Mannheim. Seit dem vergangenen Jahr tobt der Streit über vier Straßennamen in Rheinau-Süd. Nach dem Willen der Verwaltung sollen sie verändert werden, weil dadurch bislang Repräsentanten kolonialistischen und rassistischen Denkens gewürdigt werden. Der ehrenamtliche „Arbeitskreis Kolonialgeschichte Mannheim“ hat alternative Vorschläge erarbeitet – wir stellen sie im Einzelnen vor.
Für die Änderung der vier umstrittenen, weil bislang Kolonialisten und Rassisten gewidmeten Straßennamen in Rheinau-Süd liegen seit Ende April konkrete Vorschläge auf dem Tisch. Erarbeitet hat sie der ehrenamtliche „Arbeitskreis Kolonialgeschichte Mannheim“. Der Präsentation folgte eine intensive Debatte, in der es allerdings zuweilen an Informationen fehlt. Als Diskussionsgrundlage stellen wir daher alle Vorschläge im Einzelnen vor.
Zum Hintergrund: Anlass der Diskussion ist die Absicht der Verwaltung – die damit mehreren Aufträgen des Gemeinderates nachkommt – , vier Straßen in Rheinau-Süd umzubenennen. Benannt sind sie bislang nach exponierten Vertretern des kolonialistischen und rassistischen Denkens vom Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts:
Theodor Leutwein: Von 1895 bis 1905 Gouverneur von Deutsch-Südwestafrika, leitet er zahlreiche gewaltsame Aktionen gegen die heimische Bevölkerung und wirkt als „herausragender Repräsentant des kolonialen Unrechtssystems“, so ein Gutachten der Universität Mainz.
Adolf Lüderitz: Mit betrügerischen Mitteln jagt der Kaufmann (1834-86) den Einheimischen Land ab, was als „Meilenschwindel“ in die Geschichte eingeht. Das Unrecht führt zu Aufständen, deren Niederschlagung mit Völkermord an den Hereros endet.
Gustav Nachtigal: Als Reichskommissar für Deutsch-Westafrika (1884) zwingt er den Einheimischen die Abtretung ihres Landes ab – durch die Androhung von Gewalt bis hin zur Geiselnahme.
Sven Hedin: Der Schwede (1865- 1952) propagiert die „germanische Rasse“, unterstützt die NS-Politik gegen Juden, spricht von „jüdischer Weltverschwörung.“ Einen Tag nach Hitlers Tod 1945 würdigt er ihn „als einen der größten Menschen, den die Weltgeschichte besessen hat. Aber sein Werk wird weiterleben.“
Während ausgerechnet die Benennung nach Hedin noch Mitte der 1980er Jahre erfolgte, gehen die übrigen drei Namen auf die Gründung der IG-Siedlung in den 1930er Jahren zurück. Die ebenfalls in Rheinau-Süd liegende Karl-Peters-Straße, benannt nach jenem Kolonialisten, der Menschen selbst ermorden ließ und deshalb den Beinamen „Hänge-Peters“ trug, wurde 2011 geändert – allerdings mit einem Trick: Um den Bewohnern nicht allzu großes Umgewöhnen abzufordern, wurde sie nunmehr nach dem Naturforscher Wilhelm Peters benannt.
Ein solches Vorgehen lehnt der Arbeitskreis Kolonialgeschichte im anstehenden Fall ab. Nach der negativen Vorgeschichte müssten die neuen Namen künftig „ein klares Signal gegen Gewaltherrschaft und Rassismus setzen“, heißt es vonseiten des Arbeitskreises.
Mit der von den Grünen im Gemeinderat initiierten Diskussion steht Mannheim übrigens keineswegs allein. In vielen Städten wird derzeit über kolonialistische Straßennamen diskutiert. Bremen etwa entschied sich für Zusatzinfos an den Straßenschildern. Über Lüderitz, immerhin Sohn der Hansestadt, heißt es dort: „Legte mit betrügerischem Landerwerb . . . die Grundlage für die spätere gewalttätige Kolonialherrschaft.“ 2018 beschloss Berlin die Umbenennung seines historischen Kolonialviertels mit Lüderitzstraße und Nachtigalplatz.
An vielen Stellen gibt es Widerstand der Anwohner, der jedoch ohne Folgen bleibt. „Klagen gegen Straßenumbenennungen sind meistens erfolglos“, schreibt die Advocard, einer der großen deutschen Rechtsschutzversicherer, auf ihrer Webseite: „Die persönliche Bindung der Anwohner zum alten Straßennamen, entstehende Kosten oder zu befürchtende Probleme bei der Nutzung von Navigationsgeräten sind keine Hinderungsgründe.“
Bezirksbeirat hat zugestimmt
Die Benennung von Straßen ist eines der ureigensten Rechte von Kommunen und ihrer gewählten Organe. Der Bezirksbeirat Rheinau hat einer Umbenennung grundsätzlich zugestimmt, über neue Namen wurde aber noch nicht gesprochen. Der Gemeinderat hat über die Umbenennung noch nicht beraten.
Die Vorschläge des Arbeitskreises wurden nach deren Bekanntgabe von der örtlichen Siedlergemeinschaft Rheinau-Süd abgelehnt. An jenem 27. April kündigte der Vorsitzende Hans Held an, „in Kürze eigene Vorschläge vorzulegen“. Dies ist allerdings noch nicht geschehen.
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