Mannheim. Es ist ein kurzer Prozess. Jedenfalls für die Öffentlichkeit, die nach Verlesen der Anklage den großen Saal des Landgerichts verlassen muss. Vor dem Schwurgericht geht es nämlich nicht allein um die unvermittelte Messerattacke eines 29-Jährigen und dessen 56 Stiche auf eine Fußgängerin am Kurpfalzkreisel, sondern auch um die Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung. Schon jetzt verbringt der berufslose Mannheimer seine Untersuchungshaft im Psychiatrischen Zentrum Nordbaden in Wiesloch statt in einem Gefängnis.
In seinem Antrag, die Öffentlichkeit auszuschließen, gibt Rechtsanwalt Günter Urbanczyk zu bedenken, dass mit dem Ausleuchten der Krankheit seines Mandanten – es soll sich um eine paranoid-halluzinatorische Psychose handeln – auch Persönlichkeitsrechte berührt werden. Nach kurzer Beratung folgt die Strafkammer dem Gesuch der Verteidigung. Und dies bedeutet: In dem an vier weiteren Tagen bis einschließlich 20. September terminierten Prozess mit zwei Nebenklägern, sieben Zeugen und einem medizinischen Sachverständigen sind Medienvertreter samt Publikum erst wieder zur Urteilsverkündung zugelassen.
Die Rede ist von einem „Zustand der Schuldunfähigkeit“
Bei so manchen Verfahren wird um die Frage gerungen, ob ein Angeklagter überhaupt in der Lage war, seine Tat zu steuern und die Folgen seines Handelns zu erkennen. Und nicht selten vertreten Strafverfolger und Verteidigung unterschiedliche Positionen. Hier verhält es sich anders: Schon beim Verlesen der Anklage ist von einem „Zustand der Schuldunfähigkeit“ die Rede.
Nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft hat sich die Messerattacke am Kurpfalzkreisel vor einem halben Jahr, nämlich am 24. Januar, so abgespielt: Der psychisch kranke Mann hat zur Mittagszeit mit einem Klappmesser unvermittelt auf eine 28-jährige Fußgängerin eingestochen, die zufällig an der Ampel stand. 56 Stiche sollen mit voller Wucht erfolgt sein und das Schädeldach durchstochen haben, so dass auch ein Auge verletzt worden ist. Erst als Passanten aufgrund der Hilfeschreie zu der bereits am Boden zusammengekrümmten Frau eilten, flüchtete der Angreifer – wurde aber überwältigt und bis zum Eintreffen der Polizei festgehalten. Juristisch wertet die Staatsanwaltschaft die Attacke als versuchten Mord in Tateinheit mit Körperverletzung. Von „heimtückischer Tötungsabsicht“ ist in der Anklage die Rede.
Einen Tag nach dem Messerangriff berichtete der Chef des Opfers dieser Redaktion: Seine Kollegin – eine angestellte Zahnärztin, die während ihrer Mittagspause in der Innenstadt unterwegs war – habe die Angst durchlebt, der laut brüllende Mann wolle sie „abschlachten“.
In dem Prozess geht es auch um einen früheren Angriff, der ursprünglich am Amtsgericht anhängig war, aber nun am Landgericht mitverhandelt wird. Im letztjährigen August soll der Angeklagte ein Restaurant in der Innenstadt mit einem Baseballschläger aufgesucht und damit einem Gast in den Nacken geschlagen haben. Der Vorwurf lautet in diesem Fall gefährliche Körperverletzung.
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