Mannheim. „Halt!“, ruft einer der Männer, „Stopp“ ein anderer, dann „weiter, weiter“, kurz darauf „Vorsicht!“. Es wird gezogen, geschoben, gedrückt, bis zu den erlösenden Worten von Philipp Gros, wissenschaftlicher Projektkoordinator der Reiss-Engelhorn-Museen: „Alles gut!“, sagt er. „Europasaurus holgeri“ steht da, wo er stehen soll. Die Rekonstruktion des Sauropoden ist dort angekommen, wo sie ab 12. Oktober im Museum Weltkulturen eine Attraktion in der Ausstellung „Saurier – Faszination Urzeit“ darstellen wird.
„Wir haben sie gut um die Engstellen gekriegt“, ist Wilfried Rosendahl, Generaldirektor der Reiss-Engelhorn-Museen, erleichtert. Darüber machen er und sein Aufbauteam sich zunächst schon Sorgen, denn das Exponat muss an einigen Ecken vorbei, durch Türen und Gänge.
Natascha Stoni hat die eigens angefertigte, für Mannheim nur ausgeliehene Dinosaurier-Rekonstruktion bei einer Firma in der Nähe von Hannover abgeholt, die sonst Modelle bekannter Dinosaurier wie Stegosaurus, Triceratops, Diplodocus und T-Rex für Dino-Parks oder Freizeitparks herstellt. Stoni fährt für die österreichische Spedition Temmel. „Mit der haben wir schon gute Erfahrungen gemacht“, sagt Philipp Gros, als sie bei der Tournee der Mannheimer Ausstellung Eiszeit-Safari Exponate transportiert habe. Daran hat die 28-jährige Fahrerin („Ich fahre schon acht Jahre“, sagt sie) eine besondere Erinnerung. Als man sie bei einer Polizeikontrolle nach ihrer Ladung gefragt habe, hätte sie wahrheitsgemäß Säbelzahntiger und Urzeitpferd genannt – die Beamten hätten ihr das aber erst nicht geglaubt. War aber so.
Diesmal ist sie am Mittwoch ohne Kontrolle bis zum Autohof Schwegenheim gekommen, um dann am Donnerstagfrüh zum Museum zu fahren. Mit Leichtigkeit steuert sie den 18 Meter langen 40-Tonner zum Hintereingang, setzt sich dann in den Gabelstapler und hievt die Dino-Rekonstruktion von der Ladefläche.
Größtes Landlebewesen war Pflanzenfresser
Sieben Meter lang ist sie, drei Meter hoch, 120 Kilogramm schwer. „Wir wollten ein großes Objekt“, sagt Rosendahl, „aber nicht alle waren für uns museumstauglich“. Schon beim „Europasaurus holgeri“ bangen er und sein Team ja, ob er um alle Ecken passt: „Da brauchen wir viel Fingerspitzengefühl“, so der Generaldirektor.
Der echte Europasaurus hat vor 154 Millionen Jahren auf einer kleinen Insel im heutigen Niedersachsen gelebt. „Da war eine Lagune, tropisch-karibisches Klima“, so Rosendahl. Das Tier zählt zur Gruppe der Sauropoden (Echsenfüßer) – den größten Landlebewesen, die es je gab. Sie hatten einen tonnenförmigen Körper auf vier säulenförmigen Beinen, einen langen Hals, einen langen Schwanz und einen sehr kleinen Kopf und waren ausnahmslos Pflanzenfresser. Eigentlich erreichten sie Längen von 35 von 40 Metern und ein Gewicht von über 70 Tonnen. Der Europasaurus sei für einen Sauropoden recht klein. Rosendahl nimmt an, dass es sich um eine Größenanpassung an die begrenzten Nahrungsressourcen auf den Inseln gehandelt habe. Man spreche von einer „Inselverzwergung“.
Massensterben durch Meteoriteneinschlag
Gefunden wurde das Original einst vom Hobby-Paläontologen Holger Lüdtke im Kalksteinbruch Langenberg bei Goslar – daher der Beiname „holgeri“ als Ehrung seines Entdeckers. Insgesamt 1300 Knochenfunde habe man da bisher gemacht, Skelette von Babys und Jungtieren wie erwachsener Tiere. Laut Rosendahl gehen Forscher daher davon aus, dass mit einem Schlag dort die gesamte Kolonie getötet worden sei. Die Ursache des Massensterbens der Saurier, ein Meteoriteneinschlag vor 66 Millionen Jahren, ist auch Thema der Ausstellung.
200 Exponate werden insgesamt zu sehen sein – zurück bis 3,8 Milliarden Jahre, denn so alt ist die älteste Lebensspur der Welt in Algen. Sie stammt aus Australien und kommt als Leihgabe nach Mannheim. „Wir zeigen eine lebendige Mischung aus Originalfunden und Skelettrekonstruktionen“, kündigt Rosendahl an. Die Ausstellung werde „ein Erlebnis für Saurierfans aller Generationen“, verspricht er.
Ganz viele Funde stammten aus Baden-Württemberg, etwa dem Odenwald, oder der Pfalz. Viele kämen aus Kiesgruben. „Sie sind Fenster der Erdgeschichte“, so Hauptgeschäftsführer Thomas Beißwenger vom Industrieverband Steine und Erden Baden-Württemberg (ISTE) und der Initiative KiWi Kieswirtschaft im Dialog am Oberrhein. Daher fördere man gerne die Ausstellung, „weil unsere Rohstoffe wie Kalkstein und Schiefer auch seit Jahrmillionen in der Erde liegen und durch die Gewinnung erst viele Entdeckungen möglich wurden“, so Beißwenger. Die Rohstoffe seien nötig, um den Bedarf der Bevölkerung für Häuser, Straßen oder Schienen zu decken. „Jeder von uns braucht ein Kilo Steine pro Stunde“, rechnet Beißwenger vor.
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