Stadtgeschichte

„Roland Hartung – Innovator und Stadtpatriot“: Ein Film über ein Lebenswerk

Er war höchst streitbarer, oft polternder Kommunalpolitiker, hat dann als erfolgreicher MVV-Chef Mannheims Vermögen gemehrt: Roland Hartung. Ein Film zeigt nun Beweggründe und noch mehr Seiten seines Engagements.

Von 
Peter W. Ragge
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Im Marchivum hatte der Film „Roland Hartung – Innovator und Stadtpatriot“ Premiere, der das Lebenswerk des langjährigen Kommunalpolitikers und MVV-Chefs zeigt. © Christoph Blüthner

Mannheim. Dieses kämpferische Naturell, diese ausgeprägte Lust am Widerspruch, sein unbeugsamer Mut und sein erfrischend-spitzbübischer Humor – sie blitzen immer wieder auf, auch mit 89 Jahren. Und jetzt ist all das für immer festgehalten. „Roland Hartung – Innovator und Stadtpatriot“ heißt das filmische Porträt über das Mannheimer Original, das als Kommunalpolitiker, MVV-Vorstand und durch ehrenamtliches Engagement die Stadt über Jahrzehnte nachhaltig geprägt hat. Im Marchivum ist der Film, ein Zusammenschnitt aus acht Stunden Material, nun erstmals gezeigt worden.

„Eine Welturaufführung“, so Marchivum-Direktor Harald Stockert stolz, „das haben wir nicht so oft im Marchivum.“ Aber Hartung sei ein „idealer Zeitzeuge“, gerade weil der Film auch seine Emotionen deutlich mache. Und von solchen Emotionen weiß dann auch Oberbürgermeister Christian Specht zu berichten – etwa, dass er bei Hartungs lautstarken Anrufen manchmal meterweit den Telefonhörer vom Ohr weggehalten habe. „War halt nötig“, ruft Hartung da dazwischen.

Oft polternd und mit dem Herz am rechten Fleck

„Zupackend, anpackend, immer vermittelnd“ sei Hartung gewesen, lobt der Oberbürgermeister und erinnert daran, dass er bei Debatten oft „polternd“ aufgetreten und polarisierend gewesen sei: „Er war mit Inbrunst bei der Sache, hat das Herz an rechten Fleck“, so Specht. Würde man Hartung mit einem Fußballspieler vergleichen, könne man ihm Kraft, Spielraffinesse und Spielintelligenz bescheinigen: „Er hat keinen Zweikampf gescheut.“ Nach seiner Ära in der Kommunalpolitik sei Hartung als Chef der MVV das Husarenstück des Börsengangs gelungen. Damit habe er „das Vermögen der Stadt wie kein Zweiter gemehrt“, dankt der Oberbürgermeister.

Aber Hartungs Lebenswerk für Mannheim umfasst eben mehr als Gemeinderat und MVV, und das macht der Film besonders gut deutlich. Ermöglicht haben ihn der Verein Volkshochschul-Kuratorium, der Freundeskreis Marchivum und die Heinrich-Vetter-Stiftung. Adrian Tavaszi, bei der Entstehung des Films Abteilungsleiter Gesellschaft und Politik der Mannheimer Abendakademie, hat dazu mit Hartung an verschiedenen Orten seines Wirkens gesprochen, viel Archivmaterial gesichtet und Zeitzeugen befragt. Entstanden ist so ein Porträt, das Hartung wirklich gut gerecht wird, weil die Beweggründe für sein immenses Engagement deutlich werden.

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Die Mutter aus einer alteingesessenen Käfertaler Bauernfamilie stammend, der Vater Finanzchef beim Strebelwerk in Österreich, wächst er einige Jahre dort auf, kommt dann in das völlig vom Krieg zerstörte Mannheim zurück. Das Gymnasium besucht er in Viernheim. Wenn man sich entsprechend verhalten habe, habe man da Ohrfeigen bekommen, „es waren mehrere bei mir“, sagt Hartung und schmunzelt trotzdem. Ob in der Schule oder als Leichtathlet beim VfR, er habe es „immer schwer gehabt, mich in eine Ordnung zu fügen“.

Mit 18 Jahren tritt er der Jungen Union bei, mit 21 der CDU, mit 29 kommt er als Jüngster in den Gemeinderat. „Man hat mich in die letzte Reihe gesetzt, da habe ich eben von hinten Ärger gemacht“, bemerkt Hartung trocken. 1970 wird er Fraktionsvorsitzender, 1975, 1980 und 1983 OB-Kandidat. 1983 ist der Sieg zum Greifen nah. Aber als die damals neue Bundesregierung unter Helmut Kohl die Renten kürzt, sei sein Wahlkampf „völlig kollabiert“ und es sei ihm schwergefallen, „mein Selbstbewusstsein zu bewahren“, bekennt er offen.

Aus der ersten Reihe der Kommunalpolitik zieht er sich dann zurück, wird aber an die Spitze der MVV berufen. Als zuvor selbstständiger Rechtsanwalt nun ein Unternehmen zu führen, sei kein Problem gewesen. „Ich habe die CDU-Fraktion geleitet, das war in manchen Dingen schwieriger“, erklärt Hartung süffisant. Zunächst gelingt ihm mit dem Konzept „MVG 2000“ die Schaffung einer völlig neuen Struktur für den Öffentlichen Nahverkehr und der Bau der lange versäumten Strecke nach Neckarau, dann der Börsengang und der Wandel der MVV von Stadtwerken zum hochprofitablen, international agierenden Energiekonzern.

Aber am Herzen liegt ihm auch immer die Abendakademie. Ihre heutige Rechtsform als GmbH, seit 1980 getragen von der Stadt Mannheim und dem Verein Volkshochschul-Kuratorium als Vertreter der Bürgerschaft, war Hartungs Werk. Auch den 2009 bezogenen, gegen Widerstände durchgesetzten Neubau in U1 verdankt die Volkshochschule seinem beharrlichen Einsatz. Als Pensionär setzt er sich intensiv mit der Geschichte auseinander, vor allem mit der Zeit des Nationalsozialismus und dem Widerstand, und hält Vorträge, entreißt etwa Paul Eppstein (ehemaliger Volkshochschulleiter in Mannheim und dann Judenältester im Ghetto Theresienstadt) und Jesuitenpater Alfred Delp dem Vergessen. Hartung kämpft und wirbt für die Hospizbewegung, und mit seiner Hartung-Matinee verhilft er der oft vernachlässigten leichten Muse zu ihrem Recht.

Börsengang der MVV Energie AG als Jahrhunderttat Roland Hartungs

„Was er machte, hätte vier Leben ausgefüllt“, zollt nach dem Film Dietmar von Hoyningen-Huene Hartung großen Respekt. „Wir haben eine Sternstunde erlebt“, kommentiert er den Film. Der frühere Rektor der Hochschule ist als Vorsitzender des Volkshochschul-Kuratoriums über Jahrzehnte Hartungs enger Mitstreiter für die Interessen der Abendakademie gewesen, bis sich 2024 dort andere politische Mehrheiten durchgesetzt haben. „Er hat immer gekämpft für die Volkshochschulen, an vorderster Front“, so Hoyningen-Huene über Hartung. Zudem sei ihm nach langjährigen kommunalpolitischen Verdiensten „mutig und mit Leidenschaft“ mit dem Börsengang der MVV Energie AG eine „Jahrhunderttat von herausragender Bedeutung“ gelungen, würdigt er Hartungs Einsatz.

Hartung selbst gesteht, dass er der Idee eines Films erst skeptisch gegenübergestanden habe – aber sich nun gut dargestellt fühlt. „Vor Autoritäten habe ich nie Angst gehabt“, fasst er zusammen, ehe ihm viele alte Weggefährten zu dem Film und seiner Lebensleistung gratulieren.

Redaktion Chefreporter

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