Mannheim. „Guten Morgen Mama! Dies ist meine neue Nummer, du kannst die alte Nummer löschen. Kannst du mir auch auf Whatsapp schreiben?“ Auf den ersten Blick wirkt diese Nachricht auf dem Smartphone der 83-Jährigen völlig harmlos, schließlich geht auch Gerlinde Menz davon aus, dass die Botschaft von ihrer Tochter stammt. „Aber meine Tochter benutzt gar kein WhatsApp, da bin ich stutzig geworden“, erzählt die Mannheimerin.
Sie hat deshalb an diesem Vormittag gezielt den Infostand der Polizeibeamten im Einkaufszentrum Kurpfalz Center angesteuert, die hier über die neuste Betrugsmasche aufklären wollen: den sogenannten WhatsApp-Betrug.
Polizeipräsidium Mannheim: Besonders viele Fälle im Januar
Ein paar Nachfragen und ein Blick auf die besagte Textnachricht, dann bestätigt sich am Stand der Verdacht von Menz, dass hier Betrüger am Werk sind. Tatsächlich erhalten in diesen Tagen besonders viele Mannheimer und Mannheimerinnen ähnliche Botschaften wie die 83-Jährige: So verzeichnet das Polizeipräsidium Mannheim für die ersten Januartage im neuen Jahr sechs Mal so viele Fälle wie im gesamten Januar 2022 allein für die Quadratestadt.
So schützt man sich gegen Chat-Betrüger
- Grundsätzlich gilt: Wenn sich eine bekannte Personen unter einer neuen Nummer meldet, diese nicht automatisch abspeichern. Betrüger versuchen so zu verhindern, dass man beim echten Kontakt nachfragt.
- Zuerst die Identität der vermeintlichen Kontakte überprüfen, die um Geld bitten. Einfach um eine Sprachnachricht bitten, eine Sicherheitsfrage stellen und unter der alten Nummer anrufen.
- Aufforderungen zur Geldüberweisungen über Whatsapp und andere Messengerdienste sollten immer misstrauisch machen.
- Das eigene Profilbild schützen, damit es nur die eigenen Kontakte sehen können.
- Keimt nach der Überweisung doch Verdacht auf, zuerst die eigene Bank kontaktieren, um das Geld zurückzuholen. Dann die Polizei alarmieren.
Mit ihrem Infostand wollen die Ordnungshüter über die Masche aufklären und davor warnen. „Zwar haben einige schon davon gehört. Die Täter gehen aber sehr geschickt vor, sind sehr manipulativ und bauen Druck auf“, sagt Michael Christoph von der Kriminalprävention. Über das Jahr verteilt klärt er auf Wochenmärkten oder in Bankfilialen über Betrugsmaschen wie den Enkeltrick, Schockanrufe oder falsche Polizeibeamte auf. Und nun eben auch über die neuste Vorgehensweise der Kriminellen, die dem Enkeltrick ähnelt.
Dabei meldet sich eine Person über WhatsApp, Textnachricht oder andere Messengerdienste mit einer unbekannten Nummer. Als vermeintlicher Enkel oder Tochter in Not bittet der Täter um Hilfe bei einer Überweisung, da das eigene Online-Banking durch den Nummernwechsel noch nicht freigeschaltet sei. Im jüngsten Fall haben Kriminelle so am vergangenen Wochenende ein besorgtes Ehepaar um fast 9000 Euro gebracht. Erst ein direkter Anruf beim Sohn brachte nach mehreren Online-Überweisungen auf ein fremdes Konto die bittere Erkenntnis: Die Nachrichten stammten nicht von ihrem Sprössling.
Tausendfache Nachrichten pro Tag
Woher aber greifen die Täter die Nummern ab, wissen sie, ob die angeschriebenen Personen Kinder oder Enkel haben? „Die Täter sitzen im Ausland und versenden am Tag tausendfache solcher Nachrichten an zig verschiedene Nutzer. Bei einem passt dann die Nachricht zufällig“, weiß Aylin Gezici. Die Kriminalhauptkommissarin ermittelt bei der Kriminalinspektion in allen Arten von Betrugsfällen - aktuell häufen sich die Anzeigen von Geschädigten, die über WhatsApp um ihr Geld gebracht wurden.
Wie die Täter an die Nummern gelangen, das sei noch Gegenstand der Ermittlungen, genauso wie der genaue Aufenthaltsort. Die Beamten gehen davon aus, dass die Betrüger Daten bei Online-Gewinnspielen oder anderen Formularen abgreifen. Was es den Ermittlern zusätzlich schwer macht: Ins Visier der Täter kann jeder und jede geraten, von der Studentin über den Familienvater bis hin zur Rentnerin.
Dabei gehen die Kriminellen schnell und professionell vor: So nutzen sie sogenannte Geldwäschekonten, um das Geld direkt nach der Überweisung verschwinden zu lassen. Den Opfern bleibt oft nur eine Anzeige wegen Betrugs gegen Unbekannt und die Meldung bei der Bank, die das betroffene Konto sperren lassen kann. „Meistens aber ist das Geld weg. Dabei handelt es sich oft um vierstellige Beträge“, sagt Gezici. Oft würden sich Betrugsopfer dafür schämen. Manche zeigten den Verlust deshalb gar nicht erst an.
Geldgeschäfte niemals am Telefon
„Dabei sind das absolute Profis, die mit der Hilfsbereitschaft spielen und taktisch geschickte Gesprächsführung nutzen.“ Deshalb gilt grundsätzlich: „Am Telefon niemals Geldgeschäfte abwickeln“, rät die Kriminalhauptkommissarin. Wer sich schützen will, kann sich auch Sicherheitsfragen ausdenken, die ein Unbekannter keinesfalls richtig beantworten kann, etwa nach dem Geburtsdatum fragen. Und unter der neuen und alten Nummer anrufen.
Das hat auch Gerlinde Menz getan. Als sie an eine Mailbox weitergeleitet wird, kontaktiert sie ihre Tochter unter der alten Nummer. „Beinahe wäre ich darauf hereingefallen, auch der Schreibstil klang nach meiner Tochter“, sagt Menz erleichtert. Sie will an diesem Vormittag gleich den Rat der Beamten umsetzen - und beim Polizeirevier Anzeige erstatten.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Warum wir auch beim Chatten misstrauisch sein sollten