Mannheim. Im Sommer 2024 überschlagen sich die Schlagzeilen zum Mannheimer Messerattentat. „Polizist nach Messerattacke gestorben“, „Attentäter im Koma“ und „Wann kann er endlich verhört werden?“, heißt es. Die Pressestelle der Bundesanwaltschaft hält sich zunächst bedeckt, verweist auf die laufenden Ermittlungen. Wo diese sich damals bewegten, darum kreist der Prozess um die Attacke auf dem Marktplatz am Donnerstag am Oberlandesgericht (OLG) in Stuttgart. Seit Mitte Februar muss sich der Angeklagte Sulaiman A. (26) wegen Mordes, versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung aus islamistischen Motiven verantworten.
Während Journalistinnen und Journalisten spekulierten, wie es dem mutmaßlichen Täter im Sommer 2024 ging, versuchten die Mediziner damals, ihn schrittweise aus dem künstlichen Koma zurückzuholen. Ende Juni dann die Haftbefehlseröffnung, da hatten die Ermittler schon etliche Spuren zur Rekonstruktion des Verbrechens gesichert und mit ihrer Auswertung begonnen.
Ein LKA-Mitarbeiter spricht am Donnerstag über die ersten Schritte der Ermittler, die sich neben der Hausdurchsuchung bei Sulaiman A. und seinen Schwiegereltern zunächst auf zwei Mobiltelefone des Angeklagten konzentrierten. Auf eins, das er üblicherweise benutzte, und das bis heute nicht gefunden werden konnte. Und eins, das in seiner Tasche steckte, als er mit der Regionalbahn von Heppenheim, wo er wohnte, nach Mannheim fuhr. Morgens habe er seine SIM-Karte in das zweite Gerät eingelegt, sie aber schon bald wieder herausgenommen.
Identität von islamistischem Gelehrten bis heute ungeklärt
Vor der Tat soll Sulaiman A. versucht haben, seinen Telegram-Account über das Gerät zu löschen, was aber nicht vollständig funktioniert habe, weil er die SIM-Karte da bereits entfernt hatte. „Unsere Techniker haben es aber geschafft, durch Klonen des Mobilfunktelefons Zugriff auf seinen Telegram-Account zu bekommen“, sagt der Ermittler. Über 300 Chats fanden seine Kollegen darauf. Gespräche, die eine schleichende Radikalisierung nachzeichnen und die Ermittler zu einem Gelehrten mit den Initialen „OR“ führten, der Sulaiman A. motiviert und bestärkt, ihm die Erlaubnis gegeben haben soll, dass jeder Muslim „Ungläubige“ töten dürfe. Bis heute konnten die Ermittler die Identität von „OR“ nicht klären.
Hinweise auf direkte Kontakte mit Anhängern des sogenannten Islamistischen Staats (IS) konnten die Ermittler nicht nachweisen, aber Sulaiman A. soll sich in einem der Chats nach einem Sprecher der Terrororganisation erkundigt haben. Und: Neben seinem Haupttelefon gilt auch die SIM-Karte als verschwunden. Weil die Stadtreinigung bereits kurz nach der Tat auf dem Marktplatz anrückte, um die Blutspuren zu entfernen, blieb den Ermittlern nur ein kurzes Zeitfenster, um die SIM-Karte zu finden. Und dieses verstrich, bevor sie sie aufspüren konnten.
Dann fragt der Vorsitzende des Senats, Herbert Anderer, den LKA-Mitarbeiter, wie diese Ermittlungen für ihn gewesen seien. „Wie geht man damit um, wenn ein Kollege stirbt?“ Der Mann atmet tief durch. Seine Stimme bricht. „Es belastet.“ Wieder holt er tief Luft. „Es belastet immer noch.“
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