Mannheim. Der Raum ist abgedunkelt, Manuel L. sitzt an einem Schreibtisch, er trägt Anzug, ist geschminkt. Für das Videotelefonat soll er älter aussehen, seriös. Manuel L. soll Peter Frank spielen. Der ist damals, im Frühjahr 2023, Generalbundesanwalt. Der Mann, der das glauben soll, soll hier Herr K. heißen. Er wohnt in Mannheim. Er soll eine Million Euro beschaffen, um damit Geiseln zu befreien, die in die Fänge von Verbrechern geraten seien.
Dass er selbst in dem Moment Opfer einer von der Türkei aus operierenden kriminellen Bande geworden ist, ahnt Herr K. nicht. „Ich kann mir selbst nicht erklären, wie das funktioniert hat“, sagt Manuel L. Aber es hat funktioniert. Herr K. ist am Ende des Gesprächs bereit, rund 448.000 Euro in Form von Goldbarren zu besorgen und diese in einem Park in der Mannheimer Innenstadt unter Nennung des Codeworts „Lexikon“ einem Kurier zu übergeben.
Was klingt, wie ein Drehbuch für einen mittelmäßigen Gaunerfilm, ist in Saal 2 des Mannheimer Landgerichts Realität. Dort sitzt seit Anfang der Woche Manuel L. auf der Anklagebank. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 29-Jährigen bandenmäßigen Betrug in mehreren Fällen vor, Herr K. ist eines seiner Opfer. Dass Manuel L. verurteilt werden wird, ist klar, und es kommt bereits am ersten Prozesstag zu einem gerichtlichen Verständigungsvorschlag. Danach soll das Strafmaß sechs Jahre nicht unterschreiten, es sollen aber auch nicht mehr als sechs Jahre und neun Monate werden. Voraussetzung: Manuel L. legt ein Geständnis ab.
Gaunerzinken vor der Haustür in Mannheim
So erhält das Gericht Einblick in die Machenschaften von Betrügerbanden, die im modus operandi, der Masche „Falscher Polizeibeamter“ zumeist ältere Menschen dazu bringen, ihre Konten, Safes und Schließfächer leerzuräumen. In dem Glauben, so ihr Vermögen zu schützen oder gar der Polizei behilflich zu sein. So war es bei Herrn K.: Ihm wurde vorgegaukelt, ein korrupter Bankmitarbeiter habe Falschgeld in Umlauf gebracht, er könne die Behörden bei ihrer Arbeit unterstützen. Dafür müsse er 10.500 Euro von seinem Konto abheben, die Polizei würde das Geld dann überprüfen.
Ein paar Wochen später melden sich die falschen Polizisten wieder, das Schließfach von Herrn K. solle auf Spuren untersucht werden, er solle seine 25 Goldmünzen abholen, die würden während der Ermittlungen sicher eingelagert. Dann soll Herr K. Goldbarren im Wert von 123.000 Euro kaufen, es gehe darum, Kriminelle abzuschrecken. Als Herrn K. Zweifel kommen, lässt die Bande Gaunerzinken auf der Straße anbringen, einen Stern, etwas, das aussieht wie ein Quadrat, einen Pfeil. Am Telefon sei Herr K. am nächsten Tag gefragt worden. „Sehen Sie denn Markierungen vor Ihrem Haus?“ Tatsache, ich sehe was, habe Herr K. geantwortet und die Goldbarren beschafft.
„Leitfaden“ für die Gespräche
Manuel L., der im Herbst 2022 von Deutschland aus in die Türkei ging und bei zwei betrügerischen Callcentern arbeitete, erzählt, er habe pro Tag 200 bis 300 Anrufe getätigt. Die Kontakte habe er sich aus Telefonbüchern, die im Internet öffentlich zugänglich seien, gesucht. In erster Linie seien Personen mit Doktor- und Professorentitel ausgewählt worden. Für die Gespräche habe es einen „Leitfaden“ gegeben. Es sei zunächst immer die gleiche Geschichte aufgetischt worden: In der Nachbarschaft sei eingebrochen worden, einer der Täter werde gerade von der Polizei vernommen.
Bei ihm sei eine Liste mit Namen gefunden worden, auf dieser stünde auch der Name des Angerufenen. War kürzlich eine fremde Person im Haus gewesen? Wisse jemand vom Tresor? Nein, kein Tresor im Haus, es gebe nur ein Bankschließfach? Bei der Sparkasse? Ach so, kein Konto bei der Sparkasse, sondern bei der Volksbank. „Man stellt den Leuten Fragen und verwendet die Antworten dann gegen sie“, erklärt Manuel L.
Aufgabenteilung: Keiler, Logistiker, Abholer
Dass er selbst der Keiler, der im Ausland tätige Anrufer in den fünf Betrugsfällen gewesen sei, die ihm in dem Prozess jetzt angelastet werden, bestreitet Manuel L. Seine Rolle sei die des Logistikers gewesen, er habe den in Deutschland befindlichen „Abholer“ gesteuert, der die Beute entgegengenommen habe. Außerdem sei er Herr Buschmann gewesen. „Jeder konnte Herr Buschmann sein, das war der Einsatzleiter.“ Sei das Telefonat eines Keilers gut verlaufen, habe dieser vorgegeben, dass jetzt der Einsatzleiter kurz ans Telefon komme. Das Gespräch sei unterbrochen worden, der Keiler habe den Bandenkollegen zugerufen: „Ich brauche Buschmann“. Wer gerade frei gewesen sei, habe den Herrn Buschmann gemimt.
Wie viel Geld er von den ergaunerten Summen erhalten habe, will der Vorsitzende Richter der Strafkammer, Olaf Rinio, wissen. Geld habe es nur bei Erfolg gegeben, sagt Manuel F. Im Falle von Herrn K. seien es 23.000 Euro gewesen. In drei der angeklagten Fälle wurden die Angerufenen misstrauisch und beendeten den Kontakt, in einem weiteren Fall alarmierte ein Bankmitarbeiter eine Tochter.
Im Sommer 2024 fliegen Manuel L.s „Abholer“ in Deutschland auf, kurz darauf wird er selbst mit internationalem Haftbefehl gesucht. Manuel L. stellt sich der Polizei, indem er von der Türkei nach Deutschland einreist. Manuel L. sagt, die letzten Jahre seien ein großes Durcheinander gewesen, er wolle jetzt seine Strafe verbüßen.
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