Verkehr

Vor Öffnung am Mittwoch: So kam es zur Schließung des Mannheimer Fahrlachtunnels

Warum musste die Verkehrsachse im August 2021 abrupt gesperrt werden? Wer war dafür verantwortlich? Ein Bericht aus dem Rathaus liefert teilweise überraschende Antworten

Von 
Timo Schmidhuber und Sebastian Koch
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Nach dem Brandrauchversuch im April (unser Bild) mussten noch ein paar Dinge nachjustiert werden – an diesem Mittwoch kann der Fahrlachtunnel nun wieder öffnen. © Thomas Tröster

Mannheim. Ein wenig wie im Film klingt es schon, was Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD) und der Projektverantwortliche für die Wiederöffnung des Fahrlachtunnels, Alexandre Hofen-Stein, am Dienstag im Swansea-Saal des Stadthauses der Presse erklären. Nach der Pressekonferenz, an der neben Kurz mit Sicherheitsdezernent Christian Specht (CDU), der Dezernentin für technische Betriebe, Diana Pretzell (Grüne), und Bildungsdezernent Dirk Grunert (Grüne) fast die gesamte Bürgermeisterriege teilnimmt, lässt sich sagen: Fast nichts ist mehr so wie es im Januar noch schien. Der Reihe nach.

Öffnet der Fahrlachtunnel an diesem Mittwoch wirklich?

Ja. Die für den Fahrlachtunnel zuständige Bürgermeisterin Pretzell informiert zu Beginn nochmals, dass die beiden Röhren am Mittwoch ab 12 Uhr wieder freigegeben werden - für Pkw und den Lastverkehr. Die Brandrauchtests vor einigen Tagen hätten zu einem positiven Ergebnis geführt, erklärt auch Bürgermeister Specht. Einzige Ausnahme der Öffnung: Gefahrguttransporte dürfen den Fahrlachtunnel nicht passieren. Diese Regelung galt aber auch schon vor der Schließung im August 2021.

Die Nachricht der Öffnung ist nicht neu. Warum hat es die Pressekonferenz gegeben?

Die Verwaltung hat eine 25-seitige Informationsvorlage präsentiert, die Grundlage für die Arbeit des eingesetzten und von Bürgermeister Grunert geleiteten Akteneinsichtsausschusses sein soll. In dieser Vorlage, die im Bürgerinformationssystem der Stadt online abrufbar ist, klärt die Verwaltung, wie es überhaupt zur abrupten Schließung des Tunnels am 3. August 2021 gekommen ist, und wer in den vergangenen Jahrzehnten die politische Verantwortung für Planung, Bau und Unterhaltung des Fahrlachtunnels innehatte. Diese Frage hatte diese Redaktion erstmals am 18. Januar aufgeworfen und war bei der Beantwortung stets auf die nun präsentierte Informationsvorlage verwiesen worden.

Und wer ist jetzt für die Schließung verantwortlich?

So wirklich beantworten kann man die Frage nicht. Klar ist: Seit der Eröffnung des Fahrlachtunnels 1994 bis zu einer Verwaltungsreform 2020 waren stets zwei Ämter und Fachbereiche für das Bauwerk und die technischen Anlagen zuständig. Bis 2010 waren die jeweils im Dezernat des damaligen Bürgermeisters Lothar Quast (SPD) angesiedelt. Zwischen 2010 und 2016 teilten sich die Dezernate von Quast und Specht die Aufgaben, anschließend war Quasts Dezernat wieder alleine zuständig. Seit 2020 liegt der Fahrlachtunnel im alleinigen Zuständigkeitsgebiet von Dezernat 5, das zuerst von Felicitas Kubala (Grüne) geführt wurde und seit 2021 von Pretzell geführt wird.

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Dann ist die Schuldfrage doch geklärt - oder?

Nicht wirklich. Zwar sind die Zuständigkeiten geklärt - ob die Dezernate beziehungsweise die Verwaltung insgesamt aber tatsächlich falsch gehandelt haben, ist nach Darstellung der Stadt nun nicht mehr ganz so klar, wie es noch im Januar schien. Damals hatte Hofen-Stein im Ausschuss für Technische Betriebe von einem „gesamtorganisatorischen Versagen“ gesprochen. Hofen-Stein weist auf Nachfrage nun darauf hin, dass es sich damals nur um einen Zwischenbericht gehandelt hatte. „Durch den neuen Erkenntnisgewinn und die daraus nun differenziertere Betrachtung, die wir haben, hat sich ein neues Bild ergeben, das dieses absolute Urteil in der Form möglicherweise nicht mehr zulässt.“

Welche Erkenntnisse haben zu der neuen Einschätzung geführt?

Damit kommen wir zum eingangs erwähnten Film. Für den vorliegenden Bericht hat die Verwaltung nach eigenen Angaben etwa 7000 elektronische Daten und 371 Aktenordner gesichtet. Rund 280 dieser Ordner bildeten die Grundlage für den Zwischenbericht im Januar. Laut Verwaltung seien die am Bericht arbeitenden Personen kurz nach der Präsentation auf weitere knapp 170 Ordner aufmerksam geworden, die sich im fünfstöckigen Betriebsgebäude des Tunnels befunden haben sollen. Die Ordner enthielten demnach nicht nur Betriebsgenehmigungen, sondern auch wichtige Unterlagen, die Aufschluss geben über den Umgang der Verwaltung mit dem Tunnel.

Diese Ordner, die die Sicht auf die Dinge vollkommen ändern, sind einfach aufgetaucht - oder wie muss man sich das vorstellen?

Hofen-Stein erklärt auf Nachfrage, dass man sich keinen Stapel vorstellen müsse, auf dem die Ordner jahrelange unentdeckt gelegen hätten. Vielmehr seien die in anderen Unterlagen, etwa in Plänen, gefunden worden. Auch seien die Akten nicht chronologisch nach Jahreszahlen sortiert gewesen, erklärt der am Bericht beteiligte städtische Compliance-Beauftragte Ugurlu Soylu. Kurz präzisiert, dass die Akten nicht aus dem Nichts aufgetaucht seien, sondern sich die Relevanz der Inhalte bei einigen möglicherweise erst nach und nach herausgestellt habe.

Die Akten sind ausgewertet. Zu welchem Ergebnis kommt der Bericht für den Gemeinderat nun? Wie kam es zur abrupten Sperrung des Tunnels 2021?

Die Gesamtzuständigkeit für den Tunnel an einer zentralen Stelle habe gefehlt, zieht Oberbürgermeister Peter Kurz ein Fazit des Berichts. Stattdessen seien die Zuständigkeiten für den Tunnel verteilt gewesen. Das habe eine „Gesamtaufgabenwahrnehmung“ verhindert - dadurch sei es dann zu den technischen Mängeln und der überraschenden Sperrung gekommen. „Wir waren zu kleinteilig unterwegs“, erklärt Kurz, der seit 2007 an der Spitze der Verwaltung steht.

Hat sich die Stadtverwaltung also nicht genug um den Unterhalt des Tunnels gekümmert?

Diesen Vorwurf weist der Bericht explizit zurück. Das Bauwerk sei regelmäßig gewartet und modernisiert worden, so Kurz. Aber auch regelmäßige Wartung bewahre nicht davor, dass der Tunnel mit seiner Ausstattung irgendwann nicht mehr den Vorgaben entspreche, die sich im Lauf der Zeit eben auch geändert hätten. Der Tunnel ist laut Bericht 1994 „unter Beachtung der Standards der damals gültigen Richtlinien für die Ausstattung und den Betrieb von Straßentunneln“ gebaut worden. Außerdem habe der TÜV Südwest den Tunnel abgenommen „und im Rahmen eines Abnahme-Prüfberichts auch die Lüftungsanlagen untersucht“.

Im Jahr 2006, also zwölf Jahre nach der Eröffnung, hat der Bund eine neue Tunnel-Richtlinie erlassen. Die empfahl damals für Tunnel eine Risikoanalyse, gegebenenfalls technische Neuerungen und explizit Brandrauchtests. Warum wurde das im Fahrlachtunnel nicht durchgeführt?

Das begründet die Stadtverwaltung mit einer einigermaßen überraschenden Antwort. Der Fahrlachtunnel sei zu dieser Zeit „zu gut“ ausgestattet gewesen, erklärt der Compliance-Beauftragte Soylu. Die Verwaltung habe damals keinen Handlungsbedarf gesehen. Oberbürgermeister Kurz sagt, in der Verwaltung sei zwischen 2006 und 2020 möglicherweise ein „grundlegender Veränderungsbedarf“ im Tunnel erkannt, aber nicht an die Spitze des zuständigen Dezernats weitergegeben worden.

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Das Dezernat des langjährigen Baubürgermeisters Lothar Quast war größtenteils maßgeblich verantwortlich für den Tunnel. War er an der Aufarbeitung beteiligt?

Nein. Hofen-Stein erklärt zwar, man habe auch frühere Mitarbeiter kontaktiert, wo man das für dienlich erachtet habe. Quast habe allerdings nicht dazugehört.

Wie will die Stadtverwaltung verhindern, dass so etwas wie mit dem Fahrlachtunnel noch einmal passiert?

Eine Reaktion müsse sein, die Kultur eines offenen Ansprechens von Fehlern innerhalb der Verwaltung zu stärken, sagt der Oberbürgermeister. Im Bericht heißt es dazu: „Zu einem frühzeitigen Aufdecken von Fehlentwicklungen und Missständen ist die Verwaltungskultur von entscheidender Bedeutung. Die Stadt Mannheim hat mit der Erstellung der Leitlinien für Führung, Kommunikation und Zusammenarbeit eine wichtige Grundlage hierfür geschaffen. Im Rahmen der aktuellen Überarbeitung der Leitlinien liegt der Fokus unter anderem auf der Sicherstellung angstfreier Diskussionen in geschützten Räumen als Voraussetzung einer positiven Fehlerkultur.“

Und wie geht es nun mit dem Tunnel langfristig weiter?

Ab 2026 ist nach jetzigem Stand eine Generalsanierung des Tunnels geplant. Sie soll vier Jahre dauern. Ziel ist es nach Angaben von Hofen-Stein, während dieser Zeit eine erneute Vollsperrung zu vermeiden.

Wie sieht es eigentlich mit den Brücken in Mannheim aus? Drohen da ähnlich böse Überraschungen wie damals beim Fahrlachtunnel? Und möglicherweise gar Sperrungen?

Kurzfristig kann da die zuständige Bürgermeisterin Diana Pretzell Entwarnung geben. „Wir haben mit Ausnahme der Diffenébrücke keine Brücke, die so komplex ist wie der Fahrlachtunnel.“ Bei den knapp 100 städtischen Brückenbauten in Mannheim gebe es ein „sehr engmaschiges Monitoring“, erklärt sie. Aber langfristig gebe es natürlich Handlungsbedarf. Die Brücken stammten überwiegend aus den 1950er Jahren und müssten saniert werden. „Wir werden das entsprechend abarbeiten.“ Der Oberbürgermeister betont, dass die Zunahme des Schwerlastverkehrs diesen Handlungsbedarf verstärke. „Ein 40-Tonner belastet eine Brücke so stark wie 100 000 Autos.“

Redaktion Stellvertr. Leiter der Lokalredaktion Mannheim

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

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