Mannheim. Auf einmal geht es schnell. Einsatzbeamtin Janine Volz und rund 30 Kolleginnen und Kollegen des Polizeipräsidiums Mannheim sind auf dem Weg zum Haupteingang des Mannheimer Carl-Benz-Stadions. Vor den Einlasskontrollen stellen sie sich in zwei Reihen auf - jeder von ihnen ausgestattet mit einer etwa 15 Kilo schweren Körperschutzausstattung, Knie- oder Armschonern, Dienstwaffe, kleinem Pfefferspray und Abdrängstock. Sie warten auf weitere Anweisungen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel ergänzt.
Dann geht es weiter durch die Einlasskontrollen, die Beamten teilen sich auf. Der Einsatzzug, dem Volz angehört, wird an einem der Eingänge im Innenbereich zur OST-Tribüne, dem Fanblock des Drittligisten SV Waldhof Mannheim, positioniert. Nur ein paar Meter weiter hört man Waldhof-Fans singen: „Alle Bullen sind Schweine."
Spielverzögerung beim Hochrisikospiel Waldhof gegen Essen: Ultras blockieren die Eingänge
Es ist ein Sonntagmittag, 13.30 Uhr, im April. Eigentlich wäre jetzt Anpfiff im Hochrisikospiel des SV Waldhof gegen Rot-Weiss Essen. Doch die Partie verzögert sich um rund zehn Minuten. Die sogenannten Ultras aus der Waldhof-Fanszene und weitere Fangruppen blockieren die Eingänge zu ihrem Block. Ihnen passe die erhöhte Präsenz der Polizei im Innenbereich vor dem Marathontor nicht, heißt es. Kurz bevor das Spiel schließlich angepfiffen wird, strömen mehrere Hundert Fans auf einmal in den Block. Die Einlasskontrollen sind Aufgabe des Veranstaltungsortes, hier ist also der Sicherheitsdienst im Carl-Benz-Stadion zuständig. Die Polizei ist dafür da, Personalien von möglichen Täterinnen oder Tätern aufzunehmen und Beweise zu sichern.
Laut Volz ist die Polizei an diesem kalten und regnerischen Spieltag mit Einsatzkräften im dreistelligen Bereich vor Ort. Die genaue Anzahl dürfe sie aus einsatztaktischen Gründen nicht nennen. „Aber wir sind jetzt nicht ungewöhnlich viele Beamte für ein Fußballspiel“, sagt die 23-Jährige.
Mit Kamera und Mikrofon begleiten wir Volz durch die wartenden Fans vor den Aufgängen zu Sitz- und Stehplätzen im Stadion. Ein mulmiges Gefühl stellt sich ein. „Mach die Drecks-Kamera weg“ oder „Spinnst du, haut ab!“ sind die harmloseren Sprüche, die wir uns dabei anhören müssen. Richtung Polizei richten sich die Beleidigungen unter anderem mittels Fangesängen. Generell hat man das Gefühl, dass sich ein Teil der Waldhof-Ultras eher auf die Polizei als die Rot-Weiss Essen-Fans eingeschossen hat.
104 Straftaten im Zusammenhang mit Waldhof-Spielen in der vergangenen Saison
Die Gewalt in und um Stadien habe in den letzten Jahren zugenommen - auch der Polizei gegenüber, sagt Volz. In der vergangenen Saison habe die Polizei Mannheim im Zusammenhang mit Waldhof-Spielen 104 Straftaten festgestellt. Darunter fallen etwa Vermummungsverbote, Abbrennen von Pyrotechnik, Gewaltdelikte oder Raubdelikte. Zum Vergleich: In ganz Baden-Württemberg wurden laut Innenministerium in diesem Zeitraum in den ersten drei Spielklassen insgesamt 542 Straftaten registriert.
Auch sie selbst sei bereits verbal und körperlich angegangen worden. „Ich kann Berufliches und Privates aber gut trennen und nehme das nicht so persönlich“, sagt die 23-jährige Einsatzbeamtin. „Wenn ich die Uniform ausziehe, lasse ich so etwas gedanklich auf der Arbeit. Wir haben auch Nachbesprechungen, bei denen das dann intensiv behandelt wird.“ Einzelne Täter würden sich meist direkt vor Ort feststellen lassen, so Volz. Wenn es diesen zunächst gelingen würde, zu flüchten, habe die Polizei geschulte, szenekundige Beamte oder auch Super-Recognizer, die die Täter zum Teil auch schon kennen oder bei einem nächsten Spiel wiedererkennen würden. Wie groß der Problemkreis beim SV Waldhof Mannheim ausfällt? „Wenn man auf die gesamte Saison blickt, sind es pro Spiel nur vereinzelte Straftaten“, sagt Volz.
Einsatzbeamtin Volz: "Eine leichte Grundnervosität ist schon da"
Ein paar Stunden zuvor, 10 Uhr, auf dem Gelände der Verkehrspolizei Mannheim. Hier trifft sich ein Teil der Einsatzkräfte mit dem jeweiligen Polizeiführer für eine erste Lagebesprechung - darunter Volz. „Wir gehen heute von einer höheren Gewaltbereitschaft aus“, sagt die 23-Jährige an diesem Morgen. Warum das Waldhof-Heimspiel gegen Essen als Hochrisikospiel eingestuft wurde, habe mehrere Gründe. „Zum einen wird das Verhältnis zwischen den beiden Fanlagern bewertet oder es wurden schon Erfahrungen in vergangenen Begegnungen gesammelt. Außerdem gibt es auch über Social Media immer wieder Hinweise.“ Aufgeregt sei sie vor so einem Arbeitstag nicht.
Volz hatte ihre Ausbildung zu Polizistin im Jahr 2020 begonnen, ist also seit mehr als drei Jahren im Beruf tätig. Wirklich aufgeregt sei sie vor dem Einsatz heute nicht. „Aber eine leichte Grundnervosität, ob man abends wieder gesund nach Hause kommt, ist schon da“, sagt sie. Der Polizeiberuf sei ihr Kindheitstraum gewesen. „Die Vielseitigkeit des Berufs hat mich fasziniert und natürlich auch der Hintergrund, Menschen zu helfen und etwas für die Gesellschaft zu tun.“
Station eins am heutigen Vormittag ist für Volz der Mannheimer Hauptbahnhof. Hier sollen nach Angaben der Bundespolizei rund 30 bis 40 gegnerische Fans aus Essen mit dem Zug ankommen und dann über Shuttle-Busse der RNV zum Stadion gebracht werden. Das Einsatzkonzept des Polizeipräsidiums Mannheim sieht eine strikte Fan-Trennung vor.
„Wir schauen dann, dass die gegnerischen Fanlager nicht aufeinander treffen und es nicht zu körperlichen Auseinandersetzungen kommt“, erklärt Volz. „Manchmal reicht es da, wenn wir einfach Präsenz zeigen oder wir müssen bestimmte Bereiche absperren oder eben auch Täter festnehmen.“ Da ein Großteil der Essen-Fans mit dem Auto anreißt, verläuft hier alles friedlich. Die gegnerischen Fans steigen vereinzelt in die Busse ein und werden zum Stadion gebracht.
Generell schreiten Volz und ihre Kolleginnen und Kollegen etwa bei Streitigkeiten, Gewaltdelikten oder Beleidigungen ein. Immer wieder wird Beamtinnen und Beamten in solchen Situationen auch zu hartes Eingreifen oder Polizeigewalt vorgeworfen. „Wir versuchen, das Ganze im Optimalfall verbal zu lösen. Wenn es die Situation aber nicht zulässt, müssen wir leider auch auf das letzte Mittel körperliche Gewalt zugreifen“, so Volz. „Ich verhalte mich in polizeilichen Dingen immer so, wie ich auch selbst behandelt werden möchte. Klar darf und soll es Kritik geben, allerdings sollte es hier bei einem sachlichen Austausch bleiben“, findet die Einsatzbeamtin.
Erste Zwischenbilanz wird in der Halbzeit gezogen
Neben Fußballspielen ist Volz auf Demonstrationen im Einsatz oder unterstützt die Kolleginnen und Kollegen im Streifendienst oder bei der Kriminalpolizei. Außerdem habe sie viel Einsatztraining, bei dem Polizeilagen simuliert und bewältigt werden sollen, so die 23-Jährige. In der Halbzeit wird eine erste Zwischenbilanz gezogen. Hier werden vor allem nochmal die Situation um die blockierten Eingänge zum Waldhof-Fanblock zu Spielbeginn besprochen sowie einige Beleidigungen gemeldet. „Bei uns bedeutet so ein Einsatz Open End“, sagt Volz. „Wenn es nach dem Spiel friedlich zugeht, kommen wir auch früher heim.“
Unter anderem auf einem Parkplatz kommt es nach Spielende zu einer Auseinandersetzung zwischen Waldhof- und Essen-Fans. Die Polizei geht dazwischen und wird damit selbst zum verbalen Angriffspunkt von beiden Seiten. Ansonsten geht der Einsatz für Volz und ihre Kolleginnen und Kollegen ohne weitere größere Ereignisse zu Ende.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-mit-der-polizei-bei-einem-hochrisikospiel-des-sv-waldhof-mannheim-_arid,2203851.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html
[2] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.mannheimer-morgen.de/vereine_verein,_vereinid,12.html
[3] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.mannheimer-morgen.de/vereine_verein,_vereinid,12.html
[4] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.mannheimer-morgen.de/vereine_verein,_vereinid,12.html
[5] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-mannheimer-polizei-verteidigt-stadion-einsatz-bei-waldhof-heimspiel-_arid,2200509.html