Mannheim. Wer bei der Begrüßung der Erstsemester-Studierenden den Blick über den Campus der Hochschule Mannheim schweifen lässt, sieht vor allem junge Männer – auch wenn es in manchen Studienganggruppen Frauen mit den Kommilitonen des anderen Geschlechts zahlenmäßig fast aufnehmen können.
Das Centrum für Hochschulentwicklung schildert die Situation so: „Frauenmangel in der Informatik: Vier von fünf Studierenden sind männlich.“ Gleichwohl haben es Teilgebiete geschafft, auch bei Frauen Interesse zu wecken. Medizinisch und biologisch ausgerichtete Informatik-Studiengänge zeichnen sich deutschlandweit durch die höchste Frauenquote aus – teils bis knapp 50 Prozent. Das zeigt sich auch bei der Hochschule Mannheim.
Als Erst-Studis nach ihrer Einführung in das Fach Medizinische Informatik aus dem Saal strömen, stehen viele junge Frauen zusammen. In Gesprächen blitzt auf, dass bei so manchen der Abi-Notenschnitt nicht fürs Medizinstudium reichte und deshalb auf ein angrenzendes Gebiet als „interessante Schnittstelle“ ausgewichen wird. Einige junge Frauen erzählen, dass sie keineswegs direkt von der Schule zur Hochschule gekommen sind. Selin hat erst Englisch und Französisch studiert, aber darin keine Berufsperspektive gesehen. Und Sümeyra, die eine Ausbildung als Pharmazeutisch-technische Assistentin absolvierte, möchte „einfach mehr“.
Bereits Erfahrungen in der Medizin hat Alisa Stein gesammelt – als Kinderkrankenschwester auf der Onkologie-Station. Die Erlebnisse mit an Krebs leidenden Mädchen und Jungen seien ihr aber sehr nahe gegangen, auch nach Dienstschluss. Sie möchte zwar in der Medizinbranche bleiben, „aber mit einer neutraleren Aufgabe“.
„In den Corona-Semestern hat man sich aus den Augen verloren“
Am Info-Stand der Fachschaft Informatik hat das Gruppenbild mit Dame Symbolcharakter: Lotta Weiss, im vierten Semester, erzählt, dass bei ihrem Studienstart drei Frauen unter den 30 Informatik-Erstis waren. Eine Kommilitonin sei inzwischen abgegangen, von der dritten wisse sie nichts. „In den Corona-Semestern hat man sich aus den Augen verloren.“ Und worauf führt sie zurück, dass sich so wenige Geschlechtsgenossinnen an die Wissenschaft rund um digitale Datenverarbeitung wagen? Lotta Weiss glaubt, dass sich Mädchen immer noch weniger als Jungen mit Computern beschäftigen. Die Überblicksstudie „Frauen in Informatik“ kommt zu dem Schluss, dass bis heute Stereotypen mit der Botschaft kursieren: Frauen sollten bei der Berufswahl ihre kommunikativen wie sozialen Stärken nutzen.
In der Informatik-Fachschaft engagiert sich auch Constantin Spranger, der sich im Studiengang Cyber Security mit Datendiebstahl, Hacking, elektronischer Überwachung und Internet-Manipulationen beschäftigt. An Ersti-Begrüßungen beteiligt er sich zum dritten Mal. Ja, Informatik sei immer noch eine Männer-Domäne, kommentiert er – „aber mit steigendem Frauenanteil“. In seinem Studiengang habe das Geschlechterverhältnis im letzten Semester bei 85 zu 15 gelegen.
Als die Gruppe jener, die sich für Technische Informatik eingeschrieben haben, über den Campus geführt wird, fällt ebenfalls die zahlenmäßige Dominanz der Männer auf. Offenbar kommen auch hier einige aus dem Berufsleben. Die absolvierte Ausbildung zum Fachinformatiker sei ihm „zu wenig umfassend“ gewesen, sagt Jürgen Müller. Und Franz Berg (28), der mehrere Jahre erfolgreich als selbstständiger Softwareentwickler im Geschäft war, erklärt euphorisch: „Ich erfülle mir mit dem Studium einen Traum!“ Dafür habe er gezielt Geld zurückgelegt.
Beim Maschinenbau besitzt die Weiblichkeit immer noch so etwas wie exotischen Status. Das bestätigt Paul Hofmann am Stand von „Delta Racing“. Als er mit dem Studium begann, gab es gerade mal zwei Frauen unter 90 Männern. Allerdings haben an der stolz präsentierten Konstruktion eines Elektro-Rennwagens auch um die 25 Tüftlerinnen mitgewirkt – freilich aus anderen Studiengängen wie Wirtschaftsingenieurwesen oder Kommunikationsdesign.
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