Mannheim. Der Esstisch ist reichlich gedeckt und das Wohnzimmer liebevoll dekoriert. Auf dem Regal steht ein Ramadan-Kalender. Er hat - ähnlich wie ein Adventskalender - 30 Türchen und ist gefüllt mit Schokolade und Gummibärchen. In jedem Türchen finden die muslimischen Kinder auch eine Frage zu ihrer Religion: So beispielsweise, wie die zweite Säule des Islam lautet. Abends kommt die Familie zusammen, betet und isst gemeinsam.
So läuft das tägliche Fastenbrechen während des Ramadan bei Fouzia Hammoud und ihrer Familie im Herzogenried ab. Der Fastenmonat der Muslime beginnt am Sonntagabend. Etwa vier Wochen dürfen sie dann tagsüber nichts essen und trinken. Hammoud wurde in Marokko geboren und kam vor 22 Jahren nach Deutschland. Der Ramadan ist für sie als gläubige Muslima seit jeher ein sehr wichtiger Monat. Sie sei zu dieser Zeit nah an Gott und denke auch mehr an die Armen. Durch das Fasten am Tag bekomme sie selbst ein Gefühl davon, wie es sei, kein Essen und Trinken zu haben, sagt Hammoud. Deswegen spendet sie - wie andere Muslime - am Ende des Fastenmonats Geld an Bedürftige.
Effekt des Ramadan: "Man kommt runter vom Stress des Lebens"
Für die Marokkanerin hat der Verzicht aber auch etwas Friedliches: „Man kommt runter vom Stress des Lebens. Man sitzt da und denkt: Menschen sterben, und auch wir werden älter. Man sollte nicht durch das Leben rennen.“ Deswegen genieße sie auch die Zeit mit ihren beiden Töchtern so sehr. Wenn kein Ramadan ist, komme es oft vor, dass jeder aus der Familie alleine esse oder mit Freunden in ein Restaurant gehe. Auch seien alle hauptsächlich mit sich selbst beschäftigt. Denn Hammoud hat im Alltag viel zu tun. Sie ist Migrationsbeirätin und Vorsitzende des Vereins „Arabisches Haus“. Der Verein unterstützt neu Zugewanderte und klärt sie unter anderem über Behördengänge, Sprachkurse und Ausbildungen auf.
Ramadan
- Der Ramadan beginnt dieses Jahr am Abend des 10. März und endet am Abend des 9. April. Danach findet das dreitägige Fastenbrechfest Id al-Fitr, im Türkischen auch Bayram oder Zuckerfest, statt.
- Die Fastenzeit beginnt täglich bei der Morgendämmerung und endet beim Sonnenuntergang. Während dieser Zeit dürfen Muslime nicht essen, trinken, rauchen oder Geschlechtsverkehr haben.
- Laut dem Zentralrat der Muslime in Deutschland sollen alle ab der Geschlechtsreife fasten. Von der Fastenpflicht befreit sind alte und kranke Leute, Reisende, Schwangere, menstruierende Frauen und Frauen im Wochenbett.
Der Ramadan ist jedoch besonders. Da nimmt sich Fouzia Hammoud mehr Zeit für ihre Familie: Abends kocht und isst sie mit ihren Töchtern zusammen - ohne Handy und mit guten Gesprächen: „Ramadan ist ein Familienevent für mich.“
So reagiert der Körper auf den Verzicht auf Essen und Trinken
Dass sie am Tag auf Essen und Trinken verzichtet, mache ihr nicht viel aus: „Der Körper gewöhnt sich daran, wenn der Kopf es akzeptiert hat.“ Sie verspüre keinen Durst oder Hunger, obwohl sie normalerweise morgens immer etwas essen müsse, wenn kein Ramadan ist. Am meisten freut sie sich aber auf Iftar, das tägliche Fastenbrechen nach Sonnenuntergang: „Das macht Spaß. Man kommt nach Hause und kann das Essen vorbereiten.“ Auf dem Esstisch stehen jeden Abend Datteln, eine Suppe und etwas Süßes. Ansonsten probiert Hammoud gerne neue Rezepte aus oder kocht spezielle Gerichte nur für den Ramadan. Später geht sie dann schlafen, jedoch schläft sie nicht durch: Um zwei bis drei Uhr steht sie auf, um Wasser zu trinken und manchmal eine Kleinigkeit zu frühstücken.
Auch das Fastenbrechfest - oft Zuckerfest genannt - am Ende des Ramadan feiert Hammoud meistens zuhause: Sie ziehe sich schick an, lade Familie und Freunde ein und verbringe einen schönen Tag mit gutem Essen und Musik. Die Kinder - und so auch ihre beiden erwachsenen Töchter - bekommen Geschenke. Für diesen Feiertag nimmt sich die Vereinsvorsitzende auch gerne frei, jedoch feiert sie nur am ersten Tag des dreitägigen Zuckerfests.
Altay Ergün freut sich auf das "Gemeinschaftsgefühl" während des Ramadan
Auch der 26-jährige Altay Ergün fastet jedes Jahr im Ramadan. Im Gegensatz zu Hammoud verändert er seine alltägliche Routine jedoch nicht viel. Denn der Mannheimer mit türkischen Wurzeln verbringt Iftar unter der Woche meistens mit seiner Ehefrau. Dabei gebe er sich beim Essen zubereiten nicht mehr Mühe als im restlichen Jahr, sagt er. Der einzige Unterschied sei die Uhrzeit: Während des Ramadan esse er meist später als sonst. Am Wochenende hingegen lade er oft Freunde und Familie ein oder werde eingeladen.
So hat der Student an nur einem Samstag im gesamten Fastenmonat noch nichts vor: „Normal lade ich jedes Wochenende vielleicht einmal ein oder werde eingeladen. Am Ramadan ist es dann dreimal am Wochenende.“ Die Treffen sind für Ergün das beste am Fastenmonat: „Ich freue mich auf das Gemeinschaftsgefühl. Das ist auch sonst da, aber das verstärkt sich am Ramadan.“ Das Fasten am Tag fällt Ergün leicht. Er bekomme nur ab und zu Durst, wenn er Sport mache, erzählt er. Das nehme er aber gerne in Kauf, denn der Ramadan bedeute ihm viel. Man lerne das Leben wertzuschätzen, geduldig zu sein und sich mehr zurückzuhalten, da Muslime im Fastenmonat beispielsweise auch nicht fluchen sollen.
Ramadan: Warum Probor Insan jeden Abend in die Moschee geht
Der 23-jährige Mannheimer Probor Insan legt während des Ramadan den Fokus nicht auf das Essen und Trinken. Stattdessen wolle er seine Verbindung zu Gott stärken, beispielsweise indem er im Fastenmonat den Koran mehr lese. Für den Student mit Eltern aus Bangladesch geht es besonders um Selbstreflexion: „Man soll den Monat nutzen, um sich selbst zu optimieren und das auch so weiterführen, um ein besserer Mensch zu sein.“ Insan hat sich so dieses Jahr vorgenommen, auf eine ausgewogene Ernährung zu achten und geduldiger zu werden.
Am Ramadan geht der Student auch jede Nacht in die Moschee, um eine Stunde dort zu beten. Vorher feiert er Iftar: Manchmal mit seiner Familie, ab und zu mit vielen Muslimen in einer großen Halle und sonst auch gerne mit nicht-muslimischen Freunden zusammen.
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