Marktplatz

Messerattacke auf Mannheimer Marktplatz: Die Eindrücke vom Tatort und was bekannt ist

Ein Mann greift während einer islamkritischen Kundgebung mehrere Menschen mit einem Messer an. Ein Polizist schwebt in Lebensgefahr. Viele Fragen sind offen

Von 
Kai Plösser und Sebastian Koch
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Ein Mann hat am Freitag auf dem Mannheimer Marktplatz mehrere Menschen mit einem Messer angegriffen. © Priebe

Mannheim. Rund um den kompletten Marktplatz flattert das rot-weiße Absperrband. Zahlreiche Schaulustige stehen drumherum und beobachten die Szenerie des Polizeieinsatzes, ein Sichtschutz verhindert den Blick auf die Behandlung eines Verletzten. Später nimmt eine an der Haltestelle „Marktplatz“ geparkte Straßenbahn den Schaulustigen die Sicht. Am Marktplatzbrunnen liegen Plakate eines Infostands der rechtspopulistischen und islamkritischen „Bürgerbewegung Pax Europa“ (BPE), die eine Kundgebung durchführen wollte, verwüstet auf dem Boden. Was kurze Zeit zuvor passiert ist, haben nur wenige beobachtet. Einige verweisen auf ein Video im Internet, auf dem das Geschehene zu sehen ist. Andere reden von Schüssen.

Das bestätigt die Polizei. Zuvor soll ein Mann mehrere Personen mit einer Stichwaffe angegriffen haben, wie Behördensprecher Karl Appel sagt: „Heute gegen 11.35 Uhr hat ein Mann mit einem Messer mehrere Personen verletzt. Es wurde von der Polizei geschossen.“ Zu den Verletzten zählt auch ein Polizeibeamter. Appel spricht von teils erheblichen Verletzungen bei den Opfern. Laut Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU), der am Abend auf dem Marktplatz ist, ringt der Polizist um sein Leben. Bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe gibt es keine weitere Info. Strobl spricht von sieben Verletzten, neben dem Polizisten ist auch der Angreifer darunter. Auch Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) war sowohl am Mittag und am frühen Abend vor Ort und hat sich ein Bild von der Lage gemacht.

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Die islamkritische Bewegung hatte einen Livestream von ihrer Veranstaltung auf Youtube gesendet. Das Video, das später zurückgezogen wurde, sich aber über soziale Medien verbreitet, zeigt den Vorfall. Darauf ist zu sehen, wie Aktivisten der Bewegung auf plötzlich in Richtung des mutmaßlichen Angreifers zu rennen. Es entwickelt sich ein Tumult und Gerangel. Kurz darauf ist zu sehen, wie der Verdächtige mit dem Messer in der Hand versucht, mehrmals auf einen Mann einzustechen. Zumindest am hinteren Oberschenkel könnte er ihn getroffen haben, ist im Video dort eine blutige Stelle zu erkennen. „Messer weg“-Rufe sind mehrmals laut zu hören. Ein weiterer Mann trennt die beiden Kontrahenten noch, bevor die Polizei eingreifen kann, die Sekunden später vor Ort ist.

Messerattacke auf Mannheimer Marktplatz: Verdächtiger sticht auf hinteren Halsbereich des Polizisten ein

Der Verdächtige allerdings steht in Sekundenschnelle wieder auf, macht eine willkürliche Stichbewegung in Richtung eines weiteren Mannes. Ob er getroffen wird, bleibt unklar. Danach sticht der Verdächtige zweimal gezielt auf den hinteren Halsbereich eines Polizisten ein, der gerade einen Mann zu Boden gebracht hatte und auf ihm sitzt. Mehrere Beamte zielen mit ihren Dienstwaffen auf den Verdächtigen. Ein dumpfer Knall ist zu hören, dann fällt der Verdächtige – wohl getroffen von einer Kugel – verletzt zu Boden.

Das Ganze hat sich innerhalb von weniger als 25 Sekunden abgespielt. Zeugenaussagen decken sich in etwa mit dem Geschehen im Video. „Auf der Rückseite des Denkmals fiel ein Mann zu Boden. Dann fiel ein Schuss oder zwei“, sagt ein Mann, der den Vorfall am Marktplatz beobachtet hat. „Es war eine Kundgebung, drei, vier Polizeiautos standen da. Anscheinend haben sie mit etwas gerechnet“, mutmaßt seine Frau.

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Bei einem der Opfer handelt es sich um Islamkritiker und BPE-Mitglied Michael Stürzenberger. Auf der Homepage der Bewegung heißt es, dass der 59-Jährige schwere Stichverletzungen am Gesicht und am Bein erlitten habe. Er sei in die BG Klinik in Ludwigshafen eingeliefert worden. Mehrere BPE-Helfer sollen bei dem Angriff niedergestochen worden sein, heißt es weiter.

Stürzenberger ist einer der führenden Köpfe der BPE. Die Bewegung beschreibt sich auf ihrer Website als „Menschenrechtsorganisation“, die „über Wesen und Ziele des Politischen Islam“ aufkläre. „Politischen Islam stoppen“ stand etwa auf einem Banner, der am Infostand auf dem Marktplatz hing. Dabei macht die BPE keinen Unterschied zwischen Islam und Islamismus – beiden schreibt sie etwa „aggressive Verachtung und Intoleranz“ zu.

Der bayerische Verfassungsschutz schrieb in seinem Bericht für das Jahr 2022 über Stürzenberger und den bayerischen Landesverband der BPE, es lägen „tatsächliche Anhaltspunkte“ dafür vor, dass diese „verfassungsschutzrelevante islamfeindliche Bestrebungen“ verfolgten, „die auf eine Abschaffung der Religionsfreiheit für Muslime gerichtet sind“. Im jüngsten Bericht für das Jahr 2023 tauchen Stürzenberger und die BPE nicht mehr auf. Das liegt nach Angaben des Landesamts für Verfassungsschutz aber nur daran, dass diese weniger aktiv seien. Sowohl Stürzenberger als auch der BPE-Landesverband Bayern würden weiter beobachtet.

Der studierte Politikwissenschaftler Stürzenberger war einst Pressesprecher der CSU in München. Im Jahr 2011 stieg er bei der Partei Die Freiheit ein, die alsbald beim Landesverfassungsschutz als islamfeindliche Gruppierung auftauchte. Im Februar 2012 übernahm er deren bayerischen Landesvorsitz, später war er bis zur Auflösung der Partei Ende 2016 Bundesvorsitzender. Mehrfach trat er auf Veranstaltungen der islamfeindlichen Pegida-Bewegung in Dresden auf.

„Der Angriff geschah, bevor die Veranstaltung überhaupt losging, das muss von langer Hand geplant worden sein“, sagt BPE-Schatzmeisterin Stefanie Kizina. Eine Sprecherin der Stadt Mannheim bestätigt, dass die Organisation für Freitagvormittag eine Veranstaltung auf dem Marktplatz angemeldet hatte.

Generalstaatsanwaltschaft übernimmt Ermittlungen

Polizeisprecher Appel bestätigt vor Ort nicht, dass es sich bei einem der Opfer um Stürzenberger handelt. „Wir haben hier mit einer sehr sensiblen Materie zu tun. Da möchten wir im Vorfeld keine Mutmaßungen treffen“, sagt Appel. Die Ermittlungen führt die Generalstaatsanwaltschaft. Die Polizei vernehme laut Appel nun Zeugen, die Kriminaltechnik sei mit der Spurensicherung beschäftigt. Ob die Attacke einen politischen Hintergrund habe, sei Gegenstand der Ermittlungen. Das Motiv des mutmaßlichen Täters war zunächst noch unklar.

Der Opferbeauftragte der Landesregierung, Alexander Schwarz, hat Betroffenen seine Hilfe angeboten. Er und sein Team stünden allen Verletzten, Angehörigen und auch Augenzeugen als Ansprechpartner zur Verfügung, sagte eine Sprecherin des Justizministeriums. (mit dpa)

Redaktion

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