Premiere

So war‘s beim ersten Mannheimer Strickkino

Stricken und Kino? Dass das gut zusammen passt, beweist der Zulauf beim ersten Strickkino in Mannheim. Auch der Film hat das strickende Publikum begeistert.

Von 
Tanja Capuana
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Rein in den Kinosaal, Strickzeug raus und loslegen: Beim Publikum kommt die Idee gut an. © Christoph Blüthner

Mannheim. Die emotionale Komödie „Der Pinguin meines Lebens“ mit Steve Coogan in der Hauptrolle sorgt an diesem Sonntagnachmittag für rund 130 besetzte Plätze. Während auf der Leinwand ein niedlicher Pinguin namens Juan Salvor munter durch das Apartment des Lehrers Tom Michell watschelt, klappern dazu zahlreiche Strick- und Häkelnadeln. Bei leicht gedimmten Licht entstehen bunte Pullover, Socken oder Taschen, während das überwiegend weibliche Publikum bei der Premiere des Mannheimer Strick-Kinos zugleich den Arthouse-Film nach einer wahren Begebenheit genießt.

Hinter der außergewöhnlichen Veranstaltung steckt die Initiatorin Helena Dell-Kolaschnik, Inhaberin des Labels Irida Design. Sie sei mit dieser Idee auf sie zugekommen, erzählt Constanze Oude-Kotte gut gelaunt, die für die Programmleitung im Atlantis zuständig ist. „Sie färbt Wolle und gibt auch Strickkurse und da habe ich gedacht: Warum nicht?“

Auch Dell-Kolaschnik ist zufrieden mit dem Zulauf. In Mannheim gebe es eine große Strick-Community, erzählt sie. Viele Frauen hätten sich an diesem Sonntag im Kino zum ersten Mal gesehen. „Natürlich gibt es Grüppchen, die sich untereinander kennen, aber es war eben schön zu sehen, dass der Bedarf da war“, sagt sie. „Und dass sie den Film sehen wollten und bereit waren, hier ihre Zeit zu verbringen.“ Der Termin sei für alle ein Experiment gewesen, so Dell-Kolaschnik.

Im Oktober soll es ein weiteres Strickkino geben. © Christoph Blüthner

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„Es war nicht klar, wie viele kommen, es hätten auch nur 20 Leute kommen können. Ich denke schon, dass jeder auch alleine stricken kann“, sagt sie. „Aber es ist umso schöner, sich auszutauschen.“ Oder zu schauen, was andere gerade anfertigen. Zudem sei die Zahl an jungen Leuten, die Handarbeiten machen, gewachsen. „Es ist nicht mehr die Oma, die in der Ecke sitzt und strickt“, sagt Dell-Kolaschnik. Nicht zuletzt auch als Gegenpol durch die Corona-Pandemie, in der man froh war, wenn man Dinge anfassen konnte, weil vieles digital war.

Unter den Kinogängern sind die drei Studentinnen Noomi, Marie und Lilith. Während Noomi und Lilith stricken, hat Marie an einer Tasche in rot-weißem Karomuster weiter gehäkelt. „Bei mir wird es ein Schal“, verrät Lilith. Noomi strickt einen Cardigan. Auch der Film ist bei dem Trio gut angekommen. „Ich fand ihn gut ausgesucht“, sagt Marie. Eine Wiederholung des Strick-Kinos fände Noomi gut. „Wir werden da sein“, sagt sie lächelnd.

Darum geht es im Film „Der Pinguin meines Lebens“

Eine Reihe vor ihnen sind die Freundinnen Blanca und Zsófia eifrig am Häkeln. Den beiden Frauen hat es Spaß gemacht, Teil einer Gemeinschaft zu sein. Auch der Film ist bei ihnen gut angekommen. Blanca, die spanische Wurzeln hat, konnte die zum Teil auf Spanisch gesprochenen Dialoge im Film verstehen. „Man erfährt auch etwas über die Diktatur in Argentinien.“

Der Film, der in Argentinien im Jahr 1976 spielt, erzählt die Geschichte eines britischen Lehrers, der eigentlich eine Frau beeindrucken will, als sie am Strand einen mit Öl verschmierten Pinguin finden und ihn säubern. Schon bald wird der kleine Vogel Teil seines Lebens. Er erobert die Herzen seiner Schüler im Sturm, als Michell ihn in den Unterricht mitnimmt. Die rührende Geschichte verzaubert mit viel Humor, aber auch Emotionalität. Gleichzeitig zeigt der Film die politischen Umstände der damaligen Zeit. So erfahren die Besucher, dass damals Menschen verfolgt und verschleppt wurden. Ein unaufgeregter Film, der geeignet ist, nebenher zu stricken oder zu häkeln.

Ein Cineasten-Trio aus Mannheim wusste nicht, dass der Film im Rahmen des Strick-Kinos gezeigt wurde. Bei manchen Szenen sei das gedämpfte Licht ein wenig störend gewesen, sagt die 64-Jährige. Dennoch haben sie Verständnis für die Begeisterung der anderen Besucher. „Wir sind jedenfalls froh, dass das Kino wieder lebt“, betont ihr Bekannter.

Initiatorin in Mannheim verschenkt Goodie-Bags mit selbstgefärbtem Garn

Die Freundinnen Kathrin und Corinna dagegen haben den Nachmittag mit Kino und Stricken genossen. Während Kathrin, die selbst Strickkurse gibt, bereits seit ihrem siebten Lebensjahr strickt, ist Corinna ein Strickneuling. Für Kathrin spielt zum einen Thema Nachhaltigkeit eine große Rolle. „Wenn man sich Zeit dafür freischaufelt, und einen Pullover strickt und Slow Fashion wieder ein Trend ist, dann ist es eine schöne Sache, wenn man jede einzelne Masche sich selbst überlegen kann“, sagt sie.

Bei Corinna ist während der Dauer des Films eine Socke entstanden. „Ich stricke ein bisschen länger als ein Jahr“, verrät die Mannheimerin. „Es sorgt für viel Gemeinschaft und wir treffen uns regelmäßig zum Stricken, das involviert auch unsere Kinder. Stricken bedeutet auch super viel Entspannung und Motivation, etwas fertigzustellen und etwas Neues zu lernen.“

Für die Besucherinnen und Besucher gibt es neben einem Glas Sekt auch Goodie-Bags, die die Initiatorin gespendet hat. „In jeder Tasche war neben einer Karte von mir auch als kleines Extra Garn in verschiedenen Farben“, erzählt Dell-Kolaschnik, die an dem Ärmel ihres grünen Pullovers weitergestrickt hat. „Ich färbe Garne mit Naturmaterialien, das heißt jedes Garn ist anders gefärbt.“

Das Strick-Kino soll auf jeden Fall weitergehen, sagt Oude-Kotte und verrät: „Wir haben mit dem 12. Oktober schon den nächsten Termin.“

Freie Autorin Kulturredaktion, Lokalredaktion, Wochenende. Schwerpunkte: Bunte Themen, Reisereportagen, Interviews, Musik (von elektronischer Tanzmusik bis Pop), Comedy und Musicals

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