Natur

Streit um Schottergärten: Vorwürfe gegen Mannheimer Stadtverwaltung

Obwohl in Mannheim extra eine Stelle zur Durchsetzung des Schottergarten-Verbots geschaffen wurde, tut sich für das Mannheimer Umweltforum viel zu wenig. Für die Umweltschützer ist der Schuldige: die Stadtverwaltung 

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Martin Geiger
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Obwohl sie im Prinzip verboten sind, soll es in Mannheim knapp 2000 Flächen geben, die mehr oder weniger aussehen wie diese in Bremen. © dpa

Mannheim. Die Mitglieder des Umweltforums sind der Verzweiflung ziemlich nah. „Man hat das Gefühl, man dreht sich in einem Hamsterrad“, sagt Geschäftsführerin Elke Dünnhoff. „Wir sind am Übergang von der Erregung zur Frustration“, sagt Thomas Steitz, der Vorsitzende der Siedler- und Eigenheimergemeinschaft „Einigkeit“ in der Gartenstadt. „Die Stadt möchte sich hier aus der Verantwortung stehlen“, sagt BUND-Vorstand Wolfgang Schuy. „Es ist geltendes Recht, und es wird nicht umgesetzt.“ Worüber sich die Drei so ärgern, sind „Schottergärten“ – beziehungsweise der Umgang der Stadt damit.

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Eigentlich sollten die Vertreter des Dachverbands der hiesigen Umwelt-, Naturschutz- und Verkehrsverbände allen Grund zur Freude haben. Denn vor zwei Jahren konnten sie beim Beteiligungshaushalt – bei dem alle Bürger der Stadtverwaltung Vorschläge für Maßnahmen machen dürfen – eines ihrer Projekte durchsetzen. Und so stellte die Stadt 70 000 Euro bereit, um eine neue Stelle zu schaffen: für jemanden, der kontrolliert, ob und wo sogenannte Schottergärten angelegt sind.

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Diese sind im Prinzip nämlich verboten, bestätigt die Stadtverwaltung: „Die Landesbauordnung schreibt vor, dass unbebaute Flächen als ,Grünflächen’ anzulegen oder anderweitig zu begrünen sind“, teilt eine Sprecherin mit. Auch im baden-württembergischen Naturschutzgesetz heiße es in Paragraf 21 a: „Es ist darauf hinzuwirken, dass Gartenanlagen insektenfreundlich gestaltet werden und Gartenflächen vorwiegend begrünt werden. Schotterungen zur Gestaltung von privaten Gärten sind grundsätzlich keine andere zulässige Verwendung.“

Dennoch gibt es in der Stadt viele Vorgärten, in denen erheblich mehr Schottersteine als Grünpflanzen sind. Laut Umweltforum sogar sehr viele: Bei einer Auswertung von Luftbildaufnahmen seien knapp 2000 identifiziert worden, sagen die Umweltschützer. Und es „werden immer mehr“. Die Stadtverwaltung nennt keine konkrete Zahl.

Schlecht für Lebewesen und Klimaschutz

Unbestritten ist jedoch, dass solche Flächen ökologisch wertlos bis schädlich sind. Weil dort weder Insekten noch Vögel oder Igel Nahrung finden. Weil weder Feinstaub gebunden noch Sauerstoff produziert wird. Weil sie sich in der Sonne aufheizen und anschließend die Wärme wieder abgeben, anstatt wie klassische Gärten zu kühlen. Weil dort – da der Untergrund meist mit einer Folie abgedichtet ist – kein Wasser versickern und wieder verdunsten kann. Und weil sie somit in den Bereichen Biodiversität und Klimaschutz ziemlich schlecht abschneiden.

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Darum sei ihnen das Thema auch so wichtig, erzählen Dünnhoff, Steitz und Schuy. Und anfangs seien, nach dem Erfolg beim Beteiligungshaushalt, die Gespräche mit der Stadt auch erfreulich verlaufen. 15 bis 20 eindeutige Fälle habe man identifizieren und gegen sie vorgehen wollen. Als eine Art Signal an alle anderen. Parallel sei eine öffentliche Aufklärungskampagne angedacht gewesen, sagt Dünnhoff, „so dass es nicht weiter ausufert“.

Dann habe sich die Umsetzung aber immer mehr verzögert. Parallel dazu seien die Pläne eingedampft worden. Bis nur noch von drei bis vier Fällen die Rede gewesen sei, gegen die vorgegangen werden solle. Und von einer zusätzlichen Öffentlichkeitskampagne gar nicht mehr.

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Doch selbst bei jenen drei bis vier Fällen sei faktisch noch nichts geschehen, monieren die Umweltschützer. Stattdessen hieße es aus dem zuständigen Bauamt nun, dass die Sachlage rechtlich komplex sei und man zunächst ein Konzept zur rechtssicheren Umsetzung erarbeiten müsse. Und dass die extra eingestellte Person zur Erfassung der Schottergärten die Aufgabe eigentlich gar nicht erfüllen könne, weil zur rechtlichen Absicherung im Außendienst stets zwei Bedienstete gemeinsam unterwegs sein müssten.

Das sorgt für mächtig Frust beim Umweltforum – denn die für die 70 000 Euro geschaffene Stelle läuft zum Ende dieses Jahres aus. Und die Chancen, dass der Gemeinderat sie ohne vorzeigbare Ergebnisse verlängert, dürften überschaubar sein. Deshalb sagt Wolfgang Schuy: „Die 70 000 Euro sind in den Sand gesetzt.“ Und Thomas Steitz ergänzt: „Es drängt sich der Eindruck auf: Da will man gar nicht.“

„Eigentümer legen oft Rechtsmittel ein“

Dem widerspricht die Verwaltung: „Die Stadt prüft jeden Fall von versiegelten Flächen, von denen sie Kenntnis erlangt, ob es sich um eine zulässige Verwendung von nicht-überbauten Flächen handelt oder nicht“, erklärt eine Sprecherin. Allerdings müsse jeder Fall einzeln geprüft werden. Erst dann seien Maßnahmen möglich. „Die betroffenen Eigentümer legen jedoch oft dagegen Rechtsmittel ein. Die sich daran anschließenden, langen Rechtsbehelfsverfahren verzögern schnelle und auch wahrnehmbare Ergebnisse in Form von entsiegelten Flächen“, so die Sprecherin weiter.

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Derzeit führe die Verwaltung eine „Entsiegelungsstudie“ durch. Zudem erarbeite die Baurechtsbehörde ein Konzept, wie gegen Schottergärten vorgegangen werden könne. Neben präventiven Maßnahmen versuche die Stadt auch, gezielt Bürger anzusprechen, damit sie freiwillig Grünflächen wiederherstellen: „Erst wenn diese Maßnahmen nicht greifen, kann die Stadt, bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen, den Rückbau der Versiegelungen vom Bürger verlangen.“

Redaktion Reporter für das Ressort "Mannheim".

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