Mannheim. Dunkle Wolken am Himmel über dem Alten Meßplatz. Die mittlere Platzhälfte ist nach dem Umzug des ALTER auf die südliche Platzhälfte zu einem Niemandsland verkommen. Kriminalität und rohe Gewalt sind das vorherrschende Bild, beklagt der Verein POW! auf Instagram. POW! hat einen Zaun als Begrenzung zur Platzmitte aufgestellt, den Einsatz der Sozialarbeiter verdoppelt und neue ehrenamtliche Helfer engagiert, um gegen problematisches Verhalten vorzugehen. Als letzte Maßnahme ist nun Hochprozentiges im Bereich des ALTER verboten. Ein Gespräch mit den beiden Vorsitzenden Julia Alicka und Kristin Höflein.
Frau Alicka, Frau Höflein, mit welchen Problemen kämpfen Sie aktuell am ALTER?
Alicka: Wir haben eine große Müllproblematik, der wir nicht entgegenwirken können, egal, wie viel wir hier tagtäglich sauber machen. Das hängt unter anderem mit den Obdachlosen zusammen, die ihr ganzes Zeug mitbringen. Jeden Tag müssen wir Matratzen und riesige Kissen entfernen.
Einige Obdachlose hatten sich ja bereits vergangenes Jahr auf der überdachten Bühne einquartiert, als die Saison gerade vorbei war.
Alicka: Zwei von ihnen waren im Winter wohl bei ihren Familien und sind zurückgekommen. Die sind nett, helfen hier mit und räumen mit auf. Auch von den Neuen packen einige mit an. Dass sie hier übernachten, ist grundsätzlich kein Problem. Aber die Gruppe verändert sich ständig, wird größer, und jeder bringt sein Zeug mit, Koffer und Essen, sie versuchen, hier zu grillen und Feuer zu machen. Das ist es, was uns stört.
Die Vorsitzenden
- Julia Alicka ist Gründungsmitglied von Pow e.V. und seit 2022 Vorsitzende des Vereins.
- Die 45-Jährige leitet die Gastronomiebetriebe des Nationaltheaters Mannheim, ist Musikerin und Künstlerin.
- Kristin Höflein ist seit 2022 Vereinsmitgleid bei Pow e.V und seit 2024 im Vorstand.
- Seit 2019 ist sie Projektleiterin des ALTER.
- Die 38-Jährige ist Illustratorin und Kommunikationsdesignerin.
An der Treppe zum Neckar wird fleißig gedealt, wie jeder, der vorbeigeht, beobachten kann.
Alicka: Die Drogenproblematik ist riesig, der Drogenhandel und die damit verbundene Kriminalität.
Sprechen wir über Marihuana oder harte Drogen?
Höflein: Harte Drogen. Das sieht man daran, wie die Leute drauf sind und in welchen Zuständen die Menschen auf der Platzmitte herumlaufen. Die sind hochaggressiv, und das passiert nicht durch den Konsum von Marihuana.
Alicka: Auf dem Parkplatz hinter dem Lidl habe ich schon morgens um acht Uhr Marihuana angeboten bekommen. Ich weiß, dass dort auch mit Crack gehandelt wird.
Das klingt nicht mehr nach dem sicheren Ort, der 2019 den Deutschen Nachbarspreis erhalten hat.
Alicka: Das ALTER hat angefangen als Freizeitort, wo alle erwünscht sind - vom Kleinkind bis ins hohe Alter. Für Kinder ist das aber gerade nicht so. Es kommen zwar Familien mit Kindern, wenn wir gezielt Kinderfeste, Musizieren oder Kinderwochenenden anbieten. Der Spieleverleih ist wieder da, die Spielfläche ist bis zum frühen Abend für Kinder reserviert, und dort herrscht striktes Alkoholverbot. Wir haben ein Trampolin aufgestellt …
… das umzäunt ist.
Höflein: Ja. Es muss alles abgesperrt werden, was auch nur annähernd eine Überdachung bietet. Es kommen sofort Leute und schlafen darunter.
Apropos Alkoholverbot: Zeigt es eigentlich Wirkung, dass hier nichts Hochprozentiges mehr verkauft und konsumiert werden darf, Bier hingegen schon?
Höflein: Ja. Die Leute, die wir mit dem Verbot meinen, betrinken sich nicht mit Bier. Die haben eine Flaschen Chantré oder Bacardi in der Hand. Damit zeigen wir ihnen: Ihr seid hier zwar willkommen, aber nicht in so einem Zustand.
Alicka: Es zeigt auch insofern Wirkung, dass wir eine Handhabe haben, Menschen einen Platzverweis zu erteilen. Seit vergangenem Samstag haben wir das stramm durchgezogen und hatten am Sonntag eine Party mit Flohmarkt, die wunderschön war. Harmonie pur und so viele glückliche Menschen.
Wie viele Platzverweise mussten Sie an dem Tag erteilen?
Alicka: Viele. Es sind aber auch viele von selbst gegangen und haben gesagt, dann trinken sie halt woanders. Wenn man etwas erreichen will, muss man dranbleiben. Ich komme jeden Tag und spreche mit jedem einzelnen.
Wir wollen nur keine Leute mehr in so krassen Rauschzuständen. Bei den Dealerbanden von der Platzmitte ist das leider oft so. Die sind jenseits von allem …
Höflein: Wir machen die Platzbespielung ja für alle, und da sind die Obdachlosen und die Dealer theoretisch mit eingeschlossen. Wir wollen nur keine Leute mehr in so krassen Rauschzuständen. Bei den Dealerbanden von der Platzmitte ist das leider oft so. Die sind jenseits von allem …
Bekommen die Dealer einen Platzverweis?
Höflein: Nicht, wenn sie bei uns nicht dealen. Ein paar Jungs, die irgendwie bei den Dealern involviert sind, sind schon auch oft hier. Wir wissen nicht, welche Rolle sie dort spielen und wollen das auch gar nicht so genau wissen. Das ist nicht unser Thema. Sie machen bei Workshops mit, räumen auf oder bauen irgendwas mit uns. Wenn sie bei uns sind, sind sie friedlich. Man kann das nicht Schwarz-Weiß sehen.
Alicka: Untereinander sind sie aber gewalttätig. Es eskaliert tagtäglich, die Banden untereinander oder eine Bande gegen eine Person. Wir sind Zeugen von wirklich schlimmen Szenen geworden.
Ein Blick zurück auf 2023: Baubeginn für das Forum der Deutschen Sprache sollte im August diesen Jahres sein. Woraufhin das ALTER sich ja überhaupt erst in die südliche Ecke des Platzes zurückgezogen hatte. Eine Baustelle sehe ich hier aber nicht.
Höflein: Dazu gab es Ende Juni eine Pressemitteilung, dass sich der Baubeginn verzögert, weil ein zweistelliger Millionenbetrag für den Neubau fehlt. Das war einen Tag, nachdem das Einraumhaus abgebaut wurde. Es war ein sehr unglückliches Timing.
Alicka: Das war eine große und hässliche Überraschung. Es ist intransparent verlaufen, und man hätte das definitiv anders machen können.
Am Mittwochabend wird ja der Vorentwurf zur Umgestaltung des Alten Meßplatzes vorgestellt. Was versprechen Sie sich davon?
Alicka: Es wird ja nicht darum gehen, was jetzt am ALTER oder am Forum der Deutschen Sprache passiert, sondern um die Platzmitte.
Dennoch hat diese Gestaltung ja unmittelbare Auswirkungen auf das ALTER.
Alicka: Das stimmt. Aber es gibt keine Pläne, dass sie früher mit den Bauarbeiten anfangen, weil das Forum jetzt noch nicht kommt.
Höflein: Die Gestaltung der mittleren Platzhälfte geht erst 2027 los.
Was müsste aus Ihrer Sicht passieren, damit der Alte Meßplatz in den nächsten vier Jahren nicht zur No-Go-Area wird?
Alicka: Man könnte mit wenig Geld, etwa 20 000 Euro, diese Fläche zumindest schön machen. Man könnte eine Bodengrafik machen, eine Beleuchtung und die Basketballkörbe wieder aufbauen. Das würde etwas bewirken, man hätte eine komplett andere Atmosphäre. Aber anscheinend hat die Stadt das Geld nicht. Unser Verein hat nicht die Ressourcen, um die Platzmitte für eine erneute Zwischenlösung umzugestalten. Wir sehen es auch nicht als unsere Aufgabe, erneut Gelder von außen für eine Platzbespielung zu akquirieren, um der dort vorherrschende Drogen-Kriminalität entgegenzuwirken.
Es ist schon eine Laissez-faire-Haltung und ein Wegschauen - bis eventuell etwas ganz Schlimmes passiert und man den ganzen Platz dichtmacht. Wir verstehen das nicht.
Höflein: Man müsste auch die Kriminalität dort reduzieren. An dem Ort gibt es seit 20, 30 Jahren Drogenprobleme. Die offensichtlich vorherrschende Haltung, dass das halt Mannheims Problemzone sein soll, verstehe nicht. Man kann das lösen oder eindämmen, indem man zum Beispiel Kameras installiert. Oder sozialarbeiterische Angebote schafft, Beleuchtung anbringt oder gar ein Aussteiger-Programm auf die Beine stellt…
Alicka: Wir kommen nicht aus dem polizeilichen Bereich oder Sicherheitsbereich. Aber es ist schon eine Laissez-faire-Haltung und ein Wegschauen - bis eventuell etwas ganz Schlimmes passiert und man den ganzen Platz dichtmacht. Wir verstehen das nicht. Worauf will man denn warten?
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