Mannheim. Ein Hamster als Maskottchen für harte Eishockey-Cracks? Auswärtige Besucher verstehen manchmal bis heute nicht, warum die Adler sich das possierliche Nagetier als plüschigen Wegbegleiter ausgesucht haben, obwohl ihr Wappentier doch ein stolzer Greifvogel ist. Ein Blick in die Geschichte der SAP Arena erklärt es, denn fast hätten Hamster den Bau vom neuen Adlerhorst verhindert. Aber auch die Finanzierung, der Lärmschutz und am Schluss sogar eine Strafanzeige sind hohe Hürden vor der nun 20 Jahre zurückliegenden Einweihung der Arena.
1997, 1998, 1999 und 2001 werden die Adler, wie sich die in eine Gesellschaft umgewandelte Profimannschaft des MERC seit Einführung der Deutschen Eishockey-Liga 1994 nennt, Meister. Aber der Höhenflug gerät an Grenzen, denn das alte Eisstadion im Friedrichspark ist zu klein für den Zuschauerandrang, zu veraltet, zu marode und es fehlt alles, was man für modernen, professionellen Spitzensport braucht – etwa VIP-Logen.
Ein Neubau muss also her – aber wohin und wie finanzieren? Zunächst gibt es in der Kommunalpolitik eine kontroverse Debatte um einen möglichen Standort. Das damals brach liegende Postareal am Hauptbahnhof wird vorgeschlagen und lange, da innenstadtnah, favorisiert, der Neue Messplatz erörtert, gar ein Ausweichen nach Ludwigshafen erwogen. Denn schnell steht fest, dass nicht einfach ein Eisstadion neu entstehen soll, sondern eine moderne Multifunktionshalle, nutzbar für mehrere Sportarten, für Konzerte, Messen und andere große Events.
Familie Hopp finanziert den Bau der SAP Arena, die Stadt die Infrastruktur
Die Entscheidung fällt dann im Juni 2001 für das Bösfeld – die Felder südlich der Autobahn in der Nähe vom Maimarktgelände, das im Gewann Mühlfeld liegt. Die Grundstücke muss die Stadt freilich erst von zahlreichen privaten Eigentümern erwerben: Zwölf Millionen Euro gibt sie dafür aus. Doch am 30. Juli 2002 beschließt der Gemeinderat, das Areal in Erbpacht der Familie Hopp für den Bau einer Multifunktionsarena zur Verfügung zu stellen.
Die Pläne dafür werden am 17. September 2002 vorgestellt. Danach sollen nicht nur die Adler und die Handballer der Löwen als Hometeams den 10.000 bis 15.000 Plätze bietenden Neubau nutzen, sondern bereits im ersten Jahr noch mindestens 35 weitere Veranstaltungen wie Konzerte, Boxkämpfe und Messen stattfinden. SAP-Mitgründer Dietmar Hopp und sein Sohn Daniel, Gesellschafter der Adler, erklären sich gegenüber dem damaligen Oberbürgermeister Gerhard Widder und Sportdezernent Peter Kurz (beide SPD) bereit, den Bau vorzufinanzieren und selbst zu betreiben. Denn die Stadt, so ist zu dem Zeitpunkt schon lange klar, kann das Projekt nicht alleine stemmen.
Die Baukosten werden auf gut 100 Millionen Euro beziffert. Der Vertrag zwischen der Stadt und der Familie Hopp sieht vor, dass die Stadt aber nur insgesamt 65,67 Millionen Euro der Baukosten zurückzahlt: 30 Jahre lang, für die ersten zwölf Monate nach Fertigstellung 1,38 Millionen Euro, dann steigend um jährlich jeweils drei Prozent. Nach 30 Jahren geht die Arena mit all den bis dahin erfolgten laufenden Investitionen in den Besitz der Stadt über, erklärt Christian Specht (CDU), als Nachfolger von Norbert Egger ab 2005 Stadtkämmerer, das Geschäft. Die Stadt spare also einen Teil der Baukosten plus die Zinsen.
Feldhamster müssen umgesiedelt werden – und beschäftigen Mannheim bis heute
Dennoch muss Geld für das Projekt Arena in den Etat eingestellt werden – und dafür andere geplante Ausgaben, etwa die Erschließung vom damals „Mannheim 21“ genannten Glücksteinquartier, verschoben werden. 58,7 Millionen, davon abzüglich der Bundes- und Landeszuschüsse nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz 13,3 Millionen für die Stadt, kostet die Anbindung der neuen Arena an das Stadtbahnnetz. Davon profitieren aber auch Maimarkt und Neuhermsheim, denn damit ist der zuvor oft geforderte, aber als nicht finanzierbar bezeichnete Ringschluss der Linie 6 möglich.
Weitere 35,7 Millionen Euro entfallen auf 2000 neue Parkplätze, Straßen und Brücken, aber auch das Thema Feldhamster. Weil die im Bösfeld siedeln, jedoch unter strengem Artenschutz stehen, fließen in ein Umsiedlungs- und Neuansiedlungsprojekt für die Nager nach Straßenheim eine Million Euro. Und das ist nicht alles. Die Stadt Mannheim muss seit nun 20 Jahren für ein Artenhilfsprogramm mit einer eigens eingerichteten Zuchtstation im Heidelberger Zoo rund 120.000 Euro pro Jahr zur Verfügung stellen. Das Land Baden-Württemberg ergänzt diese Summe seit 2011 im Rahmen eines landesweiten Feldhamster-Schutzprojekts jährlich um rund 44.000 Euro.
Aber weil die Hamster von der Europäischen Union streng geschützt sind, hätten sie sonst tatsächlich den neuen Adler-Standort gefährden können. Naturschützer laufen ohnehin Sturm gegen die geplante Multifunktionshalle. Sie fürchten, durch den Neubau werde eine wichtige Frischluftschneise Richtung Innenstadt zugebaut. Die Bürgerinitiative BG Mühlfeld – Für den grünen Osten strengt gar eine Normenkontrollklage an und fordert, dass die Stadt statt einen Bau für „hoch bezahlte Sportsöldner“ mitzufinanzieren, sich auf die Daseinsvorsorge konzentriert und die Felder frei lässt von Bebauung. Ende 2003 scheitert sie aber vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg.
Naturschützer erstatten zwei Strafanzeigen, um die SAP Arena zu verhindern
Auch ein anderer juristischer Kniff, die Arena in letzter Minute durch die Hintertür zu verhindern, verfängt nicht. Im Juni 2003 stellt die Bürgergemeinschaft Mühlfeld Strafanzeige gegen Oberbürgermeister Gerhard Widder und Mäzen Dietmar Hopp. Bei vorbereitenden Arbeiten auf dem Gelände – der Suche nach Blindgängern – seien Hamsterbauten zerstört worden, behaupten sie. Das stelle ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz und das Bundesnaturschutzgesetz dar. „Absoluten Wahnsinn“ nennt Hopp das und sagt: „Wegen so einem Quatsch nehme ich mir sicher keinen Strafverteidiger!“ Die Staatsanwaltschaft stellt die Ermittlungen auch ein.
Mehr Erfolg hat ein einsam in der Nähe der Baustelle siedelnder Mann in einem kleinen Häuschen. Er schafft es, dass die Stadt sein Refugium mit einem Wall und einer Lärmschutzmauer vor Auswirkungen der Arena schützen muss.
Am 9. Dezember 2002 ist – auch wenn die endgültige Baugenehmigung noch fehlt und der Boden bei minus 12 Grad gefroren ist – der offizielle Spatenstich. Tatsächlich gehen die Erdarbeiten im Sommer 2003 los. Dazu werden 690 zehn bis zwölf Meter lange Rammpfähle im Bösfeld verankert, um die Lasten des Neubaus aufzunehmen. Am 15. Dezember 2003 legen die Familie Hopp und Vertreter der Stadt feierlich den Grundstein, am 17. September 2004 wird der Richtkranz unter dem fast komplett fertigen Hallendach aufgezogen.
Zur Einweihung kommen CDU-Ministerpräsident Günther Oettinger und der irische Star Ronan Keating, gefolgt von einem großen Benefizkonzert Mannheimer Stars um Rolf Stahlhofen und einem Handballspiel. Mit 30.000 Besuchern an den ersten drei Tagen besteht die Arena ihre Feuertaufe.
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