Interview

Mannheimer Strickkino: Wie gemeinsames Handarbeiten im Atlantis gelingt

Das erste Mannheimer Strickkino vereint Handarbeit und Filmgenuss im Atlantis-Kino in den Quadraten. Wie Initiatorin Helena Dell-Kolaschnik auf die Idee kam.

Von 
Valerie Gerards
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Die Mannheimer Designerin Helena Dell-Kolaschnik hat ein Woll-Label gegründet und kam auf die Idee, im Kino zu stricken. © Privat

Mannheim. Im Kino sitzen, und dabei Stricken? Das passt wunderbar zusammen, findet Helena Dell-Kolaschnik, die Initiatorin des ersten Mannheimer Strickkinos, das am Sonntag, 18. Mai, um 15 Uhr im Atlantis-Kino in den Quadraten über die Bühne gehen wird. Im Interview mit dem MM spricht die Designerin über ihre Leidenschaft für weiches Garn und flotte Maschen.

Frau Dell-Kolaschnik, woher haben Sie die Idee, Kino und Stricken miteinander zu verbinden?

Dell-Kolaschnik: Strickkinos gibt es bereits in vielen Städten, etwa in Berlin, Darmstadt, Mainz, München, Zürich oder Karlsruhe – aber in Mannheim noch nicht. Darum habe ich das selbst in die Hand genommen und einfach im Atlantis-Kino nachgefragt.

Handarbeit ist aber seit einigen Jahren wieder „in“, und es gibt eine internationale Strick-Community hier in Mannheim.

Wussten Sie denn, ob in Mannheim Bedarf besteht?

Dell-Kolaschnik: (lacht) „Stricken ist etwas für Omas“: Ich weiß, dass das jeder denkt, der nicht strickt. Handarbeit ist aber seit einigen Jahren wieder „in“, und es gibt eine internationale Strick-Community hier in Mannheim. In unserer schnelllebigen Welt ist es der Wunsch, einfach mal herunterzukommen, indem man etwas Langsames macht.

Sind Sie selbst wegen Ihres eigenen Labels Teil dieser Community?

Dell-Kolaschnik: Ja, auch. Ich bin aber schon länger in der Community, als es das Label gibt. Ich stricke in der internationalen Community, weil man keine Sprache dafür braucht. Ich arbeite mit ukrainischen und russischen Designern, teste aber auch für deutsche und englische Designer. Vor einigen Jahren habe ich dann Irida Design gegründet.

Ihr eigenes Woll-Label ...

Dell-Kolaschnik: Mit Farben habe ich mich schon länger als Designerin beschäftigt und überlegt, wie man sie auf Wolle übertragen kann. Denn Wolle fasse ich täglich an, und ich möchte etwas anfassen, das auch nachhaltig ist. So kam ich zu Naturfarben.

Wo lassen Sie die Wolle färben?

Dell-Kolaschnik: Ich mache das selbst in meiner Färbeküche oder im Garten, wenn der Vorgang geruchslastig ist. Indigo, zum Beispiel, ist sehr geruchslastig, das muss man draußen machen.

Die Wolle spinnen Sie aber nicht selbst, oder?

Dell-Kolaschnik: Die Rohwolle für mein Label kaufe ich bei verschiedenen ausgewählten Händlern ein und verkaufe dann die von mir gefärbte Wolle. Ich spinne zwar auch selbst, aber nur für mich.

So ein fertiger Pullover kostet dann vermutlich das Vielfache eines Pullovers, den man im Laden kaufen kann.

Dell-Kolaschnik: Ja, allerdings. Er ist einfach viel wertvoller. An so einem Pullover hat man einen Monat lang gearbeitet, und man geht mit diesen Sachen ganz anders um als mit gekaufter Kleidung, die schnelllebig und einfach austauschbar ist. Man strickt auch eher Klassiker als Teile, die man nur eine Saison tragen würde.

Ist Stricken damit so etwas wie eine Gegenbewegung zu Fast Fashion?

Dell-Kolaschnik: Ja, unbedingt. Es ist auf jeden Fall Slow Fashion. Etwas Selbstgestricktes ist etwas so Wertvolles, dass man es jahrelang trägt. Manche Menschen gehen noch einen Schritt weiter und hinterfragen das industriell gefertigte Garn. Sie kaufen dann beispielsweise die von mir gefärbte Wolle. Ich mache transparent, welche der Pflanzenfarben ich einkaufe und welche Pflanzen ich selbst im Garten anbaue.

Zur Person: Helena Dell-Kolaschnik

  • Studium an der Fakultät Gestaltung der Technischen Hochschule Mannheim und im Fachbereich Design der FH Potsdam.
  • Partnerin des Design-Studios TheRelevantSet. Kunden sind etwa die UNO Flüchtlingshilfe, AWO, Kurpfälzisches Kammerorchester, VTM Mannheim / Veranstaltungen, Tourismus und Marketing, das Mannheimer Bündnis für Zusammenleben und Vielfalt, die Christus Frieden Gemeinde, der Förderkreis Freunde des Luisenparks und das Mannheimer StartUp Opasca.
  • Seit 2019 Kursleiterin für Strickkurse an der Abendakademie Mannheim.
  • Seit 2020 Gründung von Irida Design – Färben mit Naturmaterialien. vg

Konsumieren Sie noch Fast Fashion?

Dell-Kolaschnik: Mein Verhalten hat sich schon verändert. Wenn ich einkaufen gehe, schaue ich mir die Zusammensetzung eines Pullovers an und denke: Den kann ich genauso stricken, nur mit besserer Qualität. Es ist nicht so, dass ich das dann tatsächlich mache. Aber der Gedanke, dass ich es könnte, der lässt mich den Pullover nicht einfach so kaufen.

Zurück zum Strickkino: Wie sind Sie auf das Atlantis gekommen?

Dell-Kolaschnik: Ich bin davon ausgegangen, dass kleinere Kinos offen für Kooperationen sind. Tatsächlich war die neue Programmleiterin — Constanze Oude Kotte — sofort offen für diese Idee.

Kann man im Dunkeln und beim Film schauen überhaupt nebenher stricken?

Dell-Kolaschnik: Ja, das geht – da nimmt man irgendein Projekt, das einfach nur mit rechten oder nur mit linken Maschen glatt rechts oder mit einem einfachen Muster gestrickt wird, das man nicht unbedingt anschauen und schon gar nicht zählen muss. Es geht aber wirklich um die Gemeinschaft drumherum.

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Die Strick-Begeisterten kennen sich untereinander?

Dell-Kolaschnik: Es gibt in Mannheim viele Gruppen, die sich untereinander kennen und austauschen. Ich habe festgestellt, dass diese Gruppen sehr offen sind und sich untereinander über verschiedene Designs und ihre aktuellen Projekte austauschen. Auch die Teilnehmerinnen der zwei Strickkurse, die ich an der Abendakademie gebe, bleiben fortlaufend zusammen, kennen sich mittlerweile sehr gut und treffen sich auch jenseits der Abendakademie. Stricken verbindet, man kann sich prima im Café treffen und nebenher stricken.

Wie dunkel wird denn das Strick-Kino?

Dell-Kolaschnik: Ich war bei der Probe im Kino, um zu schauen, wie dunkel es werden darf, damit man noch stricken kann, der Projektionist hat geschaut, wie viel Helligkeit der Film verträgt, und wir haben uns zusammengefunden. Ich glaube, er fand es immer noch komisch, dass man im Kino mit Licht schauen möchte.

Es wird „Der Pinguin meines Lebens“ gezeigt. Gab es bei der Filmauswahl etwas zu beachten?

Dell-Kolaschnik: Es sollte ein heller Film sein, keine schnellen Lichteffekte geben und kein Actionfilm sein, sondern einer, bei dem man etwas entspannen kann – sonst strickt man vor Aufregung vielleicht drei Reihen mehr und muss wieder aufribbeln. Ich habe mich einfach auf die Programmleiterin verlassen.

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