Suchthilfe - Einrichtung im Jungbusch wirkt sich laut Umfrage positiv auf Gesundheitszustand der Besucher aus

"Trinkertreff" in Mannheim: Hilfseinrichtung soll bleiben

Von 
Timo Schmidhuber
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Für viele ein Ort zum Durchatmen – ein Blick in den Hauptraum des Café Anker im Jungbusch. Das Bild stammt vom vergangenen November. © Timo Schmidhuber

Mannheim. Statt auf dem Paradeplatz, in der Breiten Straße und an anderen Stellen in der Innenstadt sollen Trinker Bier und Wein lieber in einem geschützten Raum konsumieren. Dort wird ihnen dann gleichzeitig Hilfe für ihren Alltag angeboten. Das ist die Idee hinter dem Café Anker, das Caritas und Drogenverein im Auftrag der Stadtverwaltung im Sommer 2020 in Wohncontainern im Jungbusch eröffnet hatten. Das Projekt ist auf zwei Jahre befristet - die Stadt möchte es aber bis einschließlich 2025 fortsetzen.

Eine entsprechende Beschlussvorlage ist an diesem Donnerstag Thema im Gemeinderatsausschuss für Bildung und Gesundheit. Die endgültige Entscheidung muss dann der Gemeinderat in seiner Sitzung Anfang Oktober treffen. Die Fraktionen haben auf Anfrage dieser Redaktion bereits ihre Zustimmung signalisiert.

Café Anker

Das Café Anker kann von Montag bis Samstag besucht werden. Eine erste Auswertung der Stadtverwaltung ergab, dass es von August bis Dezember 2020 trotz Pandemie im Schnitt rund 41 Stunden pro Woche offen hatte. Wohnungslose besuchen die Einrichtung genauso wie Menschen mit eigener Unterkunft, Drogenabhängige genauso wie Trinker.

Es gibt eine regelmäßige Sozialsprechstunde und eine Rechtsberatung, außerdem werden Besucher zu Suchthilfeangeboten vermittelt.

Das Wohncontainer-Gebilde bietet insgesamt knapp 130 Quadratmeter Fläche mit einem großen Aufenthaltsbereich, wo Besucher alkoholfreie Getränke, Brötchen und Riegel zum Selbstkostenpreis kaufen können. Bier und Wein dürfen sie mitbringen und vor Ort trinken, Hochprozentiges ist verboten. Für die Gäste gibt es einen Computer mit Internetzugang, zudem Bücher und Brettspiele. Zwei kleinere Räume bieten Platz für Einzelberatung und Gruppengespräche.

Der Innenbereich ist für rund 50 Personen ausgelegt, dazu kommt eine große Außenfläche. Pro Schicht sind im Café Anker ein Hauptamtlicher und zwei Aushilfen. imo

Immer mehr Klagen von Passanten, Geschäftsleuten und Anwohnern über Trinker auf Innenstadt-Plätzen hatten dazu geführt, dass der Gemeinderat bereits 2016 für ein „alkoholakzeptierendes Aufenthalts- und Betreuungsangebot für die Trinker- und Drogenszene“ stimmte - so heißt die Einrichtung in der Fachsprache. Die Suche nach einer passenden Immobilie - sie sollte möglichst in der Innenstadt liegen und einen Außenbereich haben - blieb jedoch erfolglos. Die Stadt entschied sich deshalb schließlich, auf ihrem Grundstück in der Akademiestraße 1 im Jungbusch (unter der Zufahrt zur Kurt-Schumacher-Brücke) Wohncontainer aufstellen zu lassen und die umgangssprachlich als „Trinkertreff“ bezeichnete Einrichtung dort unterzubringen. Der Standort gefiel jedoch nicht allen. CDU, Mannheimer Liste und FDP hielten ihn für zu weit entfernt von der City. Auch deshalb wurde das Projekt auf zwei Jahre befristet, mit gleichzeitiger Erfolgsauswertung.

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Jetzt muss laut Vorlage die Entscheidung über die Fortsetzung fallen. Bis Ende Oktober muss die Stadt ihrer Wohnungsbaugesellschaft GBG - ihr gehören die Container - mitteilen, ob sie diese weiter mieten möchte. Das Rathaus hält den weiteren Betrieb des Café Anker für sinnvoll. Erste Erhebungen zeigten, dass das Angebot nach den ersten Monaten positiv bewertet werden könne, heißt es in der Vorlage für die Stadträtinnen und Stadträte. „Seit der Eröffnung hat das Café Anker deutlich an Zulauf gewonnen.“ In dem Papier ist von einer „hohen Besucherdichte“ die Rede. In den Monaten Januar, Februar und März dieses Jahres seien im Schnitt knapp 70 Gäste pro Tag da gewesen, im April und Mai sogar bis zu 100. Seit Juni seien es 50 bis 60 Personen.

Bei einem großen Teil der befragten Besucherinnen und Besucher habe sich der Gesundheitszustand verbessert, heißt es in der Vorlage. Die Personen gaben demnach an, dass die Tatsache, eine Anlaufstelle zu haben, bei ihnen für weniger Stress sorge - und dass sie deshalb weniger trinken würden.

Auch auf die Situation in der Innenstadt habe sich die Einrichtung positiv ausgewirkt. Polizei und Ordnungsdienst vermelden demnach „deutlich weniger Beschwerden hinsichtlich störenden Alkoholkonsums im öffentlichen Raum“. Inwieweit das aber auf das Café Anker zurückzuführen sei, das könne man wegen der gleichzeitig geltenden coronabedingten Aufenthaltsbeschränkungen derzeit „nicht valide bewerten“, schränkt die Stadt ein. Hier sei „nach Corona“ noch mal eine gesonderte Auswertung nötig.

So bewertet die Sache auch Lutz Pauels von der Werbegemeinschaft City. Die Situation mit Trinkern in der Innenstadt habe sich beruhigt, „sie ist nicht mehr so exzessiv wie früher“, betont er. Ob aber ausschließlich das Café Anker dafür verantwortlich sei, könne er nicht sagen. Am Paradeplatz könnten auch die Bauarbeiten der Grund sein, und wegen Corona sei generell weniger in der Innenstadt los gewesen. „Man muss das Ganze deshalb noch mal unter normalen Bedingungen auswerten. Aber wir sind ganz klar für die Fortsetzung des Café Anker, das ist ein sehr gutes Angebot.“

Diese Fortsetzung wird allerdings teurer als ursprünglich geplant. Im Haushalt sind bis einschließlich 2025 pro Jahr Beträge in der Größenordnung von jeweils rund 440 000 Euro eingeplant. Das wird - unter anderem wegen inzwischen gestiegener Personalkosten - aber nicht reichen. Pro Jahr ist deshalb zusätzliches Geld in der Größenordnung von jeweils rund 100 000 Euro nötig.

Redaktion Stellvertr. Leiter der Lokalredaktion Mannheim

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