Migration

Migrationskonferenz in Mannheim: Linke wollen Hürden für Geflüchtete abbauen

Die Partei "Die Linke" warnt vor rechtem Terror. So würden in der Flüchtlingsdebatte weiter Ängste geschürt. Schon jetzt seien Menschen mit Migrationsgeschichte Anfeindungen ausgesetzt, erklärt Parteichefin Janine Wissler

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Stefanie Ball
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Janine Wissler (Linke). © Sebastian Willnow/dpa

Mannheim. Als in der Südosttürkei in der Nacht zu Montag vor zwei Wochen die Erde bebt, ist Janine Wissler in Diyarbakir. Die Parteivorsitzende der Linken war einen Tag zuvor in die Stadt gereist, um sich mit oppositionellen Politikern zu treffen. Sie erzählt, wie die Menschen auf die Straßen geeilt seien, mit nichts weiter an als einem Schlafanzug und Pantoffeln an den Füßen. Keiner habe seinen Mietvertrag mitgenommen oder nach dem Reisepass gegriffen, die liegen in den Schutthaufen, die früher einmal Häuser waren.

Eidesstattliche Erklärung bei Visum soll reichen

Dass Erdbebenopfer, die laut Bundesregierung nach Deutschland kommen dürfen, nun für einen Visa-Antrag Unterlagen vorweisen müssen, stößt deshalb bei Wissler auf Unverständnis. „Wer solche Hürden setzt, der will die Menschen gar nicht wirklich hier haben“, sagte Wissler bei einer Migrationskonferenz am Samstag in Mannheim.

Die Linken-Bundestagsabgeordnete Gökay Akbulut sowie die Mannheimer linke Gemeinderatsfraktion LI.PAR.Tie hatten die Veranstaltung organisiert, um sich mit „Anforderungen an linke Migrationspolitik in Zeiten von Kriegen und Krisen“ zu beschäftigen, so der Titel der Konferenz.

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Wissler plädierte bei fehlenden Papieren für eine eidesstattliche Erklärung. „Das muss reichen, der Rest kann später geklärt werden.“ Auch der Abschiebestopp für Iranerinnen und Iraner solle nicht nur formell, sondern dauerhaft ausgesetzt werden. „So dass die Menschen in Sicherheit leben können.“

Unterbringung von Geflüchteten in Wohnungen

Nachdem das Thema Migration viele Jahre eine eher untergeordnete Rolle gespielt hat, ist es spätestens seit dem Krieg in der Ukraine wieder ins Zentrum der politischen Debatte gerückt. Die Teilhabe hat für die Linke dabei oberste Priorität, und so begrüßen Wissler und Akbulut zwar ausdrücklich den erleichterten Zuzug für Menschen aus der Ukraine. Sie warnen aber vor einer Zwei-Klassen-Gesellschaft, wenn Menschen aus anderen Krisengebieten viele Jahre auf ihr Asylverfahren warten müssten.

Mit Blick auf die unter Druck stehenden Kommunen, die immer mehr Geflüchtete unterbringen müssen, plädierte Akbulut für eine dezentrale Lösung in Wohnungen. „Die Kommunen müssen mit den städtischen Wohnungsbaugesellschaften sprechen, sie müssen Gespräche mit Wohnungseigentümern führen, und sie müssen Druck auf Immobilienkonzerne ausüben, damit diese bezahlbaren Wohnraum schaffen.“

Arbeitsbedingungen und Löhne verbessern

Eine Zwei-Klassen-Gesellschaft sehen die beiden Politikerinnen auch beim geplanten Gesetz zur Fachkräfteeinwanderung. Für Fachkräfte soll es künftig einfacher werden, nach Deutschland zu kommen.

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Die Kritik von Wissler ist deutlich. „Wer nützlich ist, soll kommen, wer nicht nützlich ist, nicht, so kann Migration nicht gestaltet werden. Das ist eine Selektionslogik, die lehnen wir ab.“ Darüber hinaus sei der Fachkräftemangel ein hausgemachtes Problem, denn Arbeitsbedingungen und Löhne seien in vielen Branchen schlecht.

Nachteile für Menschen mit Migrationsgeschichte

Daneben nahmen Wissler und Akbulut die Lebenswirklichkeiten von Menschen mit Migrationsgeschichte in den Blick und konstatieren für Deutschland einen „strukturellen wie institutionellen Rassismus“. Wer einen ausländisch klingenden Namen habe, habe es oft schwer, in der Schule, auf dem Arbeitsmarkt oder bei der Wohnungssuche. Sie selbst habe das erlebt, sagte Akbulut. „Das ist unerträglich.“ Auch Racial Profiling, polizeiliche Maßnahmen aufgrund äußerer Merkmale, müsse beendet werden. 26 Prozent der Menschen hierzulande haben laut der Linken-Politikerin eine Migrationsgeschichte. „Sie sind aber weit entfernt von gleichen Chancen und Rechten.“

Viele Menschen hätten zudem Angst vor Anfeindungen. „Die Gefahr von rechts ist riesig“, sagte Wissler und erinnerte an die Attentate von Hanau, die sich am Sonntag zum dritten Mal jährten. Ein 43-Jähriger tötete damals neun Menschen mit Migrationshintergrund. Die AfD bezeichnete die Linken-Politikerin als den „parlamentarischen Arm des rechten Terrors“. Sie betonte, dass aber auch über den Rassismus der Mitte gesprochen werden müsse, wenn ein CDU-Politiker wie Friedrich Merz arabischstämmige Schüler als „kleine Pascha“ bezeichne.

Klimawandel als Fluchtursache

Dass zur Flucht immer die Ursachen gehören, machten Wissler und Akbulut ebenfalls deutlich. Die bereits bestehenden Ungleichheiten zwischen den Ländern des globalen Südens und des globalen Nordens würden durch den Klimawandel sowie unfaire Handelsbeziehungen verschärft. „Die Fluchtursachen müssen bekämpft werden“, so Wissler, „nicht die Geflüchteten.“

Freie Autorin

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