Mannheim. Volksverhetzung, Gewaltdarstellung, aber auch viele Propagandadelikte: In Mannheim ist die Zahl der politisch motivierten Straftaten um 55 Prozent gestiegen. Das geht aus der Statistik des Landeskriminalamts (LKA) Baden-Württemberg auf Anfrage dieser Redaktion hervor. Von den von 149 auf 231 angestiegen Fällen wurden 44 als antisemitisch und fünf als islamfeindliche Straftaten erfasst. Welche Vergehen als politisch motiviert gelten, wer die Täter sind und wo sich Menschen in der Quadratestadt warum deswegen strafbar machen:
Was sind politisch motivierte Straftaten?
Darunter fällt eine Vielzahl von Verbrechen: Sie werden zunächst unterteilt in Terrorismus und Gewalttaten. Unter Letzteres fallen auch Körperverletzung, versuchter Mord, Brandanschläge oder Widerstandsdelikte, etwa gegen eine Festnahme. Hinzu kommen Delikte wie Sachbeschädigung, Beleidigung oder Volksverhetzung. Auch Gewaltdarstellung ist strafbar, wenn man Gräueltaten schildert oder öffentlich verbreitet, die laut Strafgesetzbuch „eine Verherrlichung oder Verharmlosung ausdrückt oder die das Grausame in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt“.
Ebenfalls dazu zählen Propagandadelikte. Sie umfassen laut Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) etwa das Verwenden von verfassungsfeindlichen Symbolen wie dem Hakenkreuz, das auf Wände oder Autos gesprüht wird. Im Allgemeinen also das Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger und terroristischer Organisationen.
Was sind die häufigsten Vergehen in Mannheim?
Am häufigsten wurden 2023 Propagandadelikte in der Quadratestadt begangen. Sie sind um 50 Prozent angestiegen. Direkt dahinter liegen Vergehen wegen Volksverhetzung und Gewaltdarstellung. Diese sind stark angestiegen, um 133,3 Prozent, gefolgt von Gewalttaten wie Körperverletzung oder Widerstandsdelikte.
Wo genau machen sich Menschen warum strafbar?
Zwar lässt sich bundesweit ein Anstieg der politisch motivierten Straftaten seit dem Nahost-Konflikt erkennen. Auf allen Demos im Vorjahr in Mannheim hat die Polizei insgesamt 48 politische Straftaten erfasst. 2022 waren es 32 Fälle. Ein Großteil der Vergehen (183) fand 2023 jenseits von Demos statt. Allerdings sind die Demo-bezogenen Fälle im Vorjahr um 50 Prozent gestiegen. Am häufigsten wurde auf Demos von Teilnehmenden Volksverhetzung oder Gewaltdarstellung erfasst. Und zwar aus dem Spektrum der ausländischen Ideologie in elf Fällen. Zum Vergleich: Für das Jahr 2023 verzeichnet die Kriminalstatistik des LKA in der Universitätsstadt keine Fälle solcher Straftaten im Bezug auf Demonstrationen aus dem linken oder rechten Lager.
Wer sind die Täter, was treibt sie an?
Besonders bei den Propagandadelikten insgesamt fällt auf: Waren 2022 davon 25 Taten dem rechten Spektrum zugeordnet, ist die Zahl nun auf 43 Fälle angewachsen - ein Anstieg von 72 Prozent. Propagandadelikte, die ausländischen Ideologie zugeordnet werden, sind lediglich von fünf auf sechs Fälle angestiegen. Was Volksverhetzung und Gewaltdarstellung betrifft, zeigt sich eine stark steigende Tendenz: Am auffälligsten ist der Anstieg von Fällen aufgrund ausländischer Ideologie: Sie sind von einem Fall in 2022 auf 19 Fälle im Vorjahr angewachsen. Gewalttätiger geworden sind rechte Täter und solche, die einer ausländischen Ideologie anhängen: 2023 ist die Zahl der der Körperverletzung von vier auf sechs angestiegen, die Hälfte davon wird als rechts motiviert aufgelistet. Beleidigungen etwa aus dem rechten Lager sind dagegen gesunken, von zehn auf zwei Fälle. Ob die Täter aus Mannheim oder von außerhalb stammen, wird in der Statistik nicht erfasst.
Was bedeutet „ausländische Ideologie“ als Motiv?
Beim Erfassen von Straftaten muss jeder Beamte laut bpb einen ausführlichen Fragebogen ausfüllen. Dabei müssten die Polizisten und Polizistinnen auch entscheiden, wie eine von ihnen aufgenommene Straftat einordnet werden soll. Möglich sind hier „rechts“, „links“, „ausländische Ideologie“, „religiöse Ideologie“ und „nicht zuzuordnen“. Aber auch, ob es sich um eine extremistische Tat handelt. Und ob ein Angriff auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung oder Verfassungsprinzipien vorliegt. Straftaten aus der Szene der nationalistischen Grauen Wölfe werden trotz rechtsextremer Ideologie unter „ausländische Ideologie“ erfasst, weil die Szene ihren Ursprung in der Türkei hat.
Was sind antisemitische Delikte?
Bei der Meldestelle Antisemitismus des Landes Baden-Württemberg (meldestelle-antisemitismus.de), können Vorfälle vor Ort und im Netz gemeldet werden. Sie definiert Antisemitismus als „eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann“. Der Antisemitismus richte sich „in Wort oder Tat gegen jüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen“. Darüber hinaus kann auch der Staat Israel, der als jüdisches Kollektiv verstanden wird, Ziel solcher Angriffe sein. Laut der viel beachteten Amadeu Antonio Stiftung können Aussagen über den Nahostkonflikt, die beanspruchen, legitime Kritik an der Politik Israels zu üben, antisemitisch sein. Etwa, wenn Israel das Existenzrecht abgesprochen wird oder eine Gleichsetzung der israelischen Politik mit den Verbrechen der Nationalsozialisten konstruiert wird. Das Wort „Jude“ als Schimpfwort auf dem Schulhof oder im Fußballstadion zu benutzten, ist eine antisemitische Beleidigung.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-politisch-motivierte-straftaten-in-mannheim-stark-gestiegen-_arid,2198065.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html