Mannheim. Matilda spielt Tarzan, es gibt drei Bösewichte und drei beste Freunde – beim Theaterstück „Tarzan“ haben sich zwölf Kinder die Handlung ausgedacht sowie Kostüme und Bühnenbild angefertigt. Insgesamt 20 Tages- und Übernachtungsfreizeiten umfasst der Ferienexpress „Steig ein“. Bei dem Angebot der Stadt nehmen in diesem Jahr 420 Kinder und Jugendliche teil.
Das Angebot reicht von Kitesurfing an der Nordsee über Hip-Hop, Kanutour, Fahrradausflüge bis hin zu einer Filmproduktion. Die Schwerpunkte liegen in den Bereichen Sport, Natur, Outdoor und Kultur. Ausgebucht ist alles, falls ein Kind kurzfristig absagt, werden Interessierte einer Warteliste angerufen. Dies und andere Angebote in der Stadt stehen gebündelt auf .
Zurück zum Theaterstück, bei dem Isabella Küchler (18) zum dritten Mal Betreuerin war: „Ich hatte die Idee, weil ich schon ewig Theater spiele.“ Die Handlung von „Tarzan“ sei allerdings etwas anders als die Vorlage und auch kürzer: Rund 30 Minuten dauert das Stück, in dem alle zwölf Kinder Rollen haben. Dies allerdings freiwillig, keiner musste auf die Bühne. Wobei gerade das für die Tarzan spielende Matilda einen besonderen Reiz hat. Die Zehnjährige betont: „Der Theaterkurs ist sehr cool, man kann kreativ werden.“ Die neunjährige Clara ergänzt: „An der Schule habe ich schon in der Theater-AG mitgemacht.“
Sie findet es toll, dass man auch zeigen kann, was man gemacht hat und dass „alles auswendig gelernt wurde“. Sie trägt als Gorilla eine Maske aus Gips, Matilda als Tarzan ergänzt: „Ich mache mich mit Eyeliner im Gesicht dreckig!“ Gabriel (11) sägt gerade mit Betreuer Lukas Noffz eine Holzlatte für das Bühnenbild durch. „Gesägt habe ich schon in der Schule, mit dem Akkuschrauber konnte ich auch schon arbeiten“, erklärt er selbstbewusst. Aber gelernt hat er doch einiges: „Beim Theater muss man laut, deutlich und langsam sprechen und sich zum Publikum drehen!“
Szenenwechsel: Auf dem Toulon-Platz springen Kinder auf dem Boden oder von Steinen der Bebauung vor dem Museum. Parkour nennt sich der Sport, bei dem überwiegend Jungen mitmachen. Einer davon ist Bilal Fawy (11): „Das mache ich wahrscheinlich nächstes Jahr wieder, aber dann in der zweiten Woche Graffiti!“ Luca Maric war schon vor einem Jahr dabei: „Man kann hier selbst entscheiden, was man macht“, erklärt der 13-Jährige. Wenn er in der Stadt unterwegs ist, springt er ab und zu von Hindernis zu Hindernis. Unfälle hatte er nicht, es gab bisher nur einen blauen Fleck am Schienbein.
„Ferienpaten“ füllen Spendentopf für Kinder aus ärmeren Familien
Betreuer Tim Weickenmeier, der hauptberuflich bei der Parkour-Akademie arbeitet und auch Anlagen entwirft (zum Beispiel die auf Spinelli) erklärt: „Kratzer und blaue Flecken gehören dazu, aber sonst ist beim Angebot noch nichts passiert.“ Wichtig sei, klein anzufangen und in sicherem Umfeld, also zuerst auf ebenem Boden von Linie zu Linie zu springen, die Technik zu beherrschen, das richtige Fallen zu üben und vor Sprüngen Übungen zu machen. Er möchte den Kindern zeigen, dass Bewegung Spaß machen kann und betont: „Es liegt viel an den Eltern, also ob sie mit den Kindern rausgehen.“
Klemens Hotz, Abteilungsleiter Jugendförderung, sagt dazu: „Laut Studien geht die Zeit, in der sich Kinder bewegen, zurück. Es gibt auch Hinweise, dass die motorischen Fähigkeiten schlechter werden, zum Beispiel bei der Einschulungsuntersuchung.“ Diese Unterschiede würden auch mit dem Einkommen der Eltern zusammenhängen. Damit beim Ferienexpress „Steig ein“ auch Kinder aus ärmeren Haushalten mitmachen können, gibt es einen Spendentopf, der von „Ferienpaten“ gefüllt wird. Der Jugendring fördert damit die Teilnahme an allen Ferienprogrammen in der Stadt, beim Ferienexpress wurden sechs Kinder finanziell unterstützt.
Neben den Kosten für Personal beträgt das Budget für den Ferienexpress 120.000 Euro. „Aber die Kosten steigen“, erklärt Eva Keil, die zusammen mit Antea Heise und Stefan Quickert das seit fast 50 Jahren bestehende Angebot organisiert. Die Kostensteigerung gelte insbesondere für Übernachtungen und Essen. Gespart wurde bereits dadurch, dass statt mit gecharterten Bussen der öffentliche Nahverkehr genutzt wird.
Doch Geld sei, so Keil, ein limitierender Faktor: Es gebe weitere ehrenamtliche Betreuer, die gern Veranstaltungen organisieren möchten, aber dafür habe das Budget nicht gereicht. Steigen die Kosten weiter, müsse man bei Inhalt oder Anzahl der Angebote Anpassungen machen. Übernachtungsprogramme seien teurer als Tagesangebote.
Klemens Hotz betont jedoch, dass Übernachtungsprogramme pädagogisch wertvoller seien und Keil ergänzt: „Die Lernerfahrung ist dabei für die Kinder immens. Sie sind allein ohne Eltern und Handy unterwegs, müssen organisieren, kochen, spülen und in der Gruppe zurechtkommen.“ Auch die 40 ehrenamtlichen Betreuer – die meisten zwischen 16 Jahren und Mitte 20 alt – würden laut Hotz ihre Persönlichkeit durch Teamarbeit und Kommunikation entwickeln. In Seminaren lernen sie außerdem viel über Pädagogik, Aufsichtspflicht und Regeln beispielsweise fürs Schwimmen, Erste Hilfe und Praktisches wie den Aufbau eines Küchenzeltes.
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