Mannheim. Es ist ein vorfrühlingshafter Mittag. Die Sonne scheint, und viele Menschen flanieren durch die Mannheimer Innenstadt, sitzen in den Cafés zusammen oder besuchen am Rosenmontag in ausgelassener Stimmung die Stände des Fasnachtsmarktes. Um 12.15 Uhr wird diese Leichtigkeit grausam unterbrochen. Ein Auto rast in hoher Geschwindigkeit über die Planken, mitten in eine Menschengruppe.
Nur kurze Zeit später gleicht die Straße buchstäblich einem Schlachtfeld. Trümmerteile liegen am Boden, Rettungswägen bahnen sich einen Weg zum Paradeplatz, Polizisten mit Maschinenpistolen fordern die Passanten nachdrücklich auf, die Innenstadt augenblicklich zu verlassen. „Was ist denn eigentlich los?“, fragt ein älterer Herr, der seinen Platz im Außenbereich eines Cafés nicht verlassen will. „Ich habe Ihnen gesagt, dass Sie von hier weggehen sollen“, antwortet ihm ein Polizist und fügt hinzu: „Das hat auch mit Menschlichkeit zu tun.“
Polizei bittet darum, keine Falschmeldungen zu verbreiten
Rot-weiße Flatterbänder mit der Aufschrift „Polizeiabsperrung“ werden in Windeseile gezogen. „Sie können hier nicht durch, da liegen Körperteile“, halten die Einsatzkräfte zunächst auch die Reporter zurück. Kurz darauf richtet die Polizei ein Infozentrum am Paradeplatz ein. Der Zugang ist streng reglementiert und wird ebenfalls von schwer bewaffneten Beamten kontrolliert. Polizeisprecher Stefan Wilhelm hält sich dort zunächst zurück mit Informationen. Es komme zu einem großen Einsatz am Paradeplatz, mehr Infos gibt es zunächst nicht. Wiederholt bittet er an diesem Tag die Menschen eindringlich darum, keine Falschmeldungen zu verbreiten und sich insbesondere in den sozialen Medien zurückzuhalten, da es die Ermittlungen gefährde. Man werde alles auswerten und strafrechtlich verfolgen, so Wilhelm.
Die Schausteller lassen an ihren Buden die Rollläden herunter, schließen die Türen ab. Dort, wo gerade noch ausgelassene Stimmung herrschte und Fasnachter verkleidet durch die Innenstadt zogen, ist es nun gespenstisch still, Planken, Kunststraße und Fressgasse wie ausgestorben. Ein lautes Schrillen durchbricht diese angespannte Stimmung. Das baden-württembergische Innenministerium warnt die Bevölkerung unter anderem über die App Katwarn vor einer „lebensbedrohlichen Lage“. Die Bevölkerung werde gebeten, die Innenstadt großräumig zu meiden und den Anweisungen der Einsatzkräfte Folge zu leisten.
Auch Journalisten aus dem Ausland berichten vor Ort
Nach und nach bestätigt Polizeisprecher Wilhelm, was Augenzeugen berichtet haben. Er spricht zunächst von einem Toten und mehreren Schwerverletzten. Immer mehr Medienvertreter treffen währenddessen am Paradeplatz ein. Das Interesse ist riesig, nicht nur aus dem In-, sondern auch aus dem Ausland. Mehrere englisch- und französischsprachige Sender sind vor Ort, berichten immer wieder in Live-Schalten vom Ort des Geschehens.
Ein Bäcker aus dem gegenüberliegenden Stadthaus bringt seine Backwaren vorbei und bietet sie Polizei und Journalisten an. „Die verkaufe ich heute sowieso nicht mehr“, sagt er achselzuckend und geht wieder zurück.
Kurz nach 14.30 Uhr trifft Andreas Stenger, Leiter des baden-württembergischen Kriminalamtes und früherer Mannheimer Polizeipräsident, in der Innenstadt ein. Er macht sich bei der Tatortbegehung der Einsatzkräfte ein Bild der Lage. Eine Drohne kreist über dem Bereich zwischen Galeria Kaufhof und Paradeplatz. Noch mindestens bis zum späten Abend sollen die Absperrungen bleiben, teilt die Polizei dann mit.
Er könne sich an keinen größeren Einsatz in den vergangenen Jahren hier erinnern, sagt einer der Rettungskräfte betroffen. Inzwischen hat die Polizei auch ein Hinweistelefon eingerichtet. Notfallseelsorger in gelben Westen laufen umher und betreuen Augenzeugen.
Um 16.15 Uhr gibt Polizeisprecher Stefan Wilhelm bekannt, dass es sich sehr wahrscheinlich um einen Einzeltäter gehandelt habe, der auch bereits festgenommen worden sei. Eine Gefahr für die Bevölkerung bestehe nicht mehr.
Nachdem der Alarm- und Einsatzplan ausgerufen wird, bereiten sich die Kliniken in kürzester Zeit auf Verletzte vor. Sieben Opfer der Amokfahrt werden in der Notaufnahme des Theresienkrankenhauses behandelt. Viele der Patienten seien traumatisiert gewesen, teilt ein Sprecher mit. Deshalb habe man auch Seelsorger vor Ort gehabt, um den Menschen seelische Unterstützung zu gewähren „Wir sind auf solche Katastrophenfälle sehr gut vorbereitet und können so mit dem Diako und dem Universitätsklinikum bei Bedarf die Menschen in der Metropolregion bestens versorgen. Das hat der heutige Fall gezeigt“, sagt Jochen Kotter, Chefarzt des Zentrums für Klinische Akut- und Notfallmedizin am Brüderklinikum Julia Lanz: „Unser Mitgefühl gilt den Opfern der heutigen Geschehnisse.“
Kliniken setzen Alarm- und Einsatzplan um
Auch an der Universitätsmedizin Mannheim (UMM) habe man sofort alles für einen möglichen Massenunfall mit Verletzten vorbereitet, teilt das Klinikum mit. Insgesamt drei betroffene Menschen behandele man hier. Die zwei Erwachsenen und das Kind seien mit hoher medizinischer Dringlichkeit eingestuft worden und würden akutmedizinisch versorgt, teilt die Klinik weiter mit.
Zwei Tote, fünf Schwerverletzte und weitere fünf Personen mit leichteren Verletzungen – diese Bilanz zieht die Polizei am Abend. Der 40-jährige deutsche Tatverdächtige aus Rheinland-Pfalz konnte festgenommen werden. Man gehe davon aus, dass es keinen politischen Hintergrund für die Amokfahrt gebe, so Polizeisprecher Wilhelm.
„Diese abscheuliche, unmenschliche Attacke auf friedliche Menschen erschüttert uns alle zutiefst“, erklärt der Mannheimer Oberbürgermeister Christian Specht: „Unsere Gedanken sind bei den Toten und Verletzten, ihren Angehörigen und Freunden.“ Die Stadt hat in der Zwischenzeit für alle betroffenen Personen und Augenzeugen eine psychosoziale Notfallversorgung im Rosengarten mit Kräften aus Mannheim und benachbarten Städten eingerichtet.
Am Abend treffen Innenminister Nancy Faeser, der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Innenminister Thomas Strobl und Oberbürgermeister Specht am Tatort ein.
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