Botanik

Mein großer grüner Kaktus: Warum in der Neckarauer Nachbarschaft alle Ableger wollen

Ein Riesenkaktus begeistert das Viertel: Wie kriegt man den Kaktus so groß? Sind denn alle pflegeleicht? In welchem Land steht Haftstrafe aufs Ausbuddeln? Und wo in der Region kann man Kaktussuppe und Kaktusfalafel essen?

Von 
Lea Seethaler
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Mannheim. „Hatice, komm’, er blüht!“ Wenn bei Hatice Uz aus Mannheim das Handy klingelt, muss sie los. Denn ein paar Häuser weiter findet dann ein Naturschauspiel statt. Ein Riesenkaktus, den Besitzerin Gertrud Magin über Jahre zog, öffnet seine Blüten. In der Dunkelheit. „Haben Sie so etwas schonmal gesehen? Also wir nicht!“, sagt Uz, als sie die Tür zu Magins Wohnung aufmacht und sofort Richtung Balkon läuft. Die Blüten sind noch geöffnet.

Eine ganz besondere Freundschaft

Uz ist eigentlich die Haushaltshilfe von Magin. Doch aus dem Arbeitsverhältnis ist zwischenzeitlich eine Freundschaft geworden, das merkt man vor Ort. Der Kaktus hat sicher einiges dazu beigetragen. Er beeindruckt auch durch seine Größe. Uz bringt oft ihre kleine Tochter mit zu Magin. Die sechsjährige Esila fährt total auf den stacheligen Gefährten ab. Der Kaktus ist fast so groß wie sie. Als der „MM“ vor Ort ist, kann sie es kaum erwarten, ihn zu zeigen. Sie holt selbstgemalte Bilder der blühenden Pflanze und ist ganz aufgeregt.

Nachbarn wollen Ableger

Bis zu 14 Blüten hatte er in diesem Jahr schon, erzählen die Kaktusfans - und so sprach es sich in der Siedlung in Neckarau herum, was da oben auf dem Balkon los ist. „Und die Nachbarn kommen und wollen Ableger von dieser Schönheit“, sagt Magin und lacht. Die 82-Jährige hat eigens dafür welche in Töpfen gezogen.

Blüten beim Aufgehen zugucken

Aber was ist das Geheimnis, dass er so riesig wurde? „Gießen, immer recht fleißig.“ Außerdem der Standort: Halbschatten per Markise und Schirm. „Es ist wirklich so, dass ich abends um halb zehn da sitze und mir anschaue, wie die Blüten ganz langsam aufgehen. Das ist total faszinierend“, sagt Magin.

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"Eine Königin der Nacht?"

Magin ist sich sicher, dass der Kaktus auf ihrem Balkon eine „Königin der Nacht“ ist. Wir haken nach bei einem echten Kakteenexperten. Wolfgang Metorn ist seit 32 Jahren Vorsitzender der Kakteengesellschaft Mannheim-Ludwigshafen. Er weiß genau, welche Art da in Neckarau gerade blüht. „Ein sogenannter Bauernkaktus, weil man ihn früher oft im Hof von Bauernhöfen oder Winzerhäusern sehen konnte“, erklärt er.

Mit der echten „Königin der Nacht“ habe er nichts zu tun. „Er wird aber oft damit verwechselt, da er ebenfalls nachts blüht. Bei kühlem Wetter blüht er auch noch am nächsten Tag“, erklärt Metorn. „Der Bauernkaktus ist leider etwas aus der Mode gekommen“, sagt er. „Bei mir war es der erste Kaktus, mit dem ich damals als Grundschüler in Berührung kam, quasi die Initialzündung“, schwelgt der Kakteenliebhaber in Erinnerungen.

Regelmäßig düngen

Der Bauernkaktus ist laut Metorn keine seltene Art. Ursprünglich kommt er in tiefen Lagen von Argentinien und Gebieten in Brasilien und Paraguay vor. Zudem sei er relativ leicht zu kultivieren. Metorn betont: Bis er so groß wird wie bei Magin, dauert es viele Jahre beziehungsweise Jahrzehnte. Sein Tipp: „Von April bis August immer leicht feucht halten, regelmäßig düngen mit handelsüblichem Kakteendünger.“ Und alle paar Jahre umtopfen in Kakteenerde. „Im Sommerhalbjahr wenn möglich ins Freie, Standort halbschattig, Morgensonne ist ideal“, empfiehlt er. Magin hat also alles richtig gemacht.

Ein Zentimeter großer Kaktus

Metorn kennt sich aus, das merkt man. Dementsprechend kann er auch einen Überblick über die Größenvariationen der Pflanzen geben. „Es gibt Kakteen, die werden nur einen Zentimeter groß, genannt Blossfeldia lilliputana. Und es gibt Giganten wie den ,Westernkaktus’ Carnegia gigantea, der 18 Meter hoch werden kann.“

Große Auswahl im Spezialgeschäft

Und ist da was dran, dass alle Kakteen pflegeleicht sind? Es gibt solche und solche: „Viele Kakteenarten sind pflegeleicht, aber es gibt auch jede Menge heikle Arten, die nur ,Spezialisten’ im Gewächshaus kultivieren können“, so der Experte. Für Anfänger empfiehlt er Echinopsis, Rebutia, Notokaktus aus Südamerika und Mammillaria und den „Schwiegermuttersessel“ (Goldkugel Echinokaktus grusonii) aus Mexiko. Diese Arten würden oft im Supermarkt oder in Gartencentern angeboten. Gute Auswahl gebe es auch in Kakteengärtnereien, so Metorn. „Etwa in der Südpfalz, in Steinfeld“, empfiehlt der Sammler, der im dortigen „Kakteenland“ die Beratung schätzt.

Kaktussuppe und Leberknödel speisen

Zudem gibt es dort ein Kakteenrestaurant „Zum Schwiegermuttersitz“, das Kaktusflammkuchen, Kaktussorbet, Kaktussuppe und Kaktussalat, Kaktusfalafel und Kaktuscocktails serviert. Zwischen Pfälzer Spezialitäten wie Leberknödel und Saumagen stehen sie auf der Karte.

Dem Kaktus hinterhergereist

Metorn sammelt seit fast 60 Jahren Kakteen und andere Sukkulenten. Er lädt Interessierte zu den Kakteenfreunden Mannheim-Ludwigshafen ein: „Wir treffen uns immer am 4. Donnerstag um 19.30 Uhr im Krautwickel, Mannheim-Pfingstberg.“ Wie kommt er eigentlich auf dieses stachelige Hobby? Seine Liebe zu Kakteen habe ihn dazu animiert, seine „Lieblinge am Standort zu ,studieren’, deshalb habe ich sehr viele Reisen zu den Kakteen nach Mexiko, in den Südwesten der USA und nach Südamerika unternommen“, so Metorn.

Echte Cactus-Cops spielen Ranger

In den USA gibt es im Übrigen wahre „Cactus-Cops“. Nach Medienberichten schützen die Ranger in Arizona die extrem großen Saguaro-Kakteen. Denn Schwarzhändler haben es im Nationalpark auf die wertvollen, sehr alten und vor allem riesigen Pflanzen abgesehen. Die langen und mehrzackigen Kakteen gelten als das Symbol des Wilden Westens schlechthin. Bis zu 100 000 Dollar Strafe muss zahlen, wer sie illegal transportiert oder verkauft, heißt es.

Zudem stehen als Abschreckung bis zu zehn Jahre Haft auf den Kaktus-Diebstahl. In Arizona sind deshalb Tausende Kakteen von den Rangern gechipt, also mit Peilsendern ausgestattet. So sollen die Täter überführt und schnell geortet werden. Das wäre bei Gertrud Magin in Neckarau nicht nötig: „Der sticht wie noch was“, sagt sie, als sie ihren Kaktus nur leicht berührt und lacht. Und auf ihrem Balkon ist er sicher, wenn auch nicht von den bewundernden Blicken und Ablegerwünschen der Nachbarschaft. . .

www.kakteengesellschaft- malu.de

Redaktion Redakteurin und Online-Koordinatorin der Mannheimer Lokalredaktion

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