Mannheim. Das Gewusel auf dem Willy-Brandt-Platz ist tagsüber eigentlich immer hektisch. Passt man nicht auf, kommt man - mit dem Handy in der Hand, dem Kopfhörer im Ohr oder einem generell suchenden Blick - schnell anderen in die Quere. Allemal, nachdem die Haltestellen der Straßenbahngleise im Zuge der Umgestaltung verlegt worden sind und Passagiere auch mal gehetzt vom einen Ausstieg zum anderen Einstieg über den Platz rennen müssen.
Am Dienstagmorgen geht es auf dem Vorplatz allerdings noch enger zu als sonst. „Der Bahnhof ist komplett gesperrt“, ist immer wieder zu hören. Fragende Blicke. „Ein größerer Polizeieinsatz“, folgt meist als Begründung. „Nein, wir wissen leider nicht, wie lange der Einsatz noch dauert.“ Aha. Und nun? Viele warten zunächst vor der Halle, telefonieren, organisieren, erkundigen sich - andere machen direkt wieder kehrt. Steigen in eine der Straßenbahnen ein, die von der Sperrung nicht betroffen sind. Um den Platz herum stechen die vielen Fahrzeuge der Polizei ins Auge.
Nachdem gegen 7.30 Uhr ein herrenloser Koffer auf Gleis 7 und 8 entdeckt worden ist, wurden Bahnsteige und Bahnhofshalle vollständig gesperrt. Die Geschäfte im Gebäude sind geschlossen, und unter der großen Uhr an der Fassade informieren Angestellte der Bahn und Polizeibeamte, dass der gesamte Zugverkehr eingestellt sei.
Wenige Meter vor dem Haupteingang unterstützt die Bahnhofsmission ihre Kolleginnen und Kollegen. Die Gespräche verliefen friedlich, sagt eine Mitarbeiterin. „Viele sind natürlich genervt, aber trotzdem höflich und freundlich.“ Häufig werde gefragt, wie man weiterkomme. Die Bahnhofsmission empfiehlt dann die Straßenbahn - oder den Heidelberger Hauptbahnhof, wenn man den Fernverkehr nutzen müsse. „Wir machen das, was wir immer machen: Wir versuchen zu helfen“, sagt die Mitarbeiterin der Bahnhofsmission - und schon steht der nächste Mann vor ihr.
Gegen 11 Uhr ist noch immer nicht klar, was genau sich in dem Koffer befindet. Ein Sprengstoffspürhund hatte angeschlagen, weshalb man zum jetzigen Zeitpunkt eine Gefährdung jedenfalls nicht ausschließen könne, erklärt eine Sprecherin der Bundespolizei auf dem Lindenhofplatz. Auch auf der Rückseite des Bahnhofs kommen immer wieder Menschen, die den Tunneleingang nutzen wollen. „Im Moment geht das nicht“, hört man auch hier. Die Bundespolizei sei mit Spezialkräften im Einsatz, die den Koffer untersuchen und öffnen würden, erklärt die Sprecherin weiter. Auch die B36 zwischen Helmut-Schmidt-Brücke und Gontardstraße sei gesperrt, teilt die Polizei Mannheim am Vormittag mit.
Auf dem Willy-Brandt-Platz ist die Stimmung weiter schwer zu beschreiben. Bei vielen herrschen Frust und Resignation - gleichzeitig trifft man auf Verständnis und Galgenhumor. Die Gespräche zwischen Passagieren, Polizei und Bahn verlaufen, so der Eindruck, jederzeit friedlich. „Heutzutage ist man ja nirgends mehr sicher“, sagt eine ältere Frau. Sie wollte eine Freundin vom Zug abholen, um mit ihr auf das Buga-Gelände zu gehen. Wahrscheinlich sei der Zug nun nach Heidelberg umgeleitet worden. Ole dagegen will nach einer Dienstreise in Mannheim wieder Richtung Norddeutschland fahren. Der Geschäftsmann steht im schwarzen Anzug neben einem der Polizeiwagen. Dass er heute noch in Hamburg ankommt, bezweifelt er. „Was soll man machen“, fragt er nüchtern. „Vorsicht ist immerhin besser als Nachsicht.“
Was sich im Hauptbahnhof tut, ist, wenn überhaupt, nur zu erahnen. „Es gibt noch keine neuen Infos“, erklärt die Polizeisprecherin gegen Viertel nach elf auf dem Lindenhofplatz. Nach wie vor sei unklar, ob vom Koffer eine Gefahr ausgeht. Das werde noch immer festgestellt. Wie lange eine solche Feststellung in der Regel dauert? Auch das könne man pauschal nicht sagen.
Vor dem Hauptbahnhof treffen wir wieder Ole. Er hat sich dazu entschieden, noch ein bisschen zu warten, bevor er nach Heidelberg ausweicht. „Ob ich hier schwitze oder in der Straßenbahn ist egal“, sagt er. „Obwohl - hier bin ich zumindest an der frischen Luft.“
Wenig später, um kurz nach halb zwölf ist die Sperrung dann zunächst teilweise aufgehoben. Entwarnung. Spezialisten hätten den herrenlosen Koffer mit technischem Gerät geöffnet, erklärt die Sprecherin der Bundespolizei. Der Inhalt habe sich als nicht gefährlich erwiesen. Was in dem Koffer war, wisse sie nicht. Bis die Aufräumarbeiten abgeschlossen sind, blieben die Gleise sieben bis zehn weiter gesperrt, erklärt sie. Es werde nun ermittelt, wem der Koffer gehört. Am frühen Nachmittag waren alle Gleise wieder freigegeben.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-so-erging-es-den-menschen-am-gesperrten-mannheimer-hauptbahnhof-_arid,2092082.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-herrenloses-gepaeckstueck-am-mannheimer-hauptbahnhof-sperrung-aufgehoben-_arid,2091928.html
[2] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html
[3] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/heidelberg.html