Das Strafverfahren gegen den früheren Mannheimer Bundestagsabgeordneten und langjährigen CDU-Kreisvorsitzenden Nikolas Löbel ist abgeschlossen. Er hat den Strafbefehl mit einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen akzeptiert und ist damit verurteilt – unter anderem wegen Untreue in zwei Fällen im Zusammenhang mit zwei Mietverträgen in der früheren CDU-Kreisgeschäftsstelle. Wie das Ganze allerdings genau abgelaufen ist und was in der Mannheimer Parteizentrale der Christdemokraten genau passiert ist, das weiß die Öffentlichkeit – also potenzielle Wählerinnen und Wähler – nicht. Das ist bedauerlich. An diesem Beispiel zeigt sich die wohl größte Schwäche des ansonsten oft recht sinnvollen Strafbefehl-Verfahrens in der Justiz.
Keine Wahrheitsfindung
Die Idee hinter diesem Verfahren: Es ermöglicht – vereinfacht gesagt – bei leichter Kriminalität eine Verurteilung ohne einen Gerichtsprozess. Das entlastet unter anderem Gerichte und Ermittlungsbehörden. Das Gericht, das den Strafbefehl erlässt, muss dabei nicht von der Schuld des Verurteilten überzeugt sein. Es reicht, wenn ein sogenannter hinreichender Tatverdacht besteht. Der ist dann gegeben, wenn nach dem gesamten Akteninhalt bei vorläufiger Tatbewertung die Verurteilung des Beschuldigten wahrscheinlich ist. Aus diesem Grund ist es jetzt auch Nikolas Löbels gutes Recht, wenn er seinen Anwalt erklären lässt, das Akzeptieren des Strafbefehls sei kein Schuldeingeständnis. Viele akzeptieren einen Strafbefehl, um ein Verfahren, das für sie nicht gut ausgehen könnte, rasch und ohne großes Aufsehen hinter sich zu bringen.
Dadurch allerdings, dass es nicht zum öffentlichen Prozess mit Zeugenbefragungen kommt, werden die Vorwürfe jedoch auch nicht restlos aufgeklärt. Auf die konkrete Wahrheitsfindung wird im Strafbefehl-Verfahren verzichtet. Das ist gerade in diesem Fall problematisch. Nikolas Löbel ist zwar inzwischen kein Politiker mehr und hat deshalb ein Recht auf die Wahrung seiner Privatsphäre. Aber es geht in diesem Fall eben auch um die Finanzgeschäfte einer Partei. Nicht nur Journalistinnen und Journalisten würden gerne wissen, was bei der Mannheimer CDU genau lief. Sondern bestimmt auch viele Wählerinnen und Wähler. Auch wenn Strafbefehl-Verfahren selbst bei Vergehen mit politischem Hintergrund mittlerweile die Regel sind – die Mannheimer Staatsanwaltschaft hätte hier den Prozess führen sollen.
Wer hatte welche Unterlagen?
Zwei Gutachten – eines von einem renommierten Mannheimer Juristen im Auftrag von Löbel, das andere von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft im Auftrag des CDU-Landesverbandes – hatten bei den Mietverträgen in der Kreisgeschäftsstelle keine Anhaltspunkte für Rechtsverstöße gefunden. Die Staatsanwaltschaft und das Gericht dagegen sehen Anhaltspunkte, die zumindest für einen hinreichenden Tatverdacht genügen. Als Außenstehender weiß man natürlich nicht, welche Unterlagen genau die Gutachter zur Verfügung hatten und welche die Staatsanwaltschaft – trotzdem sind solch unterschiedliche Ergebnisse schon überraschend. Und so gilt auch in diesem Fall der berühmte Satz von Bertolt Brecht, in etwas abgewandelter Form: Wir seh’n betroffen den Vorhang zu und viele Fragen offen.
Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Strafbefehl gegen Löbel: Ein Prozess wäre besser gewesen