Mannheim. Zwei Mannheimer Oberbürgermeister einträchtig nebeneinander, das ist ein seltener Anblick. Gleich zu Beginn der Hauptausschusssitzung gratuliert das bisherige Stadtoberhaupt dem künftigen - wie bereits am Wahlabend - nochmal „recht herzlich“. Außerdem wünscht Peter Kurz seinem Nachfolger noch „viel Erfolg und Fortune“.
Christian Specht nickt dankbar. Wie ergriffen er in diesem Moment ist, lässt von den Presseplätzen hinten schwer beurteilen. Ebenso wenig, ob sich durch den Machtwechsel zwischen dem Sozial- und dem Christdemokraten atmosphärisch etwas verändert hat. Nach außen wirkt der Umgang der beiden miteinander wie immer. Heißt: Kurz redet als Sitzungsleiter sehr viel, sein Kämmerer sitzt - jedenfalls im öffentlichen Teil - schweigend daneben.
Nur einmal dreht sich der scheidende Amtsinhaber erkennbar zu Specht, um eine Zustimmung zu bekommen. Da geht es ums Marchivum, das eine Solaranlage erhalten soll. Kurz weist darauf hin, dass die Beauftragung einer Firma damit dann Sache der Wohnungsgesellschaft GBG als Gebäudeeigentümerin sei. Specht nickt bestätigend.
Seine designierte Stellvertreterin kommt im öffentlichen Teil ebenfalls nicht zu Wort. Aber wenn Specht mal verhindert ist, wird sie das künftig umso mehr. Dann obliegt es Diana Pretzell als neue Erste Bürgermeisterin, die Sitzungen des Hauptausschusses wie des Gemeinderats zu leiten. Etwas überraschend haben die Grünen für dieses Amt, für dessen Neubesetzung sie als stärkste Fraktion traditionell das Vorschlagsrecht haben, sich für die Umweltdezernentin und gegen ihren Bildungskollegen Dirk Grunert entschieden.
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Zuschuss von 50 000 Euro
Grunert dürfte ein schwacher Trost sein, dass er an diesem Nachmittag von allen Dezernenten mit Abstand am stärksten gefragt ist. Das liegt an seinem Themenspektrum, und der mutmaßlich populärste Beschluss hat nichts mit seinem Dezernat zu tun: Mit breiter Mehrheit stimmen die Ausschussmitglieder für einen städtischen Zuschuss in Höhe von 50 000 Euro, um auch in diesem Jahr den Nachtwandel im Jungbusch zu ermöglichen. Voraussichtlicher Termin ist der 27./28. Oktober, wie am Mittwoch auf Anfrage Karmen Strahonja sagt. In die Zuständigkeit der Stadtmarketing-Geschäftsführerin fällt das zweitägige Festival.
Begründet wird die 50 000-Euro-Hilfe mit einem kalkulatorischen Defizit in gleicher Höhe, das sich aus nach Corona ausbleibenden Einnahmen in den Bereichen Sponsoring, Gastro-Soli und Becherspenden ergebe. Mehrere Redner mahnen aber, man dürfe die Vorortfeste nicht vergessen, die auch mit immer höheren bürokratischen Hürden zu kämpfen hätten. Und Volker Beisel von der FDP kritisiert, der Nachtwandel sei doch nur noch ein Massenereignis. Das ursprüngliche Ziel, die kulturelle Vielfalt im Jungbusch zu zeigen, spiele keine Rolle mehr.
Dem widerspricht Kurz. Mit einer Neuausrichtung des Programms „weg von der Partymeile“ habe man da zuletzt schon gegengesteuert. Und auch wenn bei Stadtteilfesten 5000 Besucher mit „dem gleichen Charme“ feierten, handele es sich bei 30 000 um eine profilgebende Veranstaltung für Mannheim.
Neue Städtepartnerschaft
Ohne längere Debatte wird einstimmig unter anderem beschlossen, die seit 2011 bestehende Städtefreundschaft mit Istanbul-Beyoglu zur offiziellen Partnerschaft aufzuwerten. Die Sozialdemokratin Heidrun Deborah Kämper und Grünen-Fraktionschefin Stefanie Heß äußern die Hoffnung, dass davon auch ein Signal an die vielen türkisch-stämmigen Menschen hier ausgeht.
Ebenfalls einstimmig wird die Einrichtung eines Drogenkonsumraums beschlossen. Voraussichtlich werde der beim Mannheimer Drogenverein in K 3 angesiedelt, so Grunert. Das sei die Empfehlung maßgeblicher Akteure wie der Polizei.
„Potenzieller Zeit-Killer“
Nach knapp eineinhalb Stunden ruft Kurz dann ein Thema auf, dem er gleich den Warnhinweis „potenzieller Zeit-Killer“ anklebt: die Zukunft der U-Halle. Um längere Debatten zu vermeiden - was ihm allerdings nicht wirklich gut gelingt -, packt der Oberbürgermeister die am wenigsten strittigen Punkte in der Beschlussvorlage zusammen mit Änderungsanträgen. Holger Schmid von der Mannheimer Liste kritisiert das indes als „Hauruck-Verfahren“. Offensichtlich gebe es bei dem Elf-Millionen-Euro-Projekt ja noch großen Beratungsbedarf. Dennoch stimmt am Ende eine klare Mehrheit für das von Kurz geschnürte Paket.
Nun können nach der Buga das Zentrum Umwelt, Freizeit und Spiel sowie das Jugendkulturzentrum Forum in der Buga angesiedelt werden. Bedenken, ob speziell das bisher an der Neckarpromenade angesiedelte Jugendforum in Feudenheim nicht etwas ab vom Schuss sei, zerstreut Grunert: Der Umzug sei der einhellige Wunsch der Träger.
Ebenfalls auf Spinelli bleiben soll das Lapidarium. Die historischen Skulpturen - etwa Brunnenfiguren - sind zur Gartenschau bereits in der U-Halle untergebracht. Ob sie auch dauerhaft darin bleiben können, muss aber noch eingehender untersucht werden. So warnte LI.PAR.Tie-Fraktionschef Dennis Ulas, das dürfte nicht zulasten der Flächen von Kindern und Jugendlichen gehen. Nun wird nochmal geprüft, ob nicht auch ein anderer Standort auf dem Areal in Frage kommt. Allerdings könnte da eine erforderliche Versiegelung zum Problem werden.
Nach zweieinhalb Stunden ist der öffentliche Sitzungsteil dann vorbei. Weiter geht es hinter verschlossenen Türen. Es ist die letzte Hauptausschusssitzung vor der Sommerpause. Nächsten Dienstag tagt dann nochmal der Gemeinderat, der formal noch fast alles absegnen muss. Aber dann Sachdebatten aus Ausschüssen zu wiederholen, war Sitzungsleiter Kurz stets ein Gräuel. Und zumindest in diesem Punkt dürfte Specht äußerst bereitwillig für Kontinuität sorgen.
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