Mannheim. „BeReal“ - das heißt auf Deutsch „Sei echt“: Und das scheint das zu sein, nach was sich Jugendliche im Netz gerade sehnen. Denn während Influencer in Size Zero auf Palmeninseln und vor Privatjets posieren, zeigen sich auf BeReal Normalsterbliche beim Müll rausbringen, Fernsehen oder Autofahren. Dabei sind die entstandenen Bilder, wie zu erwarten, nicht mal besonders spannend.
App ausgetrickst?
Doch wie „real“ ist BeReal wirklich? Dazu muss man die Funktionsweise der App unter die Lupe nehmen. Täglich bekommen die Nutzer zu einem zufälligen Zeitpunkt eine Benachrichtigung und haben dann zwei Minuten Zeit, ein Foto aufzunehmen. Für das Foto verwendet die App die Front- und Rückkamera, damit die Aufnahme die Nutzer und Umgebung gleichzeitig gut zeigt.
Eltern sollten App mit Kindern besprechen
„BeReal“ ist vom Anbieter ab 13 Jahren freigegeben. Dominik Rudolph von der Landesanstalt für Kommunikation (LFK) in Baden-Württemberg weist darauf hin, dass nach der Anmeldung aber nicht überprüft wird, ob die Altersangabe stimmt. Daher sei das Engagement der Eltern oder Erziehungsberechtigten essenziell.
Wegen teils sehr privater Einblicke sollten Nutzer trotz des Zeitdrucks genau überlegen, was sie zeigen wollen, empfiehlt Rudolph. Die LFK bietet online die Jugend-Beratungsstelle „Handysektor.de“ an, auf der auch viele Tipps zur Nutzung von „BeReal“ zu finden sind.
Es sei sinnvoll, die eigenen „BeReals“ nur mit seinen Freunden zu teilen und sie nicht öffentlich zu machen (Discovery-Modus). In diesem Modus habe man keinen Einfluss darauf, wer die Inhalte sehen kann, warnt Rudolph. Ein weiterer wichtiger Punkt sei vor allem bei Kindern und Jugendlichen, den Standort zu deaktivieren. So könne man verhindern, dass andere den eigenen Aufenthaltsort sehen.
Nicht zuletzt sollten Nutzer immer auf das eigene Wohlergehen achten. Führt „BeReal“ zu permanentem Stress? In diesem Fall rät Dominik Rudolph: „Dann tut die App einem nicht gut und sollte gelöscht werden.“ dpa/see
Doch Mannheimer User finden das Konzept nicht lückenlos umgesetzt. Bei unserer Straßenumfrage in der Innenstadt etwa gibt ein Großteil der Befragten an, es gebe Möglichkeiten, „das System zu umgehen“, und sich von einer besseren Seite zu zeigen. So sind sich Dominik (18) und Jana (19) einig, dass viele die sogenannte „Late“ Funktion der App ausnutzen. Diese bedeutet, ein Foto kann nach Ablauf der Zwei-Minuten Frist-gepostet werden. Es wird dann aber mit „Late“ markiert, und Freunde werden benachrichtigt, dass man zu spät war. Einhellige Meinung der Befragten dazu: Die User warteten einfach und posten ihr Foto später - zu einem interessanteren Zeitpunkt.
Die 17-jährige Hanna findet: „Leute, die ein BeReal zu einem bestimmten Zeitpunkt posten, um sich interessanter darzustellen, haben denn Sinn der App nicht verstanden.“ Dominik und Jana sehen das genauso.
„Wollen bloß Leben mit uns teilen“
Auch hier gibt es verschiedene Meinungen. Julia, 19, denkt: „Ich finde es nicht so schlimm, dass Leute eher dann posten, wenn sie was Cooles machen, sie wollen ja bloß ihr Leben mit uns teilen.“ Die 16-jährige Maja dagegen findet nicht, dass die Möglichkeit viel genutzt wird: „Nur meine Freunde posten dort, und ich vertraue ihnen.“
Die Entwickler der App teilen indes über Social Media mit, dass sie sich weiterhin Mühe geben, die App so zu strukturieren, dass sie die Authentizität der Bilder garantieren können. Eine neue Funktion der App zeigt nun an, wie viele Versuche man brauchte, um sein Foto aufzunehmen. Auch die Nutzer unterstützen das, die Entwickler der App teilten zuletzt sogar mit, dass sie Tipps von Nutzern bekommen, wie sie gestellte Bilder verhindern können. Ziel der App-Gründer ist es nach eigenen Angaben, Social Media neu zu gestalten. Gegründet wurde BeReal 2020 von Alexis Barreyat in Frankreich, um in Kontakt mit Freunden zu bleiben. „Es ist ein Ort, an dem das wahre Leben eingefangen wird“, beschreibt das Unternehmen.
Kritik an Instagram
BeReal wolle eine Alternative zu anderen Netzwerken sein, die soziale Vergleiche befeuerten und alles andere machten, als Menschen zu verbinden. Man wolle Authentizität und echte zwischenmenschliche Beziehungen im Netz fördern. In letzter Zeit wurde besonders Instagram sehr häufig kritisiert, da hier durch gefälschte oder gefilterte Bilder oft Minderwertigkeitsgefühle vermittelt würden, besonders bei Teenagerinnen. BeReal will hier einen klaren Kontrast bilden. Ob sich dieses Konzept gegen Instagram und Co. durchsetzen kann, wird sich im Laufe der Zeit zeigen.
Social Media „neu gestalten“
Was sich auf jeden Fall sagen lässt, ist, dass in den den letzten zwei Jahren ein regelrechter Hype entstand. Und so wuchs BeReal zu einer der beliebtesten Social Media Apps in Deutschland. Nun liegt es mit mehr als zehn Millionen Nutzern in App Stores nicht weit hinter Instagram und TikTok.
Die vielen überwiegend positiven Bewertungen der Nutzerinnen und Nutzer in den App Stores nennen etwa zwischenmenschliche Beziehungen als Grund für ihre Nutzung der Software. Viele schreiben auch, dass die App ihre Freundschaften stärkte.
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