Mannheim. Am Dienstag jährt sich der Tag des Terrorangriffs der Hamas auf Israel zum zweiten Mal. Die Folgen des 7. Oktobers 2023 sind seitdem auch in Mannheim zu spüren. Zahlreiche Versammlungen in dem Zusammenhang bleiben nicht aus und sorgen für Konfliktpotenzial. Auch am zweiten Jahrestag sollen sie wieder stattfinden. Während einerseits die Gruppen Free Palestine und Zaytouna ab 18.30 Uhr zu einer pro-palästinensischen Mahnwache am Paradeplatz aufrufen, hält die Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG) ab 17 Uhr eine Solidaritätskundgebung auf dem Marktplatz ab.
Besonders die pro-palästinensischen Versammlungen finden mit mehreren Hundert Demonstrierenden regelmäßig großen Zuspruch. Damit dürfte auch am Dienstag wieder gerechnet werden. Denn ein Verbot, wie es vergangenes Jahr für eine pro-palästinensische Veranstaltung gegeben hatte, steht diesmal nicht im Raum. „Die in Abstimmung mit der Polizei getroffene Gefahrenprognose rechtfertigt nach derzeitigem Erkenntnisstand keine Auflage zu einer zeitlichen oder örtlichen Verschiebung der angemeldeten Versammlungen“, sagt eine Stadtsprecherin auf Anfrage dieser Redaktion. 150 Personen würden zu der Kundgebung zum Thema „Zwei Jahre Gaza-Genozid“ erwartet.
Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Mannheim befürchtet „eine Feier des Terroranschlags der Hamas“
Heidrun Deborah Kämper, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Mannheim, dürfte das nicht gefallen. Sie hatte sich bereits am 23. September mit einem Schreiben an Oberbürgermeister Christian Specht und Sicherheitsdezernent Volker Proffen (beide CDU) gewendet. „Dringend“ bat sie in der E-Mail darum, „diese Demonstration an diesem Tag aufgrund aller denkbarer rechtlichen Mittel zu verhindern“. Denn Kämper befürchtet nicht, dass die pro-palästinensische Versammlung allein auf die Lage in Gaza hinweisen möchte. „Vielmehr ist zu erwarten (wie bei anderen Anlässen geschehen), dass es sich um eine Feier des Terroranschlags der Hamas auf Israel handeln wird“, schreibt sie.
Nachdem ihr Brief nach eigenen Angaben unbeantwortet blieb, erneuerte Kämper ihre Bitte am vergangenen Freitag in einem zweiten Schreiben. Zugleich macht sie Specht und Proffen darauf aufmerksam, dass die Stadt Frankfurt in der Zwischenzeit eine ähnliche pro-palästinensische Veranstaltung für den 7. Oktober verboten hat. Kämper appelliert, sich der Mainmetropole anzuschließen. Bei dem Überfall der Hamas seien zahlreiche Menschen getötet und verschleppt worden, begründete das Frankfurter Ordnungsamt die Entscheidung. Eine solche Versammlung an diesem Tag könne als Verherrlichung von Gewalt und Billigung schwerer Straftaten interpretiert werden. Am Montagabend hat sich die Lage geändert. Die propalästinensische Demonstration darf am Dienstag in Frankfurt stattfinden. Laut der Deutschen Presse-Agentur teilte das Verwaltungsgericht Frankfurt die Entscheidung mit und gab damit dem Eilantrag der Demo-Anmelder gegen ein Verbot statt.
Erst recht an diesem Tag wird eine solche Demonstration keinen anderen Zweck haben als das öffentliche Bejubeln des antijüdischen Massakers vom 7. Oktober 2023.
Ein solches Szenario befürchtet Kämper am Dienstag in Mannheim. „Erst recht an diesem Tag wird eine solche Demonstration keinen anderen Zweck haben als das öffentliche Bejubeln des antijüdischen Massakers vom 7. Oktober 2023“, betont sie. Zumal sich bei einer kurzfristig angemeldeten pro-palästinensischen Versammlung am Marktplatz nach dem Anschlag auf eine Synagoge im englischen Manchester am vergangenen Donnerstag solche Bilder zugetragen hätten.
„Diese Versammlung diente keinem anderen Zweck, als den Mord an den beiden Juden und die Verletzung zahlreicher Menschen in Manchester zu feiern“, schreibt sie an Specht und Proffen. „Die Jüdische Gemeinde war in großer Sorge und vor allem voller Unverständnis, dass die Verwaltung diese Versammlung an diesem Tag genehmigt hat“, kritisiert Kämper die Entscheidung der Stadt weiter. An Jom Kippur, dem höchsten religiösen Tag für Jüdinnen und Juden, der an diesem Tag gefeiert wurde, seien die Gebete damit massiv gestört worden. Zu Übergriffen sei es aber nicht gekommen, berichtet sie auf Anfrage.
Pro-Palästina-Demo in Mannheim im Zusammenhang mit Gaza-Hilfsflotte
Die Stadt bestätigt die Demonstration mit einem Zug vom Marktplatz bis zum Willy-Brand-Platz, wo eine Abschlusskundgebung stattfand. „Das Thema des Demonstrationszuges lautete ,All eyes on the Sumud Flotilla‘. Die Versammlung fand in Zusammenhang mit den aktuellen Ereignissen der Gaza Flotille statt“, erklärt die Stadtsprecherin. Die Polizei habe in dem Zusammenhang einer Person, für die ein Redeverbot bestanden habe, das Skandieren untersagt, hinzu sei es am Rande der Veranstaltung zu einer Beleidigung gekommen.
Ein Sprecher der Polizei bestätigt die Demonstration auf Anfrage ebenfalls. Von einer Versammlung mit den von Kämper genannten Hintergründen sei jedoch nichts bekannt. Unabhängig davon werden die Einsatzkräfte auch am Dienstag wieder gefordert sein und „mit einer der Lage angemessenen Anzahl von Polizeikräften im Einsatz sein, um auch auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein“, sagt der Sprecher.
Auch der Mannheimer Landtagsabgeordnete und Antisemitismusbeauftragte der SPD-Fraktion, Boris Weirauch, hatte sich wie Kämper an Specht und Proffen gewendet und sich für ein Verbot der pro-palästinensischen Versammlung ausgesprochen. „Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann die öffentliche Ordnung insbesondere dann berührt sein, wenn einem bestimmten Datum ein eindeutiger Sinngehalt mit gewichtiger Symbolkraft zukommt, der durch die Durchführung einer Versammlung in einer Weise angegriffen wird, dass grundlegende soziale oder ethische Anschauungen erheblich verletzt werden“, erklärt Weirauch und befürchtet, dass genau dies eintreten könnte.
Die Gruppe Free Palestine Mannheim ließ eine Anfrage unbeantwortet und somit offen, was sie den Vorwürfen entgegnet. Indes möchte auch die Deutsch-Israelische Gesellschaft mit einer Gegenveranstaltung auf die Lage im Nahen Osten aufmerksam machen. Geplant seien unter anderem Redebeiträge von Erster Bürgermeisterin Diana Pretzell, Landtagsabgeordnetem Weirauch und anderen Vertretern der Politik, sagt DIG-Vorsitzender Chris Rihm, der mit 50 bis 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmern rechnet.
DIG sieht Standortwechsel als „problematisch“ an
Nicht zufrieden ist die DIG dabei mit dem ihr zugeteilten Standort auf dem Marktplatz. Bisher fanden die pro-israelischen Versammlungen in der Regel auf dem Paradeplatz statt. Der jetzige Standortwechsel sei „problematisch“, sagt Vorsitzender Chris Rihm. „Es bringt Herausforderungen mit sich. Der Markplatz ist islamisch und pro-palästinensisch konnotiert“, so Rihm. „Ich weiß nicht, was passiert, wenn man dort einen Davidstern auslegt“, macht er sich Sorgen.
Die Stadt begründet die Verlegung auf den Marktplatz mit der Nähe zur Synagoge, in der am Dienstag wegen des Laubhüttenfestes Gedenkveranstaltungen stattfinden. Die Jüdische Gemeinde wird am Dienstag aufgrund des Feiertags nicht demonstrieren. Eine Gedenkveranstaltung zum Terrorangriff der Hamas auf Israel kündigte Heidrun Deborah Kämper für den 16. Oktober an. mit dpa
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