Kulturpolitik

"Neue Sachlichkeit" in Mannheim: Wie 35 Partner ein großes Ziel verfolgen

100 Jahre ist es her, dass die Kunsthalle Mannheim eine Ausstellung zeigte, die eine ganze Epoche prägte: "Neue Sachlichkeit". Zum Jubiläum arbeiten 35 Institutionen zusammen -  Was sie alles bieten

Von 
Peter W. Ragge
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Markantes Gebäude der 1920er Jahre: Das Capitol ist einer der 35 Partner der Reihe zur „Neuen Sachlichkeit“, es bietet Führungen an. © Markus Prosswitz

Mannheim

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So sichtbar war ein Kulturereignis schon lange nicht mehr mitten in der Stadt: Alle Schaufenster vom Modehaus Engelhorn werden im Herbst passend dekoriert. Viele weitere Geschäfte können und sollen sich anschließen. „Wir hoffen, dass viele den Ball aufgreifen“, sagt Johan Holten, der Direktor der Kunsthalle.

Die nötigen Reproduktionen von Kunstwerken werde er zur Verfügung stellen. „Wir wollen der Innenstadt Leben einhauchen“, sagt er über die Kooperation mit der Werbegemeinschaft City. Sie ist eine von 35 Kooperationspartnern rund um das Thema „Neue Sachlichkeit“.

Das war der Titel einer Ausstellung in der Kunsthalle 1924. Die erwies sich als „stilbildend für das ganze Zeitalter“, so Kulturbürgermeister Thorsten Riehle, und gilt seither weltweit als Gattungsbegriff. „Jede Stadt schreibt Stadtgeschichte, aber unsere Stadt schreibt Kunstgeschichte“, ergänzt Wilfried Rosendahl, der Generaldirektor der Reiss-Engelhorn-Museen.

Jubiläum zur "Neuen Sachlickeit in Mannheim": Im Historischen Salonwagen die 1920er Jahre erleben

Sein Haus steuert zu dem Thema eine Fotoausstellung bei. Rosendahl sieht in der Zusammenarbeit mit der Kunsthalle und vielen anderen Partnern „eine Riesenchance für die Stadt“. So könne man „gemeinsam mehr Menschen bewegen, den Blickwinkel zu erweitern“, umfasst die Kooperation doch so verschiedene Einrichtungen wie Abendakademie, Jüdische Gemeinde, Universität, Technoseum oder Zeitraumexit.

Auch das Schloss ist dabei. „Das ist etwas, was einem bei den 1920er Jahren nicht sofort in den Sinn kommt“, räumt Riehle ein. Aber genau in diesem Jahrzehnt vollzieht sich in dem Barockbau der Wandel von der erst kurfürstlichen, dann großherzoglichen Residenz zum Behördenbau und Schlossmuseum, wozu es spezielle Führungen gibt.

Ganz viele Architekturführungen, Stadtteil-Spaziergänge und Vorträge, ja sogar ein Kneipenquiz bietet der Verein Rhein-Neckar-Industriekultur an, existieren doch zahlreiche markante bauliche Zeugnisse jener bedeutenden Epoche im Stadtbild wie die Erlenhofsiedlung, Schulen oder Industriegebäude. Ein besonders markantes Beispiel stellt das Capitol dar, 1927 als Kino eröffnet. Führungen dort wird Riehle, vor seiner Zeit als Kulturbürgermeister lange Capitol-Chef, übernehmen.

Auch auf Schienen kann man die 1920er Jahre erleben: Das Kulturnetz bietet in seiner Veranstaltungsreihe „wOrtwechsel – Kultur an außergewöhnlichen Orten“ in Kooperation mit der Rhein-Neckar-Verkehr (RNV) im Historischen Salonwagen aus den 20er Jahren spannende Geschichten über Mannheim und die Region aus den 20er Jahren an. Das sei, zusätzlich zu vielen passenden Abenden im „Schatzkistl“, „etwas Einmaliges und ganz besonders für dieses Jahrhundertjubiläum“, betont Kulturnetz-Chef Peter Baltruschat.

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Für ihn war „sofort klar, dass wir Teil des Rahmenprogramms für diese großartige Ausstellung werden wollen“, so Baltruschat. Mit an Bord der Bahn sind das Vintage-Trio unter der Leitung von Johannes Stange mit dem Sound der „Roaring Twenties“ sowie Bloomaul Ulrich Nieß, langjähriger Direktor des Marchivum.

Große Kooperation in Mannheim zum "Neue Sachlichkeit"-Jubiläum soll „keine Eintagsfliege sein“

In seinem früheren Haus wird es parallel zu den Kunstausstellungen in Kunsthalle und Reiss-Engelhorn-Museen ab 7. Februar eine Sonderschau „Wie Tag und Nacht – Leben in den Goldenen Zwanzigern“ geben. Sie soll den typischen Tagesablauf der Menschen in Mannheim in jenen Jahren zeigen, in denen nicht alles so golden war.

Aber es wurde getanzt, weshalb das Technoseum mit „Roaring Twenties“ eine Tanzbar ebenso anbietet wie ein Museumsquiz zu Mannheim in den 1920er Jahren. Ein Literarisches Frühstück, bei dem sie über den Lebensweg jüdischer Künstler und Komponisten in den 1920er Jahren informiert, hat die Jüdische Gemeinde ins Programm aufgenommen.

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Die Abendakademie avisiert ein Seminar „Aufbruch in die Kunst – Frauen in der Neuen Sachlichkeit“, das Institut für Deutsche Sprache einen sprachhistorischen Vortrag von Heidrun Kämper und das Stadtquartier Q 6/Q 7 rund um den Verkaufsoffenen Sonntag am 6. Oktober Angebote zur Kunstvermittlung und Kunst in leerstehenden Läden – das Spektrum ist also breit. Sogar Kooperationspartner außerhalb Mannheims gibt es, etwa die Uni Heidelberg und die Friedrich-Ebert-Gedenkstätte Heidelberg mit einer Ausstellung zum 1925 verstorbenen Reichspräsidenten.

Das Stadtmarketing hat mit einem Zuschuss ermöglicht, dass für dieses Programm auch außerhalb Mannheims geworben werden kann. Und die Tourist Information organisierte eine Journalistenreise nach Mannheim, damit auswärts über das Jubiläum und die Angebote berichtet wird. „Wir wissen ja, dass unsere Stadt toll ist, aber viele Leute außenherum nicht“, sagt Kulturbürgermeister Riehle dazu.

Das Jubiläumsjahr und die vielen Aktionen sollten dazu beitragen, mehr auswärtige Gäste nach Mannheim zu holen, aber auch „dass sich die Menschen hier noch mehr mit unserer Stadt identifizieren und wir das Wir-Gefühl stärken“, so Riehle. Durch die Zusammenarbeit so vieler Kooperationspartner will er „verdeutlichen, welche Kraft in der Kultur steckt“. Auch wenn die meisten Veranstaltungen zwischen September und dem 9. März 2025 stattfinden, soll die Kooperation nach den Worten von Riehle „keine Eintagsfliege sein“, sondern langfristig den Zusammenhalt aller Genres steigern.

Redaktion Chefreporter

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