Mannheim. Immerhin haben der Oberbürgermeister und der Projektentwickler inzwischen mal länger miteinander geredet. Christian Spechts Sprecher bezeichnet die Gespräche als konstruktiv. Jener Mann – der im Zusammenhang mit Prostitution anonym bleiben will – habe seine Vorbereitungen aus den vergangenen eineinhalb Jahren erläutert und entsprechende Unterlagen übergeben. Ziel der Pläne ist eine Verlagerung des Rotlichtmilieus weg aus der Lupinenstraße, um die Neckarstadt-West mit 400 neuen Mietwohnungen aufzuwerten.
Der Projektentwickler nennt das Gespräch im Februar gar „sehr konstruktiv“. Specht habe angekündigt, „zeitnah“ die Gemeinderatsfraktionen in die Willensbildung einzubeziehen. Wünschenswert wäre indes ein zügiger Prozess, sonst könnte die Stadt eine einmalige Chance verpassen, so der Mann. Noch stünden rund 90 Prozent jener Rotlicht-Immobilien im Paket zum Verkauf. „Aber ich sage bewusst: noch.“
Spechts Sprecher kündigt Vorlage bis zum Sommer an
Laut Spechts Sprecher hat sich die Stadtspitze unter Einbeziehung ihrer zuständigen Fachbereiche und der Polizei mit den Plänen beschäftigt. Dabei seien mögliche Auswirkungen auf die Sicherheit in der Neckarstadt-West und in ganz Mannheim untersucht worden, ebenso erwartbare Folgen für die betroffenen Frauen sowie der Finanzbedarf. Das Ergebnis dieser Analyse werde in eine Gemeinderatsvorlage einfließen. Den Zeitpunkt lässt der Sprecher offen. Die Nachfrage, ob das vor dem Sommer geschehe, bejaht er.
Nach Aussage des Projektentwicklers besteht die Gefahr, dass die aktuelle Geschlossenheit der Eigentümer jener Rotlicht-Immobilien nicht mehr lange hält. Wenn auch nur ein kleiner Teil davon verkauft werde, kämen „auch neue Interessen ins Spiel – und in die Lupinenstraße“. Heißt: Dann würden dort womöglich neue Prostitutionsstätten entstehen, und eine Verlagerung wäre weitaus komplizierter.
Die Pläne dazu wurden nach „MM“-Informationen seit 2020 unter Spechts SPD-Vorgänger Peter Kurz entwickelt, der seinen Referenten Petar Drakul damit betraute. Wegen der Verbindung zu einer Korruptionsaffäre, an der eine Bauamt-Mitarbeiterin beteiligt war, wurde das Ganze zwischenzeitlich auf Eis gelegt. Wieder aufgetaut hat man es mit der Idee, ein Mittelsmann – jener Projektentwickler – solle die Rotlicht-Immobilien erwerben, entmieten und an die GBG weiterverkaufen. Die städtische Tochtergesellschaft könnte dann die Häuser abreißen, um in der Lupinenstraße 400 neue Mietwohnungen zu bauen.
Damit nicht die illegale Prostitution gestärkt würde, sollte die legale verlagert werden. Nachdem mehrere Standorte geprüft wurden, entschied man sich für einen rund einen Kilometer westlich im Hafengebiet. Dort befindet sich in der Bonadiesstraße 2 auf städtischem Grund ein Obdachlosenheim.
Rotlichtbezirk-Verlagerung: Vergleich mit Stuttgart hinkt
Bis auf die finale Finanzierung waren die Pläne recht weit gediehen. Nach Spechts Amtsantritt Anfang August 2023 verschwanden sie allerdings in einer Rathausschublade. Der Projektentwickler berichtet, er habe die Stadtspitze im Dezember darüber informiert, dass „hier unmittelbarer Handlungsbedarf besteht“. Wie der „MM“ erfuhr, wurde der CDU-Oberbürgermeister im Januar bei einem Treffen mit den Fraktionsvorsitzenden dazu gedrängt, das Gespräch mit dem Mann zu führen.
Nun will der Projektentwickler eine klare Absichtserklärung der Stadtspitze oder des Gemeinderats. Dann könne gemeinsam mit der GBG eine vertiefte finanzielle Prüfung erfolgen, sagt er. Als Investor wäre sicher auch die Kommune gefragt. Der Mann argumentiert mit dem großen Nutzen. Die Neckarstadt-West sei nicht nur der kinderreichste Stadtteil, sondern wegen der zentrumsnahen Lage und der Infrastruktur auch derjenige mit dem größten Entwicklungspotenzial. Da brauche es mehr bezahlbaren Wohnraum und eine verbesserte Lebensqualität. Dass eine Rotlichtbezirk-Verlagerung politisch möglich sei und von der Bevölkerung mitgetragen werden könne, zeige sich ja auch gerade im Stuttgarter Leonhardsviertel.
Das Projekt in der Landeshauptstadt verfolgt die Stadtverwaltung laut Spechts Sprecher zwar ebenfalls. Doch seien die dortigen Verhältnisse nicht auf Mannheim übertragbar. Darüber hinaus im Blick habe man die aktuelle Debatte über die mögliche Einführung des Nordischen Modells, um die Prostitution in Deutschland einzudämmen. Für ein Verbot und Strafen für Freier setzt sich besonders die CDU ein.
Viele Fragezeichen bei den Fraktionsvorsitzenden
Auch unter Verweis darauf nannte es CDU-Fraktionschef Claudius Kranz schwer vorstellbar, wenn nun mit Hilfe der Stadt an anderer Stelle ein attraktiveres Bordell entstehe. Bei einer „MM“-Anfrage sahen Anfang Februar alle Fraktionsvorsitzenden noch mehr oder weniger große Fragezeichen hinter dem Projekt. Einige wiesen aber auch auf große Chancen hin, etwa Sozialdemokrat Reinhold Götz. Einig zeigten sie sich alle darin, dass der Oberbürgermeister für nähere Aufklärung sorgen solle.
Klar gegen eine Rotlicht-Verlagerung ist die Prostituiertenberatungsstelle Amalie. Leiterin Astrid Fehrenbach sagt, wenn sich eine Gesellschaft zur Legalisierung von Bordellen entschlossen habe, müsse sie das auch in ihrer Mitte aushalten. Jene Frauen dürften nicht in ein Industriegebiet ausgegrenzt werden.
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