Mannheim. In dem Prozess vor dem Landgericht, bei dem ein Zahnarzt und dessen Ehefrau als zahnmedizinische Helferin auf der Anklagebank sitzen, hat die Strafkammer inzwischen mehrere ehemalige Patienten und Patientinnen gehört. Und so schildert ein Zeuge, wie bei ihm 24 Zähne, die allesamt kariös und sanierungsbedürftig gewesen sein sollen, schon beim ersten Praxisbesuch beschliffen wurden, um teure Keramik-Inlays im Cerec-Verfahren einsetzen zu können.
Das liegt allerdings 15 Jahre zurück – was auch auf die anderen wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagten Behandlungen zutrifft, die ohne medizinischen Grund erfolgt sein sollen. Der Zeuge berichtet, „Angstpatient“ zu sein, sich jedoch durchgerungen zu haben, seine Kauwerkzeuge behandeln zu lassen. Ja, er habe an den hinteren Backenzähnen „schwarze Stellen“ gesehen – aber auf keinen Fall an 24 Zähnen, betont er und ergänzt, in der für ihn emotional angespannten Situation, dem Zahnarzt einfach geglaubt zu haben.
Zeuge vor Landgericht Mannheim: Entscheidung fiel noch auf dem Behandlungsstuhl
Zur Sprache kommt, dass der damalige Student erklärte, rund 300 Euro pro Spezialfüllung nicht zahlen zu können und mit seinen Eltern sprechen zu müssen. Daraufhin sei ihm auf dem Behandlungsstuhl ein schnurloses Telefon in die Hand gedrückt worden. Die angerufene Mutter habe finanzielle Unterstützung zugesichert. Der Zeuge gibt an, noch wochenlang starke Spannungen im Kiefer, außerdem Schmerzen gehabt zu haben, die erst allmählich verschwanden. Gefragt nach der Qualität der Inlays antwortet er: „Die haben bis jetzt gut gehalten.“
Der inzwischen am Bodensee selbständige angeklagte 57-Jährige war bis 2011 als angestellter Zahnarzt in jener Neckarauer Großpraxis tätig, deren Inhaber und Managerin sowie ein Geschäftspartner wegen fingierter Honorarforderungen beziehungsweise betrügerischer Leasing-Tricks aufgeflogen waren. Dort ist auch die heute 52-jährige Helferin beschäftigt gewesen.
Zahnarzt erhielt Provision für eingesetzte Füllungen
Am dritten Verhandlungstag verliest der Vorsitzende Richter Joachim Bock mehrere Schriftstücke, darunter einen Brief, der im Namen der beiden Angeklagten von der Verteidigung an die Kammer geschickt wurde. Darin heißt es, dass der Praxisinhaber – auch mit der Androhung von Kündigungen – verlangt habe, möglichst viele der teuren Keramik-Inlays zu „verkaufen“. Als Provision bekam der Zahnarzt jeweils 65 Euro pro eingesetzter Cerec-Einlagefüllung, die ihm zuarbeitende Helferin jeweils zehn Euro. Auf die Gerichtssaal-Leinwand werden Quittungen über Honorare geworfen. Danach sind dem angestellten Zahnarzt monatlich bis zu 5.000 Euro ausgezahlt worden, deutlich mehr als er im Prozess als Verdienst angegeben hat.
Der Angeklagte ist zwar, wie auch seine Frau, bislang nicht vorbestraft. Allerdings wurde er wegen Behandelns gesunder Zähne als „berufsunwürdiges Verhalten“ von einem Berufsgericht verurteilt. Noch steht im Raum, ob das angeklagte Ehepaar das Angebot einer Einstellung des Verfahrens gegen Geldauflagen von 50.000 plus 20.000 Euro annimmt. Aufgrund der sehr langen Verfahrensdauer hat der Staatsanwalt zugestimmt. Der Vorsitzende Richter Bock weist darauf hin, dass es bei Fortführung des Prozesses nach derzeitiger Beweisaufnahme durchaus zu einer Verurteilung kommen könnte.
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