Mannheim. Was bringt einen Menschen dazu, mit einem Auto durch eine Fußgängerzone zu rasen - mit dem Ziel, möglichst viele Menschen zu verletzen oder zu töten? Diese Frage haben sich nach der schrecklichen Amokfahrt am Rosenmontag auf den Mannheimer Planken viele gestellt. Und darum geht es auch in der aktuellen Podcast-Folge von „Mensch Mannheim“.

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Florian Karlein und Timo Schmidhuber zeichnen mit zwei Gästen die Ereignisse dieses schwarzen Tages nach. Mit Andreas Meyer-Lindenberg, Direktor des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit in Mannheim (ZI). Und mit „MM“-Reporterin Simone Kiß. Sie war wenige Minuten nach der Amokfahrt auf den Planken und hat den Tag über von dort berichtet.
„Die statistischen Daten zu Amoktätern passen zu diesem Fall“
Die Ermittler gehen nach wie vor davon aus, dass eine psychische Erkrankung des mutmaßlichen Täters Alexander S. die Ursache für die schreckliche Tat ist. Zwei Menschen wurden getötet, mindestens elf weitere zum Teil schwer verletzt. Die statistischen Daten zu Amoktätern passten zu diesem Fall, sagt Meyer-Lindenberg. Praktisch alle Täter seien Männer, auch das Alter von Alexander S. passe zur Statistik.

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Viele hätten wie auch Alexander S. schon vorher Kontakt mit Justiz und Polizei gehabt, auch Hassposts im Internet seien relativ typisch. Häufig gebe es vor der Tat – davon ist im Mannheimer Fall aber bislang nichts bekannt – einen akuten Vorfall, wie die Zurückweisung in einer Beziehung, Job-Verlust oder Mobbing. Und oft, sagt Meyer-Lindenberg, lägen psychische Erkrankungen vor.
Der Professor für Psychiatrie und Psychotherapie betont aber auch: Es gebe viele Menschen, auf die alle genannten Faktoren zuträfen - „von denen aber praktisch niemand überhaupt gewalttätig wird“. Gerade Amoktaten, sagt Meyer-Lindenberg, seien extrem selten. „Man muss sich auch ein Stück weit damit abfinden, dass man das letztlich nicht vorhersagen kann und im Einzelfall auch nicht immer verstehen kann.“
„Viele Menschen sind psychisch krank – aber nur eine ganz, ganz kleine Minderheit wird gewalttätig“
Es gebe, so der Wissenschaftler, keine psychischen Erkrankungen, die allein für sich dazu führten, dass sich jemand in ein Auto setze und Menschen überfahre. „Das sieht man schon allein daran, dass ein Drittel der Bevölkerung in jedem Jahr psychisch krank ist.“ Davon werde nur eine ganz, ganz kleine Minderheit gewalttätig. Die Erkrankungen, die am häufigsten mit Amok verbunden seien, sind laut Meyer-Lindenberg Psychosen und Persönlichkeitsstörungen. Der ZI-Direktor spricht im Podcast auch über den möglichen Nachahmereffekt nach solchen Taten - und wie die mediale Berichterstattung diesen vielleicht dämpfen könnte.
„MM“-Reporterin Simone Kiß erzählt bei „Mensch Mannheim“ von ihren Eindrücken am Tatort. „Ich habe die Planken hochgeschaut und habe diesen Ort noch nie so gesehen. Da stand eine Schlange von Rettungswagen und Einsatzwagen.“ Sie sei dann die Fußgängerzone hochgegangen, „es lagen Menschen auf dem Boden“. Aus Richtung Paradeplatz sei dann die Polizei „schwer bewaffnet“ gekommen und habe den Bereich abgesperrt.
„Es war völlig unklar, was passiert ist, zu dieser Zeit. Es war einfach nur große Angst und Panik.“ Kiß sagt, es habe „sehr lange gedauert“, bis man erfahren habe, dass die Lage unter Kontrolle sei. „Wir wussten erst ganz spät, gegen 16, 16.30 Uhr, dass der Täter auch wirklich gefasst ist.“ Auch am Tag nach der Amokfahrt war die Reporterin in der Innenstadt unterwegs. Viele seien da bewusst in die Stadt gekommen, um sich mit dieser Realität zu konfrontieren. Und natürlich um zu trauern und Anteil zu nehmen.
Wie weiß ein Augenzeuge, ob er professionelle Hilfe braucht?
Wie geht man mit solchen schlimmen Ereignissen um? Vor allem dann, wenn man sie als Augenzeuge persönlich miterlebt hat? Die meisten Menschen nehme das „akut mit“ und mache sie sehr betroffen, weiß Meyer-Lindenberg. Das sei auch normal, man brauche deshalb nicht gleich therapeutische Hilfe. „Man sollte schauen, was einem guttut, für viele Leute sind das ja die Partner und die Familie.“ Aber auch Sport und der Aufenthalt in der Natur würden helfen. Und wie weiß jemand, ob er therapeutische Hilfe braucht?
Genaue Kriterien gebe es dafür nicht, sagt der ZI-Direktor. „Aber ich würde sagen: Wenn es den Alltag länger als zwei Wochen nachhaltig beeinträchtigt, also wenn ich nicht zur Arbeit gehen oder mich nicht um meine Kinder kümmern kann oder wenn ich lebensmüde Gedanken habe. Dann sollte ich professionelle Hilfe aufsuchen.“ Das sei unter anderen beim ZI möglich, bei den niedergelassenen Ärzten oder auch über die Telefonseelsorge. Der Experte macht Hoffnung. „Das ist eine Sache, die man super gut behandeln kann.“
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