Mannheim. Der Prozess gegen Piotr K. vor dem Mannheimer Landgericht beginnt mit einem Geständnis. „Meinem Mandanten tut das Tatgeschehen sehr leid“, sagt Rechtsanwältin Sabrina Hausen. Piotr K. falle es schwer, sich selbst einzugestehen, dass er so stark auf einen anderen Menschen eingeschlagen habe, dass er starb. „Das wollte er auf keinen Fall“, sagt Hausen. Ihr 26-jähriger Mandant steht seit Dienstag vor Gericht, weil er für den Tod des Obdachlosen Marián K. verantwortlich sein soll.
Im vergangenen Dezember hatte der Tod des gehbehinderten Mannes mit dem Spitznamen „Mario“ die Menschen in der Stadt bewegt. Sein Leichnam war im Bereich des Obdachlosenunterstands Cahn-Garnier-Ufer/Hans-Böckler-Platz aufgefunden worden. Eine 59-köpfige Sonderkommission war eingerichtet worden, um die Umstände des Todes des 37-Jährigen zu ermitteln, wenige Tage nach der Tat am 10. Dezember 2022 nahmen Beamte den 26-jährigen Piotr K. in Köln fest.
Beschuldigte zum Tatzeitpunkt nicht schuldfähig?
Die Staatsanwaltschaft wirft dem 26-Jährigen gefährliche Körperverletzung mit Todesfolge vor. Weil K. aber an einer Schizophrenie leide und am 10. Dezember stark alkoholisiert gewesen sein soll, geht sie davon aus, dass der Beschuldigte zum Tatzeitpunkt nicht schuldfähig war. Am Dienstag fordert Oberstaatsanwalt Andreas Grossmann eine dauerhafte Unterbringung des Mannes in einer Psychiatrie. Damit fällt der Prozess in die Kategorie sogenannter Unterbringungsverfahren, in denen es nicht um den staatlichen Sühneanspruch, sondern um den Schutz der Gesellschaft vor einem mutmaßlichen Täter geht.
Grossmann skizziert in seiner Antragsschrift den Tattag, zwischen 10 und 16 Uhr soll der Beschuldigte Marián K. geschlagen und getreten haben. Marián K. erlitt eine Reihe von Verletzungen, Hämatome, sechs Rippenbrüche und einen Milzriss. Durch die Verletzung des Organs verblutete der 37-Jährige innerlich und starb, so der Oberstaatsanwalt.
Es habe keinen Grund für den Angriff ihres Mandanten gegeben, sagt Sabrina Hausen. Er habe am 10. Dezember viel getrunken, habe sich schon früh am Morgen mit Alkohol eingedeckt, mit Bier und Wodka. Außerdem habe er Ecstasy und Amphetamine eingenommen. Er könne sich an zwei sehr wuchtige Schläge erinnern, die er Marián K. verpasst habe. Danach habe er sich hingelegt und sei erst wieder aufgewacht, als die Polizei schon da gewesen sei.
Was dazwischen passierte, rekonstruiert das Schwurgericht am Dienstag über Zeugenaussagen. Neben Marián K. und Piotr K. sollen sich weitere Männer im Bereich des Obdachlosenunterstands befunden haben, allesamt stark alkoholisiert, sagt ein Polizist, der als einer der ersten am Tatort war. Auf der Polizeiwache führten seine Kollegen später Atemalkoholtests bei den Männern durch, die Werte zwischen zwei und drei Promille ergaben.
Einer der Männer soll eine Passantin angesprochen und sie gebeten haben, Hilfe zu rufen, weil Marián K. in Embryonalstellung auf dem kalten Pflaster lag, und sich nicht mehr bewegte. Die Frau habe dann die Polizei verständigt, berichtet der Polizeibeamte weiter.
Foto-Aufnahmen vom Tatort
Der Vorsitzende Richter Gerd Rackwitz projiziert Foto-Aufnahmen vom Tatort auf die Leinwand des Gerichtssaals. Piotr K. senkt den Blick, als der Mann auf dem Boden zu sehen ist, den er tödlich verletzt haben soll. Eine Dolmetscherin übersetzt die Fragen des Richters an den Polizisten für den Beschuldigten ins Polnische. Danach, wo die Männer saßen, wie sie sich verhielten, was sie taten.
„Es war dunkel und sehr kalt“, sagt der Polizeibeamte. Er spricht davon, dass alles sehr unübersichtlich gewesen sei. Neben dem Leichnam habe eine zweite Person gelegen. Die anderen hätten sich in ihre Decken eingemummelt, teilweise den Schlafsack über den Kopf gezogen. „Das ist kein besonders polizeifreundlicher Ort“, sagt der Beamte. „Am liebsten sieht und hört man uns nicht.“
Später, auf der Polizeiwache, habe sich der Mann, der die Passantin angesprochen habe, sehr kooperativ gezeigt, sagt ein anderer Polizeibeamter. Insgesamt hätten sich die Befragungen aber schwierig gestaltet, weil die Männer so betrunken gewesen seien. Auch vor Gericht könnte es mit so mancher Zeugenaussage schwierig werden. Einer der Obdachlosen gilt als nicht auffindbar, ein anderer - der Mann, der nach Hilfe rief - soll inzwischen in Köln leben und sich seit der Tat in einer schlechten psychischen Verfassung befinden. „Ich habe organisiert, dass er sich bei der Polizei in Köln meldet und wir eine audio-visuelle Vernehmung vornehmen“, so der Vorsitzende Richter.
In Köln festgenommen
Der Zeuge soll nach dem Tod von Marián K. mit dem Beschuldigten nach Köln gereist sein, wo dieser festgenommen wurde.
Am Dienstag sagt Piotr K. nichts dazu, wie er auf der Straße landete. Aber die Psychiatrische Sachverständige fasst für das Schwurgericht die biografischen Angaben zusammen, die der Beschuldigte ihr gegenüber gemacht hat.
Sie spricht darüber, dass er als uneheliches Kind geboren wurde. Die Eltern - beide alkoholkrank - seien überfordert gewesen. Piotr K. habe in Kinderheimen und Pflegefamilien gelebt.
Nach seiner Ausbildung zum Trockenbauer wollte er in Deutschland neu anfangen, wohnte zunächst bei der Familie seiner damaligen Freundin. Doch wegen seiner Drogen- und Alkoholprobleme habe er ausziehen müssen und sei dann auf der Straße gelandet.
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