Mannheim. Am 29. November 2022 löst jemand gegen 21.30 Uhr auf der Covid-Isolierstation des Theresienkrankenhauses (TKH) den Herzalarm aus. Ein Reanimationsteam rückt an und beginnt mit der Wiederbelebung einer 79-jährigen Patientin. Im Zimmer macht sich Hektik breit. Es geht um Leben und Tod. „Ich würde denken, dass man bei solch einem Ereignis erschrocken ist“, sagt eine Krankenschwester, die am 29. November Nachtdienst hatte. „Aber sie lag nur unbeteiligt in ihrem Bett und hat zugesehen.“
Prozess um abgestelltes Sauerstoffgerät im Theresienkrankenhaus: Wegen versuchten Mordes angeklagt
Sie - damit ist Hatun C. gemeint, die Zimmernachbarin der 79 Jahre alten Patientin. Die 73-jährige C. muss sich wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung vor Gericht verantworten. Sie soll das Sauerstoffgerät ihrer Bettnachbarin im TKH zwei Mal abgestellt haben - offenbar, weil sie sich durch die Geräusche der Apparatur gestört fühlte.
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Die 79-Jährige musste wiederbelebt werden, einige Wochen später starb sie an Multiorganversagen. Aber: „Das Abschalten des Sauerstoffgeräts war für den Eintritt des Todes nicht ursächlich“, sagte Oberstaatsanwältin Katja König zu Beginn des Verfahrens am Freitag.
Angeklagte im Fall des abgestellten Sauerstoffgeräts sagte nicht aus
Hatun C. hat sich bislang nicht vor Gericht zu den Vorwürfen geäußert. Ihr Verteidiger, der Ludwigshafener Rechtsanwalt Alexander Klein, kündigte gleich zu Beginn an, im Laufe des Verfahrens werde es eine Erklärung geben. Nach Informationen dieser Redaktion soll C. die Vorwürfe vor Prozessbeginn teilweise eingeräumt haben.
Am zweiten Prozesstag leuchtet das Schwurgericht weiter den 29. November aus und befragt dazu auch zwei Krankenschwestern, die auf der Covid-Isolierstation Dienst hatten. Bei ihrer Runde über die Station bemerkten beide laut Anklage, dass mit der 79-Jährigen etwas nicht stimmte. Die Frau sei nicht mehr ansprechbar gewesen, litt unter Schnappatmung. „Außerdem lief das Gerät nicht mehr“, sagt die Krankenschwester, die für das Gericht auch die Reanimationssituation beschreibt.
Und sie erinnert sich, wie sie Hatun C. ansprach, sie fragte, warum sie das Sauerstoffgerät erneut abgeschaltet habe. Von Kolleginen habe sie zuvor erfahren, dass dies am Abend schon einmal vorgekommen sei. „Sie hat es weder bejaht noch verneint“, sagt die Zeugin. Stattdessen habe sie einzelne Wörter gestammelt: „Laut“, „will schlafen“, „auch krank“, „keiner kommt“.
Hat die Angeklagte die Konsequenzen überblickt?
„Im Zimmer wurde es dann sehr laut“, erinnert sich ihre Kollegin, die die 73-Jährige schon früher an diesem Abend darauf hingewiesen habe, sie dürfe das Gerät auf keinen Fall abschalten. „Ich war verärgert und bin laut geworden, habe ihr gesagt, dass die andere Frau sterben kann, wenn sie das Gerät abstellen sollte.“
Ich war verärgert und bin laut geworden, habe ihr gesagt, dass die andere Frau sterben kann, wenn sie das Gerät abstellen sollte.
Nach dem „Disput“ mit ihrer Kollegin habe die 73-Jährige die Schwester im Zimmer beschimpft. Und dann zur Tür rausgebrüllt. In den Tagen zuvor sei C. eine normale, freundliche Patientin gewesen, die sich über eine Suppe freute, die Angehörige vorbei gebracht hätten. Ihr Deutsch sei „einfach“ gewesen, sagt die Krankenschwester, aber „ich hatte das Gefühl, sie versteht mich“.
Die Frage danach ist wichtig. Denn: Sollte C das Gerät tatsächlich zweimal abgeschaltet haben, macht es einen großen Unterschied, ob sie die Konsequenzen ihres Tuns hätte überblicken können - oder nicht.
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