Steuer-Talk am Tresen

So war der Auftakt der Reihe Wissensdurst in Mannheim

Christoph Spengel spricht zum Auftakt des neuen Formats „Wissensdurst“ über den Cum-Ex-Skandal und Kanzler Olaf Scholz. Mehr als 100 Zuhörende waren gekommen

Von 
Kilian Harmening
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Christoph Spengel (mit Mikrofon) verknüpfte sein Spezialgebiet Cum-Ex mit Bar-Atmosphäre. © Kilian Harmening

Mannheim. Wer weiß, wie viele kommen. Vielleicht werden es 20 Leute, so ist es dem Bar-Personal angekündigt worden. Tatsächlich war die Odeon Bar am Mittwochabend rappelvoll. Mehr als 100 Zuhörerinnen und Zuhörer nahmen an der ersten Ausgabe des neuen Formats „Wissensdurst“ der Universität teil.

Forschung mit Bar-Atmosphäre zu verknüpfen: Der Gedanke scheint bei vielen gezündet zu haben. Ziel des neuen Formats ist, bei Drinks mit Professoren ins Gespräch über ihre aktuelle Forschung zu kommen. „So etwas macht Universität nahbar“, freut sich der erste Redner Christoph Spengel.

Nahbar macht Spengel das Thema Wirtschaftskriminalität. Von „Staatsversagen“ spricht er, als es um die Rolle der Regierung im Cum-Ex-Finanzskandal geht. Und hält sein Versprechen, auf den Mechanismus hinter den „Steuerbetrügereien“ gleich zu Beginn einzugehen. „Die Aktiengeschäfte erkläre ich jetzt. Weil wenn ich meinen zweiten Wein hatte, funktioniert das nicht mehr so gut.“

Christoph Sprengel über die Rolle von Olaf Scholz im Cum-Ex-Steuerbetrug

Das schafft der Professor für betriebswirtschaftliche Steuerlehre immer wieder: seinem Publikum ein Schmunzeln zu entlocken. Aktuelle und ehemalige Studierende, zu denen er einen engeren Draht hat, kamen genauso wie interessierte Öffentlichkeit. „Dass es so viele werden, damit habe ich gerechnet“, äußert Spengel selbstbewusst.

Gleich die erste Frage nach seinem 15-minütigen Impulsvortrag zielt auf die Rolle von Olaf Scholz im Cum-Ex-Steuerbetrug ab. „Ich möchte mich nur insofern zu Scholz äußern“, vermeidet es Spengel, zu polarisieren, „wenn ich komplizierte Gespräche führen muss, nehme ich einen Zeugen mit“.

Damit spielt Spengel auf drei Gespräche des früheren Hamburger Bürgermeisters Scholz an, die anhand von Tagebucheinträgen seines Gegenübers nachgewiesen sind. Während laufender Ermittlungen gegen die Hamburger Privatbank Warburg im Cum-Ex-Skandal sprach Scholz drei Mal vertraulich mit dem Warbung-Banker Christian Olearius.

Steuern erstattet bekommen, die nie bezahlt wurden

Im zeitlichen Zusammenhang damit ließ die Hamburger Finanzbehörde 2016 die Forderung an die Warbung-Bank fallen, unrechtmäßig erstattete 47 Millionen Euro Steuern zurückzahlen zu müssen. Scholz beteuert „Erinnerungslücken“ und verschwieg jedes der drei Gespräche so lange, bis es ihm nachgewiesen wurde.

Sich vom Finanzamt Steuern erstatten zu lassen, die man nie bezahlte: Das ist der Trick hinter den Cum-Ex-Geschäften. Rund um den Dividendenstichtag werden Aktien vielfach hin- und herverkauft, um zu verschleiern, wer der tatsächliche Besitzer ist. Nur dem wird die Dividende ausgeschüttet und er zahlt darauf Kapitalertragssteuer.

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Die vielen kurzfristigen Besitzer ließen sich aber ebenfalls eine Steuerbescheinigung ausstellen, obwohl sie diese nie entrichteten. Bestimmte ausländische Kapitalgesellschaften sind von der Kapitalertragssteuer befreit und können sie sich zurückzahlen lassen. Die Systemlücke: Für die Finanzämter war es nicht nachvollziehbar, ob sie zur selben Aktie die Steuern mehrfach erstatteten. Denn jeder, der eine Steuerbescheinigung vorlegte, erhielt das entsprechende Geld erstattet.

Höchst illegal, stellt Steuerexperte Spengel klar. „Sich Steuern zu erstatten, die man nie bezahlte, widerspricht jeder Logik des gesunden Menschenverstands.“ Spengel befasst sich seit vielen Jahren mit dem Cum-Ex-Skandal, den er als „größten Steuerraub in der Geschichte Europas“ bezeichnet. Er ist Sachverständiger und Gutachter im dazu eingerichteten Untersuchungssausschuss.

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Gesetzeslücken sind inzwischen geschlossen worden: Die Rechtssprechung ist sich einig, dass Cum-Ex-Geschäfte illegal sind. Das heißt aber nicht, dass solche Geschäfte nicht mehr möglich wären, zieht Spengel einen Vergleich heran: „Mord ist strafbar und trotzdem werden noch Menschen ermordet.“

Zu Scholz äußert sich Spengel nicht weiter. Wichtig ist ihm, klarzustellen, dass Scholz Cum-Ex-Geschäfte nicht selbst verübte. „Mal dazu: Es ist, wie es ist“, bewertet der Professor die Gespräche. Dass es brisant ist, dass Scholz ein Teil dessen sein könnte, dass 47 Millionen Euro in den Steuerkassen fehlen - solche Äußerungen tätigt Spengel nicht.

Das Schlupfloch zu schließen, wäre durchaus möglich

Allerdings wirft er der Regierung vor, nicht tätig zu werden und keine Experten zurate ziehen zu wollen, um das Steuerschlupfloch tatsächlich zu schließen. Das wäre durchaus möglich, stellt Spengel seine Idee vor: Es gibt nur endlich viele Siemens-Aktien. Jede also durchzunummerieren, um die Steuerzuordnungen nachvollziehen zu können, würde das System wasserdicht machen.

Warum das noch nicht passiert? Spengel stellt eine fehlende Betroffenheit in der Gesellschaft fest: Beim Diesel-Skandal war der Aufschrei groß, weil das eigene Auto manipuliert war. Cum-Ex sei noch viel gravierender - aber etwas Greifbares fehlt. Dass so viel Steuergeld flöten ging und noch geht, nehmen viele in Bevölkerung und Regierung zu locker hin, findet Spengel, der das Interesse an seiner Forschung nicht abreißen lässt: Auch nach seinem Vortrag bleibt er noch lange in Bar-Gespräche über Wirtschaftskriminelle vertieft.

Das nächste Bargespräch der Universität Mannheim findet am Dienstag, 26. November um 19 Uhr in der Odeon Bar (G7, 10) statt. Prof. Dr. Hiram Kümper stellt sich den Fragen zum Thema: „Warum ist die Banane blau? Die Rolle des Rheins für Europas Wohlstand und Zukunft“. Weitere Termine folgen, schreibt die Universität.

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