Gerhard Widder bisher alleiniger Rekordhalter
- Oberbürgermeister werden in Baden-Württemberg für acht Jahre gewählt. Erhält im ersten Wahlgang keiner mehr als 50 Prozent, gibt es einen zweiten, bei dem die einfache Mehrheit reicht.
- 2015 gewann Sozialdemokrat Peter Kurz im zweiten Durchgang mit 52 Prozent vor seinem CDU-Herausforderer Peter Rosenberger (44,9 Prozent). Der parteilose Christian Sommer bekam 2,9 Prozent. Christopher Probst von den Freien Wählern, der im ersten Wahlgang noch fast 16 Prozent geholt hatte, verzichtete auf den zweiten.
- Sollte Kurz am 18. Juni 2023 erneut gewählt werden, könnte er bis 2031 auf eine Amtszeit von insgesamt 24 Jahren kommen. Dann wäre er zusammen mit Vorgänger und Parteigenosse Gerhard Widder Rekordhalter. Eine vierte Kandidatur 2031 würde aber allein schon an der Altersgrenze von 68 scheitern, denn in einem Monat feiert Kurz seinen 60. Geburtstag.
- Abgesehen vom NSDAP-Mann Carl Renniger (1933 bis 1945) und dem parteilosen Hans Reschke (1956 bis 1972) gab es in Mannheim erst einmal ein Stadtoberhaupt, das nicht von der SPD gestellt wurde: den Christdemokraten Josef Braun, von 1945 bis 1948 auf dem Chefsessel im Rathaus.
Mannheim. Man merkt Peter Kurz an, dass ihn dieses Thema wenig begeistert. Auch auf eine neuerliche „MM“-Anfrage, ob der Oberbürgermeister bei der Wahl am 18. Juni nächsten Jahres erneut kandidieren wolle, reagiert er ziemlich wortkarg. Der Sozialdemokrat erklärt nur, er werde seine Entscheidung „zum Ende des Jahres“ bekanntgeben. In welchem Rahmen, darüber lasse sich noch keine Aussage treffen. Und weiter gefragt, welche politischen und persönlichen Fragestellungen für ihn ausschlaggebend seien, antwortet er knapp: „Überwiegend persönliche.“
Sonst lässt sich der Sozialdemokrat nichts entlocken. In seinem Umfeld wird beteuert, er ringe tatsächlich noch mit seiner Entscheidung. Zumal speziell die zurückliegenden Jahre – angefangen mit Corona über den Krieg in der Ukraine bis zur Energiekrise – für den 59-Jährigen schon sehr strapaziös gewesen seien. Kurz gilt als jemand, der seine Verantwortung äußerst ernst nimmt, bei Bedarf rund um die Uhr.
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Seiner SPD hat Kurz schon vor längerem gesagt, sich bis Ende des Jahres zu entscheiden. Damit zeigt sich der Kreisvorsitzende Stefan Fulst-Blei zufrieden. „Natürlich führen wir bis dahin auch Gespräche und haben einen Plan A plus und einen Plan A.“ Wer das genau wäre, lassen sich führende Sozialdemokraten selbst in vertraulichen Gesprächen nicht entlocken. Aber alle beteuern, aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt zu haben. Als ihr vorheriges Stadtoberhaupt Gerhard Widder 2007 aus dem Amt schied, gab es einen offenen Machtkampf zwischen Kurz, seinerzeit Bildungs- und Sportbürgermeister, und Fraktionschef Frank Mentrup. Der verlor und zog sich schmollend aus Mannheim zurück. Mittlerweile ist er Oberbürgermeister in Karlsruhe.
Nun beteuern die Protagonisten, sie hätten sich auf ein einvernehmliches Vorgehen verständigt, falls Kurz nicht mehr antrete. Denkbare Kandidaten wären in erster Linie Fraktionschef Thorsten Riehle, Fulst-Blei und dessen Landtagskollege Boris Weirauch. Isabel Cademartori, die bei der Bundestagswahl nach 16 Jahren das Direktmandat für ihre Partei zurückeroberte, genießt intern zwar höchstes Ansehen. Aber da sie gerade ihren Sitz im Gemeinderat aufgegeben hat, um sich einstweilen ganz auf ihre Aufgaben in Berlin zu konzentrieren, käme für sie die OB-Wahl im nächsten Juni ungelegen.
Bei den Grünen galt lange Diana Pretzell als Favoritin. Diese Aussicht soll auch ein Grund gewesen sein, warum die Rheinländerin vor zwei Jahren als neue Umweltdezernentin nach Mannheim kam. Doch mittlerweile gilt ihre Kür keineswegs als ausgemacht. Auf Anfrage verweist die 51-Jährige auf die Strategiekommission, die ihre Partei zur Oberbürgermeisterwahl eingesetzt hat. „Daher liegt die Frage nach einer Kandidatur aktuell nicht in meiner Hand.“
Die Grünen-Kreisvorsitzenden Sophia Dittes und Nils Born erklären, ihre Kommission komme gut voran. „News gibt’s aber noch keine.“ Beide machen keinen Hehl daraus, zunächst Kurz’ Entscheidung abzuwarten. Anders als nach der Kommunalwahl 2019, als die Grünen stärkste Kraft wurden, wollen sie nicht mehr unbedingt eine eigene Bewerberin. Fulst-Blei schlug ihnen im Juni via „MM“ vor, wie beim letzten Mal Kurz zu unterstützen. Der sei immerhin auch „ihr Oberbürgermeister“ und stehe für die Verwirklichung ihrer Klimaziele. Dittes und Born schließen das nicht aus. Doch würden die Grünen dafür inhaltliche Zugeständnisse des Amtsinhabers fordern, dann ließe sich dessen Wiederwahl auch als Erfolg für sie feiern.
Damit könnten die Grünen heikle Debatten bei der Kandidatinnen-Kür vermeiden. Sie taten sich bereits mit der Nachfolge von Fraktionschefin Melis Sekmen sehr schwer, die nach ihrem Einzug in den Bundestag den Gemeinderat verließ. Schließlich setzte sich Nina Wellenreuther in einer Kampfabstimmung gegen Gerhard Fontagnier durch.
Bei der CDU wäre der mit Abstand aussichtsreichste Bewerber klar. Kämmerer Christian Specht bekräftigt indes seinen bisherigen Standpunkt: Angesichts der enormen Herausforderungen in den nächsten Jahren – etwa Klimaneutralität bis 2030, Zukunft des Klinikums und Nationaltheatersanierung – „gehe ich davon aus, dass wir in der alten Konstellation diese Aufgaben angehen werden“. Das wurde im Umkehrschluss so interpretiert, dass Specht bei einem Verzicht von Kurz zur Kandidatur bereit sein könnte. Der Deutung hat er zumindest öffentlich nie widersprochen.
Laut ihrem Kreisvorsitzenden Christian Hötting befinden sich die Christdemokraten „in guten Gesprächen mit potenziellen Kandidaten“. Ihre Entscheidung teilten sie voraussichtlich Ende 2022/Anfang 2023 mit. Als Erstes sähen sie den Amtsinhaber in der Verantwortung, sich zu erklären. Kurz’ 60. Geburtstag am 6. November sei „sicherlich ein guter Punkt, um für Klarheit zu sorgen“.
Manche in der Lokalpolitik haben ein anderes Datum im Blick: Am 27. Oktober bestimmt der Gemeinderat den Wahlausschuss, eine Beschlussvorlage mit den Namen ist bereits in den nächsten Tagen zu erwarten. Geleitet wird jenes Gremium in der Regel vom Oberbürgermeister. Doch kandidiert er selbst, muss das ein Stellvertreter übernehmen. Nach Auskunft der Verwaltung könnte Kurz sich allerdings auch erst an die Spitze wählen lassen und den Vorsitz später wieder abgeben.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Das Zögern von Peter Kurz ist teilweise verständlich