft-Chef Lutz Pauels warnte davor, die „Fehler des ersten Verkehrsversuchs“ zu wiederholen. „Denn diese haben mit zur massiven Ablehnung des Projektes geführt.“ Wenn die Zahlen vorlägen, sollte man „in aller Ruhe mit den Betroffenen intensiv über Alternativen nachdenken, die dann auch eine breite Akzeptanz finden“.
Ist aus Sicht der drei Organisationen die Mannheimer Innenstadt also fit für die Zukunft und die Konkurrenz mit dem Online-Handel, solange nur ihre Erreichbarkeit gesichert ist? So pauschal würden die drei Vertreter das dann auch wieder nicht sagen. Selbst verkehrsberuhigte Bereiche schließen sie nicht aus. Eine „lebendige Innenstadt“ sei wichtig, betont Pauels. Dafür könnten Ereignisse wie die Erlebniswochenenden mit den verkaufsoffenen Sonntagen genauso sorgen wie die Verschönerung von Plätzen, etwa durch mehr Grün oder Brunnen. Im Projekt Futuraum zur Aufwertung von Innenstädten, für das Mannheim drei Millionen Euro vom Bund bekommt, seien da schon viele gute Ideen auf dem Weg.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Verkehr in Mannheims City: Nicht im Schweinsgalopp entscheiden