Mannheim. Die Plakate sehen täuschend echt aus. Als wäre es Werbung für den Mannheimer Flugplatz. Eine Frau lässt es sich in einem Flugzeug gut gehen, so zumindest der Eindruck. Mit einem Lächeln stößt sie ihr Sektglas mit ihrem Gegenüber an.
Von Mannheim in die weite Welt hinaus - am City Airport ist das möglich, könnte der Betrachter beim Anblick der vermeintlichen Reklame denken. Spätestens beim zweiten Hinsehen sollte aber der kritische Text des Plakats auffallen: „Privatjet fliegen mit Steuergeldern? Jetzt am City Airport Mannheim!“, heißt es. Unter der Überschrift folgt die Erklärung: „Die Stadt Mannheim subventioniert den Flugbetrieb am City Airport durch jährliche Verlustausgleiche in Höhe von bis zu 1,3 Millionen Euro. Nur 0,5 Prozent der Flüge sind Linienflüge.“
Initiative kapert Werbeflächen in Mannheim
Adbusting nennt sich diese Form des Protests, bei denen Werbeflächen gekapert werden, um auf das jeweilige Anliegen aufmerksam zu machen. Vergangene Woche waren die Plakate der Flughafen-Gegner unter anderem in der Innenstadt zu sehen. Nach Dezember 2023 bereits zum zweiten Mal. Wer dafür verantwortlich ist, ist bisher unbekannt.
Die Klimaaktivisten von Extinction Rebellion Mannheim haben nun auf die Aktion aufmerksam gemacht. „Wir wissen nicht, wer das war“, sagt Sprecher Lucas Lörch auf Anfrage. „Aber es ist wichtig, dass aufgeklärt wird.“ Denn am Flugplatz werde der Luxus einiger weniger durch die Allgemeinheit finanziert, erklärt er die Sicht der Airport-Gegner auf die Dinge.
Lörch und der örtliche Ableger von Extinction Rebellion unterstützen das Bündnis „Flughafen Mannheim schließen“. Das fordert die komplette Einstellung des Flugbetriebs und in dem Zusammenhang eine nachhaltige und soziale, gerechte Weiternutzung der Flughafen-Fläche sowie eine Wende zu nachhaltiger Mobilität.
Initiative hinterfragt wirtschaftliche Bedeutsamkeit des City Airport
Zum einen geht es den Gegnern um die Klimabilanz des Flugplatzes. Zum anderen dreht es sich, wie das eingangs erwähnte Plakat deutlich macht, aber auch um finanzielle Aspekte. „Mannheimer Politikerinnen und Politiker argumentieren beim Erhalt des Flughafens mit dessen wirtschaftlicher Bedeutsamkeit. Bisher konnten jedoch keine belastbaren Zahlen vorgelegt werden, die dies belegen“, kritisiert Lörch. Verluste würden durch die Stadt ausgeglichen. Geld, das in seinen Augen woanders besser aufgehoben wäre.
Die Stadt kontert den Vorwurf auf Anfrage: Neben der Betrachtung der betriebswirtschaftlichen Rentabilität sei zu berücksichtigen, dass der Flugplatz „der nachhaltigen sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung in der Metropolregion Rhein-Neckar“ diene, wie eine Sprecherin sagt. So habe der City Airport für die zentrale Verkehrsinfrastruktur mit etwa 40 000 Flugbewegungen pro Jahr eine bedeutende Funktion und spiele für die Wirtschaft, das Gesundheitswesen und den privaten Luftverkehr eine zentrale Rolle.
Stadt: Übernehmen Verluste des Flughafens aus der Corona-Zeit
Auch den Vorwurf der Subventionen aus Steuergeldern weist die Stadt zurück: „Es handelt sich vielmehr um eine Verlustübernahme durch die Mannheimer Kommunalbeteiligungen (MKB) aus dem Jahr 2020.“ Während der Corona-Pandemie sei der Reiseverkehr nahezu lahmgelegt gewesen. Der Flugplatz jedoch habe damals „seiner Aufgabe als wichtige und kritische Verkehrsinfrastruktur vollumfänglich nachkommen“ müssen, „um insbesondere den schnellen Transport medizinischer Güter gewährleisten zu können“, erklärt die Sprecherin.
Sie zieht einen Vergleich zum Geschäftsjahr 2023, in dem der Gewinn in Höhe von 119 000 Euro an die MKB, deren Tochter die Rhein-Neckar Flugplatz GmbH ist, abgeführt worden sei. Im Jahr 2024 werde ebenfalls mit einem positiven Geschäftsergebnis gerechnet.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der Flugplatz in den zehn Jahren davor keine Einnahmen erzielt hat, wie aus einer Antwort aus dem August 2023 auf eine Anfrage der Grünen und der Li.Par.Tie aus dem damaligen Gemeinderat hervorgeht. 2022 etwa hatte die MKB einen Verlust von 97 000 Euro übernommen, zudem habe die Stadt auf die Erbpacht und Geländemiete in Höhe von rund 176 000 Euro verzichtet.
39.000 Flüge am Mannheimer Airport verzeichnet
Dirk Eggert, Geschäftsführer des City Airport, kann die Vorwürfe der Flughafen-Gegner trotzdem nicht nachvollziehen, wie er auf Anfrage sagt. Der auf den Plakaten dargestellte Sachverhalt beruhe auf falschen Tatsachen. Zum einen handle es sich nicht um Subventionierungen durch Steuergelder, sondern um eine Verlustübernahme. Zudem überschlug er die Zahlen des aktuellen Sommerflugplans und kommt auf etwa 1,5 Prozent Linienflüge und 30 Prozent Geschäftsreisen.
Nach Zahlen der Stadt haben im Vorjahr, also 2023, am Airport insgesamt 39 000 Flüge stattgefunden. 30 Prozent seien Linien- und Geschäftsflüge gewesen, die rund zwei Drittel des Gesamtumsatzes erwirtschaftet hätten. Wie hoch der Anteil der Linienflüge im Vergleich zu den Geschäftsreisen war, nennt die Stadtsprecherin allerdings nicht. Weitere 30 Prozent der Flugbewegungen fielen auf Kranken- oder Organtransporte sowie Ausbildungsflüge. Insgesamt also 60 Prozent. Bei den restlichen 40 Prozent habe es sich um Privatflüge gehandelt.
150 Luftfahrzeuge seien derzeit am Flugplatz stationiert, davon 38 Geschäftsreiseflugzeuge von Unternehmen aus der Region, zählt die Sprecherin auf, um die Bedeutung des Flugplatzes für die Wirtschaft hervorzuheben. Zu den 150 Luftfahrzeugen gehört Rettungshubschrauber „Christoph 53“. Jährlich habe dieser mehr als 1000 Einsätze, heißt es in der Antwort auf die Anfrage der Grünen und der Li-Par-Tie. Hinzu kämen medizinische Flüge und Organtransporte.
Stadt lässt Plakate in Mannheim entfernen
„Für die Stationierung des Rettungshubschraubers soll die Fläche am City Airport weiterhin zur Verfügung stehen“, sagt Lucas Lörch von Extinction Rebellion. Auch Organe sollten weiterhin schnellstmöglich und ungehindert transportiert werden können. Dazu brauche es den Mannheimer Flugplatz aber nicht. Er schlägt den Transport mit dem Auto oder Flugzeugen, die auf umliegenden Flughäfen starten oder landen könnten, vor.
Die wichtigen Funktionen des Flughafens für die Daseinsvorsorge, wie etwa für die Medizin, will Lörch gar nicht unter den Teppich kehren. Dennoch sagt er zu der Adbusting-Aktion: „Wir sind der Person sehr dankbar dafür, dass hier endlich Transparenz geschaffen wird.“ Die Stadt sieht das naturgemäß anders. Am vergangenen Freitag hatte die für die Werbeflächen zuständige Firma die Plakate entdeckt und sofort entfernt, sagt die Stadtsprecherin. „Nach unserer Information wurde Anzeige erstattet. Ferner wird eine Anzeige wegen unerlaubter Nutzung des Logos seitens der Rhein-Neckar Flugplatz GmbH geprüft.“
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