Hubschrauberunglück - Nach Bericht im „MM“ meldet sich Notarzt Heinrich Hellweg / Er hat damals seinen Dienst getauscht und überlebt

Schicksalhafter Tausch rettet Notarzt das Leben

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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Unvergessen ist die Tragödie, als in der Nacht zum 5. Dezember 1994 ein Hubschrauber am Mannheimer Fernmeldeturm zerschellte. Zum 25. Jährungsdatum hat der „MM“ den vier abgestürzten Rettern eine Sonderseite mit aktuellen Recherchen zum damaligen Unfallhergang gewidmet. Jetzt meldete sich in der Redaktion Heinrich Hellweg - jener Notarzt, der damals einen jungen Kollegen gebeten hatte, seinen Einsatz zu übernehmen: ein schicksalsträchtiger Tausch, der ihm das Leben schenkte, aber seinem Freund nahm.

Wir treffen uns an der Gedenkstätte und damit an dem Ort, wo der Helikopter der SAR-Flugrettung in die Tiefe stürzte - mit ihm Pilot, Mechaniker sowie Luftsanitäter von der Bundeswehr und ein ziviler Notarzt. „Das Unglück ist zu einem Teil meines Lebens geworden“, erklärt der 59-jährige freiberufliche Anästhesist und Notfallmediziner. 1994 war er noch in der Hunsrück-Klinik Simmern angestellt. Einsätze mit der im Fliegerhorst Pferdsfeld stationierten „Bell UH 1 D“ vom Lufttransportgeschwader 61 liefen über das Rote Kreuz Rhein-Hunsrück, für das sich sowohl Heinrich Hellweg als auch der befreundete Uwe Pinnau, ebenfalls Narkosefacharzt, engagiert haben. „Ich bin so etwas wie Uwes notfallmedizinischer Ausbilder gewesen.“ Sowohl am 2. wie 3. Dezember 1994, blickt Hellweg zurück, habe ihn der „sehr kompetente“ Kollege bei Rettungsflügen als Hospitant begleitet.

Bilder bleiben unvergessen

Der 59-Jährige erzählt, was sich aus seiner Sicht in der Unfallnacht ereignet hat: Abends rief ihn die SAR-Leitstelle an, weil eine Patientin mit Hirnblutung von Pforzheim ins Uni-Klinikum Heidelberg verlegt werden sollte. Hellweg sagte zwar zu, fragte aber Uwe Pinnau, ob dieser „Zeit und Lust“ für seinen ersten Solo-Noteinsatz in der Luft habe - „ich musste nämlich nächsten Morgen in Limburger Hof das Staatsexamen von 20 Rettungsassistenten abnehmen“. Wenig später holte der Helikopter-Pilot den 28-jährigen Mediziner in Simmern auf dem beleuchteten Landeplatz ab.

Als die „Bell UH 1 D“ um 3.28 Uhr an die (vermutlich von Wolken umhüllte) Spitze des Fernmeldeturms prallte, befand sich das Rettungsteam bereits auf dem Rückflug. Hellweg erfuhr um 5.30 Uhr über seine damalige Frau von dem Absturz - sie war angerufen worden, weil der Name ihres Ehemannes auf der Liste stand. Hellweg, der sofort vom pfälzischen Limbuger Hof zur Unglücksstelle fuhr, hat die dortigen Bilder der Zerstörung nie vergessen.

Gespräch mit Mutter versäumt

Der 59-Jährige erzählt, dass einige Tage zuvor Mitglieder der Schnelleinsatzgruppe des DRK Emmelshausen, darunter auch Uwe Pinnau, an einem besonderen Seminar teilgenommen hatten - Thema: „Was ist, wenn einer von uns im Einsatz stirbt?“ Und genau das sollte eine Woche später eintreffen! Im Laufe der seelsorgerischen Unglücksnachsorge sei die Idee entstanden, eine Gedenkstätte zu schaffen - von offizieller Seite „hat sich da nichts getan“. Über Beziehungen eines väterlichen Freundes, so Hellweg, spendete ein Steinbruchunternehmer aus dem Westerwald drei „seiner schönsten“ Basaltsäulen. Den Transport übernahm unbürokratisch eine Bonner Bundeswehr-Logistikeinheit. Die Bronzeplakette mit den vier Namen stifteten Kameraden des Lufttransportgeschwaders. Außerdem erklärte sich die Stadtparkgesellschaft bereit, die Stelen zu setzen.

Kann Heinrich Hellweg nachvollziehen, dass bei der Übergabe des Mahnmals die optische Symbolik - drei steinerne Säulen für vier Absturzopfer - bei so manchen Angehörigen, insbesondere bei der Mutter des jungen Notarztes, für Irritationen, ja Empörung, gesorgt hat? „Natürlich kann ich das!“ Er hätte damals besser kommunizieren sollen, sinniert Hellweg, dass die Basaltsteine „als Ensemble an vier großartige Menschen erinnern sollen“. Rückblickend bedauert der 59-Jährige, ein Gespräch mit der Mutter versäumt zu haben. „Ich habe es damals einfach nicht hingekriegt“, räumt er offen ein. Dass ihn das Schicksal verschonte, aber seinen eingesprungenen Freund aus dem Leben katapultierte - „damit musste ich erst einmal klar kommen“.

Das Basaltstein-Trio empfindet er auch als Sinnbild für die drei Säulen des Rettungsdienstes: Medizin-Taktik-Technik. Seit der Unglücksnacht gelte für ihn das Luftretter-Motto „Damit andere überleben können“. In dem Arbeitszimmer des Notfallmediziners aus Leidenschaft hängt ein kleines Trümmerstück des zerschellten Hubschraubers - „als Mahnung, dass unsere Tätigkeit, stets mit dem Risiko verknüpft ist, selbst zum Opfer zu werden“.

Tragödie am Fernmeldeturm

  • Der Bericht ist zwar nie veröffentlich worden, aber zum 25. Jahrestag des Hubschrauberunglücks hat der einstige Leiter des Bundeswehr-Ermittlungsausschusses, Oberstleutnant Ernst Kutzbach a. D., mit dem „MM“ gesprochen. Dabei nannte er „eine unglückliche Verkettung von Ereignissen“ sowie den „Faktor Mensch“ als Unfallursachen.
  • In den Tod flogen damals drei Bundeswehrangehörige (Pilot, Mechaniker und Luftsanitäter), außerdem ein ziviler Notarzt. Die Patientin mit Hirnblutung war vorher im Heidelberger Uniklinikum übergeben worden.
  • Die Besatzung befand sich auf dem Heimflug Richtung Hunsrück
Mannheimer Stadtgeschichte

Hubschrauber zerschellt am Fernmeldeturm

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