Mannheim. Wenn von Verbrechen die Rede ist, denken die meisten an Mord, Totschlag oder schwere Körperverletzung. Vielleicht auch an Raubdelikte oder Sexualverbrechen. Und natürlich sind das Verbrechen. Doch woran macht der Gesetzgeber ein Verbrechen fest?
Rein juristisch betrachtet liegt ein solches dann vor, wenn Angeklagten eine Tat vorgeworfen wird, auf die eine Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr steht. Und das gilt auch für einen Straftatbestand, der erst vor einigen Jahren Eingang in unsere Rechtssprechung gefunden hat: 2017 ist der sogenannte Raserparagraf im Strafgesetzbuch verankert worden. Dieser sorgt dafür, dass Autofahrer wegen eines verbotenen Autorennens verurteilt werden können, auch wenn sie das Rennen nur gegen sich selbst fahren. Wenn sie also maximal Tempo machen. Um einen der ersten Raserprozesse der Rhein-Neckar-Region geht es in der neuen Episode des True Crime-Podcasts.
Zwei Frauen und ein Kind sterben bei Horrorcrash
19. September 2020: Eine 31-Jährige ist mit ihren beiden kleinen Kindern und einer Freundin auf einer Kreisstraße bei Weisenheim am Berg in ihrem Kleinwagen unterwegs. Ein SUV kommt ihnen entgegen. In einer Rechtskurve driftet der Jaguar plötzlich auf die linke Spur, auf der der kleine Mitsubishi unterwegs ist. Der Jaguar ist schnell. Viel zu schnell, er fährt mit mindestens 120 Stundenkilometern die Straße entlang. Und dann kracht der SUV in den Kleinwagen. Die beiden Frauen und ein 14 Monate altes Kind sterben bei dem Crash. Die vier Wochen alte Tochter der Fahrerin überlebt den Unfall nahezu unverletzt.

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Den Ersthelfern und Unfallzeugen bietet sich ein apokalyptisches Bild. Dichter Qualm steigt über den Weinbergen auf, überall liegen Trümmerteile. Der Unfallfahrer und sein Beifahrer verlassen den SUV. Der Beifahrer schreit, wieder und wieder schreit er die immer gleichen Sätze: „Ich wollte es nicht. Ich will nach Hause. Ich will sterben“, das haben Zeugen später berichtet.
Zwei Jahre nach dem Unfall muss sich der Unfallfahrer vor dem Frankenthaler Landgericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft erhebt Anklage wegen fahrlässiger Tötung, einem verbotenen Kraftfahrzeugrennen und einer vorsätzlichen Straßenverkehrsgefährdung.
Hinterbliebener schildert Erlebnis an der Unfallstelle
In der Episode „Der Raserunfall“ spricht Gerichts- und Kriminalreporterin Agnes Polewka mit dem Frankenthaler Oberstaatsanwalt Wolfgang Seifert über den Fall. Seifert beschreibt die emotional aufgeladene Stimmung während des ganzen Verfahrens und die Herausforderungen, die sich daraus ergaben. Auch erklärt er, warum die detailgenaue Rekonstruktion des Fahrverhaltens wichtig war und welche Hürden Staatsanwaltschaft und Sachverständige dabei überwinden mussten.
Jetzt anhören: True-Crime-Podcast "Verbrechen im Quadrat"
Im True-Crime-Podcast "Verbrechen im Quadrat" taucht Gerichts- und Kriminalreporterin Agnes Polewka in wahre Kriminalfälle ein, die Mannheim und die Rhein-Neckar-Region erschüttert haben.
Alle Folgen der Staffel, zahlreiche Hintergründe und Berichte gibt es hier
Für die Folge hat Agnes Polewka auch Steffen Kirchner getroffen, der bei dem Unfall seine Frau uns seinen 14 Monate alten Sohn verloren hat und in einem bewegenden Bericht schildert, wie er am Tag des Geschehens an die Unfallstelle kam.
Am 8. Juli 2022 wird der Unfallfahrer zu drei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt – wegen fahrlässiger Tötung und vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung. Das Gericht verhängt außerdem eine zweijährige Führerscheinsperre. Es verurteilt den Unfallfahrer jedoch nicht wegen des verbotenen Kraftfahrzeugrennens. Weil sich nur wenige Sekunden vor dem Crash exakt rekonstruieren ließen. Die Kammer argumentiert außerdem folgendermaßen: Das Gericht könne nicht ausschließen, dass es dem Fahrer nur bei dieser Kurve um den Fahrspaß ging.
Die Vorsitzende Richterin findet dennoch sehr deutliche Worte in ihrer Urteilsbegründung. Sie sagt: „Das war kein Augenblicksversagen, das war keine Unachtsamkeit, das war Wahnsinn.“ Und: Die Kammer habe keinen Zweifel daran, dass der Mann zu schnell fahren wollte.
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