Chemieunfall

So ist die Mannheimer Polizei für Einsätze mit Gefahrgut ausgerüstet

Die Feuerwehr war am Dienstagabend mit feuerwesten Chemieschutzanzügen beim Gefahrgutaustritt im Mannheimer Hafen im Einsatz. Auf Seiten der Polizei wurden 16 Beamte verletzt - weil sie ohne Ausrüstung angerückt ist

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Julius Paul Prior
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Der Container im Hafen wird weiter mit etwa 1000 Litern Wasser pro Minute von der Feuerwehr gekühlt. © Michael Ruffler

Mannheim. Während die Feuerwehr am Dienstagabend am Mannheimer Mühlauhafen teilweise mit feuerfesten Chemieschutzanzügen im Einsatz war, gibt es bei der Polizei derzeit keine Filter für Atemschutzmasken, die Chemikalien oder auch nur Rauch neutralisieren können. Bei dem Austritt von Schwefeloxid, das durch Reaktion eines Bleichmittels in dem Container entstanden ist, sind insgesamt 17 Personen verletzt worden. 16 von ihnen sind Polizisten. Diese und dem Kranfahrer, der den Container für den Einsatz der Feuerwehr aus der Lagerkette herausgehoben hat, sind derweil wieder wohlauf. Norbert Schätzle, Pressesprecher der Polizei Mannheim, bestätigte am Freitag, dass die Beamten zudem wieder dienstfähig seien.

Dennoch stellt sich die Frage, wieso die Polizisten ohne Schutzausrüstung zu der Giftwolke gefahren sind. Auch Manfred Santen, Chemiker im Team Meeresschutz von Greenpeace Deutschland fragt, „warum so viele Polizisten verletzt wurden“. Laut ihm solle an Orten mit Chemikalien wie dem Hydrosulfit „eine fachkundige Person in der Nähe sein, die die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen wie zum Beispiel ausreichenden Atemschutz veranlassen kann“.

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Schätzle betont, dass die Beamten selbst nicht fahrlässig gehandelt hätten und auch dass deren Anweisungen nicht leichtsinnig gewesen seien. Sie hätten nach Protokoll gehandelt. Da zum Zeitpunkt des Eintreffens noch nicht bekannt war, um welchen Stoff es sich handelt und ob dieser giftig ist, seien sie ohne Schutzausrüstung angerückt. „Sonst wären meine Kollegen nicht verletzt worden“, kommentiert der Pressesprecher.

Hilfsaspekt im Vordergrund

Der Bezirksgruppenvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei im Mannheimer Präsidium, Thomas Mohr, hat andere Informationen: Auch wenn bereits bekannt gewesen wäre, um welches Gefahrgut es sich handelt, hätten die Beamten keine geeigneten Atemschutzmasken gehabt. „Die Polizei hat keine Schutzmaske, die gegen chemische Substanzen oder auch nur Rauchentwicklung hilft“, erklärt er, „das ist nicht Teil der Standardausrüstung.“

Dennoch betont auch er, dass der Hilfsaspekt der Polizisten im Vordergrund stehe. Sie hätten richtig gehandelt, den Bereich abzusperren und zu überprüfen, dass keine Unbeteiligten im Gefahrenbereich sind. Wenn die Gefahr vorher bekannt gewesen wäre, stünde allerdings der Eigenschutz an erster Stelle. Hierfür fordert die Gewerkschaft: „Spezielle Atemschutzmasken, die zumindest für einen kurzen Zeitraum vor Gesundheitsschäden schützen.“

Bei dem Einsatz am Dienstag sei die Polizei von der Feuerwehr schnell hinzugerufen worden, um Straßensperrungen einzurichten, den Verkehr umzuleiten und später den Bereich zu räumen, erklärt Schätzle den Verlauf unmittelbar nach dem Notruf. Auch Feuerwehr-Kommandant Thomas Näther bestätigt, dass die Polizei in etwa zeitgleich mit der Feuerwehr alarmiert worden sei. Die Beamten seien demnach so früh wie möglich über den Gefahrstoff informiert worden.

Durchbruch am Boden

Die aktuelle Lage am Hafen habe sich auch am Freitag nicht geändert, erklärten Mannheims Erster Bürgermeister und Sicherheitsdezernent Christian Specht und Näther am Nachmittag. Auch am Wochenende werde die Feuerwehr den Container nicht öffnen, hieß es. Die derzeit einzige Öffnung sei ein Durchbruch am Boden des Containers. Wie groß dieser ist, wurde zunächst nicht bekannt. Der Durchbruch ändere jedoch nichts an der derzeit stabilen Lage. Auch der erwartete Wetterwechsel am Wochenende habe keinen Einfluss auf den Einsatz, erklärt Specht: Weder ein starkes Gewitter noch Starkregen würden die Situation ändern.“ Auch wenn das Wasser kontaminiert werde, sei dies keine Gefahr für die Umwelt. Grund dafür ist, dass der Container in einem Gefahrgutterminal steht, in dem das Wasser aufgefangen wird.

Neben dem Entsorgungskonzept arbeiten Stadt und BASF nun auch an einem Bergungskonzept, sagte Specht. Derzeit befinde sich der Krisenstab in der Phase der Risikobewertung. Wenn die Temperatur in den kommenden Tagen möglichst niedrig ist, wolle die Feuerwehr „minimale Öffnungen vornehmen“, um durch kleine Löcher Thermometer im Inneren anzubringen. Auch eine Kamera soll nach Möglichkeit eingeführt werden, um die Situation besser einschätzen zu können.

Nach der Bergungsphase folge noch die Entsorgungsphase, während der die Gefahr schon gebannt sei, sagte Näther. Bis dahin mache er sich derzeit „über nichts Sorgen“. Wenn der Container geöffnet und von der Feuerwehr freigegeben wird, werde die Wasserschutzpolizei die Ermittlungen zur Ursache und möglichen Fehlern aufnehmen. Dies teilte sie auf Anfrage mit.

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